Karl Mann, Mannheim
Der schädliche Gebrauch und die Abhängigkeit von Alkohol stellen erhebliche Probleme für Individuum und Volksgesundheit dar. Nach neuesten Berechnungen in der Global Burden of Disease Study liegt der Alkoholkonsum weltweit an dritter Stelle der Risikofaktoren für Gesundheitsschäden. Platz eins nimmt die Hypertonie ein, gefolgt vom Rauchen [7]. Die in Deutschland traditionell angebotene Therapie mit körperlicher Entgiftung, qualifizierter Entzugsbehandlung und medizinischer Rehabilitation ist zwar erfolgreich, wird aber zu wenig wahrgenommen [19]. Eine für Europa berechnete „Behandlungslücke“ zeigt, dass weniger als 10% der Alkoholabhängigen in spezifische Behandlung kommen [6]. Diese Zahlen dürften auch für Deutschland weitgehend zutreffen. Der Einsatz von „Anticravingmitteln“ wie Acamprosat und Naltrexon zur Erhaltung einer durch Entzugsbehandlung erreichten Abstinenz hat daran nichts durchgreifend geändert. Es könnte sein, dass das traditionelle Therapieziel der absoluten lebenslangen Abstinenz für viele Alkoholabhängige eine zu hohe Hürde zum Eintritt in eine Behandlung bedeutet (siehe Mann und Körkel in diesem Heft).
Im Gegensatz zu Deutschland gilt in vielen europäischen Ländern inzwischen auch die Reduktion der Trinkmengen als zumindest intermediäres Therapieziel für Alkoholabhängige [13]. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die European Medicines Agency (EMA) vor zwei Jahren eine Richtlinie publizierte, wonach eine Reduktion der schweren Trinktage bzw. der Gesamtmenge des konsumierten Alkohols anerkannte Therapieziele in der Behandlung von Alkoholabhängigen sind (EMA 2010). Die damit eröffneten neuen Therapiemöglichkeiten könnten dazu beitragen, deutlich mehr Alkoholabhängige als in der Vergangenheit einer spezialisierten Therapie zuzuführen. In diesem Artikel soll referiert werden, welche Rolle dabei das Ende 2012 neu zugelassene Medikament Nalmefen (Selincro®) spielen könnte.
Zur Pharmakologie und Pharmakodynamik von Nalmefen
Nalmefen ist ein selektiver Ligand an Opioidrezeptoren, Affinitäten zu anderen Rezeptorsystemen wurden nicht beschrieben. In vivo konnten starke antagonistische Wirkungen am My-Rezeptor, ein mäßig potenter Antagonismus am Delta-Rezeptor und eine partiell agonistische Aktivität am Kappa-Rezeptor gezeigt werden [2]. Eine annähernd vollständige Rezeptorbesetzung erfolgt nach zwei bis drei Stunden und ist nach 26 Stunden mit mindestens 83% Bindung weiterhin nachweisbar. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 40 bis 50%, die pharmakodynamische Halbwertszeit bei acht bis zehn Stunden. Nach oraler Verabreichung wird Nalmefen schnell zum Hauptmetaboliten Nalmefen-III-O-glucuronid abgebaut. Metaboliten wie Nalmefen-III-O-sulfat und Nornalmefen wird nur eine geringe pharmakologische Wirkung an den Opioidrezeptoren zugeschrieben. Der potentere Metabolit Nalmefen-III-O-sulfat liegt nur in sehr geringen Konzentrationen vor. Lebertoxische Wirkungen konnten in den entsprechenden Studien nicht gezeigt werden. Die Ausscheidung erfolgt zu rund 70% über die Nieren und zu etwa 20% im Stuhl. Es fanden sich keine relevanten Interaktionen zwischen Nalmefen und Alkohol (EMA Assessment Report 2012).
