Holger Petri, Bad Wildungen*
Fluorchinolone (Gyrasehemmer) stellen kein Substrat der Cytochrom-P450-Isoenzyme dar. Sie unterscheiden sich aber in ihren modulierenden Eigenschaften auf das Isoenzym CYP1A2.
Mit 18,7 Mio. definierten Tagesdosen fielen 2012 auf Ciprofloxacin mehr als die Hälfte aller Verordnungen von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone [11]. Ciprofloxacin ist ein moderater Inhibitor von CYP1A2 [2], obwohl die Fachinformation von Agomelatin die hemmende Potenz des Antibiotikums auf CYP1A2 als stark wertet [8]. (Diese inkonsistenten Angaben in den Fachinformationen sollten im Zuge des Aktionsplans 2008/2009 des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit [AMTS] in Deutschland behoben werden.)
Interaktionen mit CYP1A2-Substraten
Bei Substraten von CYP1A2, die primär über dieses Cytochrom-P450-Isoenzym metabolisiert werden oder die eine enge therapeutische Breite besitzen, steigen die Plasmaspiegel durch Hemmung von CYP1A2 in einem klinisch relevanten Maß und damit ist das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen erhöht. Aus diesem Grund darf Ciprofloxacin nicht gleichzeitig mit Agomelatin [8], Duloxetin [3] oder Tizanidin [6] angewendet werden. Ciprofloxacin verringert dosisabhängig die Clearance des Antipsychotikums Clozapin und seines aktiven Metaboliten N-Desmethylclozapin [10]. Plasmaspiegelkontrollen mit Dosisanpassung von Clozapin sind in Kombination mit Inhibitoren von CYP1A2 wie Ciprofloxacin dringend angeraten, da mit veränderten Plasmaspiegeln gerechnet werden muss [1]. Auch der hepatische Abbau von Theophyllin via CYP1A2 wird durch Ciprofloxacin gehemmt. In der Folge kann es zu einem Anstieg der Serumkonzentration von Theophyllin kommen. Gemäß Herstellerangabe werden in dieser Kombination eine Reduktion der empfohlenen Theophyllin-Dosis auf maximal 60% sowie engmaschige Konzentrationsbestimmungen empfohlen [5].
Die beiden „Harnwegs-Fluorchinolone“ Enoxacin und Norfloxacin [11] hemmen ebenfalls CYP1A2 (Tab. 1). Die inhibitorische Potenz von Enoxacin ist dabei als stärker einzuschätzen als die von Ciprofloxacin, da es bei Patienten unter Theophyllin-Therapie kontraindiziert ist [4]. Für Ofloxacin und sein Enantiomer Levofloxacin gelten diesbezügliche Kontraindikationen oder Vorsichtsmaßnahmen bei gleichzeitiger Verordnung von CYP1A2-Substraten nicht. Diese beiden Fluorchinolone weisen nur schwach modulierende Eigenschaften auf.
Tabelle 1 enthält eine Auswahl an Arzneistoffen, deren Metabolismus in einem klinisch relevanten Maß abhängig ist von CYP1A2. Sie verschafft einen schnellen Überblick über potenzielle Kombinationspartner von Fluorchinolonen, die mit einem erhöhten Risiko für Wechselwirkungen auf Ebene von CYP1A2 einhergehen.
Moxifloxacin, das in erster Linie bei Atemwegsinfektionen eingesetzt wird, besitzt keine modulierenden Eigenschaften auf die Cytochrom-P450-Isoenzyme. Unter den Fluorchinolonen weist es das höchste Risiko für eine QT-Zeit-Verlängerung auf [9].
Resorptionsminderung durch Chelatkomplexbildung
Pharmakokinetische Wechselwirkungen der Fluorchinolone mit mehrwertigen Kationenen wie Eisen und Zink durch verringerte Resorption infolge von Chelatkomplexbildung können dazu führen, dass die Plasmakonzentration des Antibiotikums unter die minimale Hemmkonzentration (MHK) fällt und daraus möglicherweise ein Therapieversagen resultiert [2]. Allerdings beeinflussen Calcium und Milchprodukte die Resorption von Levofloxacin nur minimal [7].
Die Komplexbildung mit Calcium ist zu berücksichtigen bei enteral ernährten Patienten, denn Standardsondenkost enthält in etwa so viel Calcium wie Milch. Bei der Verabreichung von Ciprofloxacin über eine Ernährungssonde ist eine Erhöhung der Dosis zu erwägen und die Nahrungszufuhr sollte für mehrere Stunden sistieren [12], was unter Berücksichtigung der allgemein zweimal täglichen Dosierung von Ciprofloxacin insbesondere bei einem kontinuierlichen Ernährungsregime das verfügbare Zeitfenster deutlich verringert.
Literatur
1. Benkert O, et al. Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 9. Aufl. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2013.
2. Fachinformation Ciprobay®, Stand Dezember 2012.
3. Fachinformation Cymbalta®, Stand Oktober 2013.
4. Fachinformation Enoxor®, Stand Februar 2012.
5. Fachinformation Euphylong®, Stand November 2012.
6. Fachinformation Sirdalud®, Stand März 2012.
7. Fachinformation Tavanic®, Stand Mai 2013.
8. Fachinformation Valdoxan®, Stand April 2013.
9. www.azcert.org/medical-pros/drug-lists/list-01.cfm (Zugriff am 18.11.2013).
10. Raaska K, Neuvonen PJ. Ciprofloxacin increases serum clozapine and N-desmethylclozapine: a study in patients with schizophrenia. Eur J Clin Pharmacol 2000; 56:585–9.
11. Schwabe U, Paffrath D. Arzneiverordnungs-Report 2013. Heidelberg: Springer, 2013.
12. Wohlt P, et al. Recommendations for the use of medications with continous enteral nutrition. Am J Health Syst Pharm 2009; 66:1458–67.
*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2014;35:16–8.
Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.
Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de
Psychopharmakotherapie 2014; 21(01)