Erste klinische Prüfung von Nalmefen
In einer ersten Pilotstudie untersuchten Mason et al. 1994 [11] 21 Patienten, die randomisiert 40 oder 10 mg Nalmefen bzw. Plazebo erhielten. Die Hochdosis-Gruppe hatte signifikant niedrigere Rückfallraten; beide Verum-Gruppen zeigten signifikante Abnahmen in der Anzahl der Trinktage. Trotz der geringen Fallzahl weisen diese Befunde bereits in die Richtung späterer umfangreicherer Studien. Die Arbeitsgruppe um Mason [12] unternahm eine weitere doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Studie mit 105 alkoholabhängigen Patienten (80 mg Nalmefen, 20 mg Nalmefen oder Plazebo). Es zeigte sich kein Unterschied zwischen beiden Nalmefen-Gruppen. Beide wiesen im Vergleich mit Plazebo signifikante Verminderungen der Rückfälle auf. Eine dritte Studie wurde von Anton et al. [1] publiziert, wobei kein signifikanter Effekt zwischen Nalmefen und Plazebo festgestellt wurde.
Von Karhuvaara et al. [5] wurde Nalmefen gegen Plazebo zur Reduktion bei anhaltendem Alkoholkonsum geprüft. Dabei wurde die Medikation bei Bedarf eingenommen. Von insgesamt 403 Patienten erhielten 242 Nalmefen und 161 Plazebo. In der Nalmefen-Gruppe zeigte sich ein signifikant stärkerer Rückgang der schweren Trinktage. Dieser Unterschied wurde durch den im Vergleich zur Plazebo-Gruppe signifikant stärkeren Rückgang der Leberenzym-Aktivitäten in der Nalmefen-Gruppe bestätigt.
Das Phase-III-Studienprogramm von Lundbeck
Die Firma Lundbeck erwarb von der finnischen Firma Biotie die Rechte zur Prüfung und Vermarktung von Nalmefen bei Alkoholabhängigen. Es wurde ein Phase-III-Studienprogramm aufgelegt, das knapp 2000 Patienten umfasste. Die erste Studie ist bereits publiziert [9], die zweite ist im Druck [4]. Beide Studien dauerten sechs Monate und prüften die Wirksamkeit der Substanz gegenüber Plazebo. Eine dritte Studie wurde primär zu Fragen der Sicherheit von Nalmefen geplant und lief über 12 Monate. Die Ergebnisse dieser Studie sind bisher nur als Abstract verfügbar [18]. Im Folgenden sollen die beiden ersten Studien genauer referiert werden, wobei auch auf die Safety-Studie Bezug genommen wird.
Studie I
Es wurden insgesamt 604 Patienten zur Behandlung mit Nalmefen (n=306) oder Plazebo (n=298) randomisiert. Hauptzielkriterien waren die von der EMA vorgeschlagenen Heavy Drinking Days (HDD; >60 g Alkohol/Tag bei Männern und >40 g Alkohol/Tag bei Frauen) und die Total Alcohol Consumption (TAC in g/Tag). Sekundäre Zielparameter waren Fremdratings, z.B. die Clinical Global Impression (CGI) Scale und die Veränderung der Leberenzyme. Alle Patienten wurden mithilfe des Mini International Neuropsychiatric Interview (MINI) als Alkoholabhängige diagnostiziert. Es wurden Frauen und Männer zwischen 18 und 65 Jahren eingeschlossen. Sie mussten im Vorfeld eine Mindestmenge Alkohol konsumiert haben, durften andererseits aber keine Leberwerte (Gamma-Glutamyl-Transferase [GGT], Glutamat-Pyruvat-Transaminase [GPT]) haben, die das normale Limit um mehr als das Dreifache überstiegen (Einzelheiten siehe die Originalpublikation [9]).
Das Screening, die Diagnosestellung und die informierte Einwilligung der Patienten wurden an einem Tag durchgeführt. Dabei wurden auch die Trinkmengen in den zurückliegenden vier Wochen mittels der „Timeline follow-back Methode“ [15] erhoben. Ein bis zwei Wochen später erfolgte in der zweiten Visite die Randomisierung auf 18 mg Nalmefen oder Plazebo. Anschließend folgten zunächst zwei Visiten in wöchentlichem Abstand, danach weitere Sitzungen mit jeweils vier Wochen Abstand. Neben der Medikation erhielten alle Patienten eine psychosoziale Beratung von jeweils bis zu 30 Minuten Dauer. Die Beratung durch trainierte Betreuer (Ärzte, Psychologen, Study Nurses) folgte einem Manual [17].
In den soziographischen Daten und den Angaben zur Krankheitsvorgeschichte fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Plazebo- und der Nalmefen-Gruppe. Überraschenderweise war es für mehr als 70% der Patienten die überhaupt erste therapeutische Maßnahme bezogen auf die Alkoholproblematik.
Es zeigte sich in beiden Gruppen eine signifikante Reduktion der Trinkmengen über die Zeit. Sie war unter Nalmefen signifikant stärker ausgeprägt (p=0,0021 für HDD und p=0,0003 für TAC) als in der Plazebo-Gruppe (Tab. 1). Auch die Reduktion der Leberwerte und das Fremdrating der CGI waren signifikant günstiger in der Nalmefen-Gruppe [9].
Tab. 1. Ausgangswerte und Wirksamkeitsanalyse nach 6 Monaten im „vollständigen Analysekollektiv“ (n=578)
Ausgangswert |
Differenz vom Ausgangswert |
Unterschied Nalmefen/Plazebo |
||||||||
Plazebo |
Nalmefen |
Plazebo |
Nalmefen |
|||||||
Wirksamkeitsvariable |
n |
Durchschnitt ± SD |
n |
Durchschnitt ± SD |
n |
Durchschnitt ± SD |
n |
Durchschnitt ± SD |
Durchschnitt |
p |
Anzahl der schweren Trinktage |
289 |
19,6±6,9 |
290 |
19,4±7,3 |
213 |
–8,9±0,6 |
152 |
–11,2 ± 0,6 |
–2,3 [–3,8 bis –0,8] |
0,0021 |
Gesamtalkoholkonsum [g/Tag] |
85±42 |
84±42 |
–39,7±2,2 |
–50,7±2,4 |
–11,0 [–16,8 bis –5,1] |
0,0003 |
Sicherheit und Verträglichkeit
Während der sechsmonatigen Behandlungsphase traten bei 67% der Patienten in der Plazebo-Gruppe und bei 81% der Patienten in der Nalmefen-Gruppe unerwünschte Ereignisse auf. Am häufigsten waren Schwindel, Unwohlsein, Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen (für die genaue Aufstellung siehe Tabelle 2 und den Originalartikel [9]). Diese Ereignisse waren mild bis mäßig ausgeprägt und transient, führten aber zu signifikant unterschiedlichen Abbruchraten. Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Sensitivitätsanalysen durchgeführt [9]. Es zeigte sich, dass die signifikanten Hauptergebnisse zugunsten von Nalmefen erhalten blieben – unabhängig vom angewandten statistischen Modell der Berechnung fehlender Daten.
Tab. 2. Unerwünschte Ereignisse (Vorkommen ≥5%) – zusammengefasste Daten aus allen drei Studien
Plazebo (n=797) |
Nalmefen (n=1144) |
|||
[n] |
[%] |
[n] |
[%] |
|
Patienten mit unerwünschten Ereignissen |
500 |
62,7 |
855 |
74,7 |
Übelkeit |
47 |
5,9 |
253 |
22,1 |
Schwindel |
44 |
5,5 |
208 |
18,2 |
Schlaflosigkeit |
43 |
5,4 |
153 |
13,4 |
Kopfschmerzen |
66 |
8,3 |
141 |
12,3 |
Nasopharyngitis |
73 |
9,2 |
107 |
9,4 |
Erbrechen |
18 |
2,3 |
100 |
8,7 |
Müdigkeit |
37 |
4,6 |
95 |
8,3 |
Schläfrigkeit |
23 |
2,9 |
59 |
5,2 |
Studie II
Die zweite Effektivitätsstudie wurde überwiegend in Südeuropa durchgeführt und war hinsichtlich Ein- und Ausschlusskriterien, Untersuchungsinstrumenten und -design mit der ersten Studie identisch [4]. Insgesamt wurden 718 Patienten randomisiert, davon 360 auf Plazebo und 358 auf Nalmefen. Ähnlich wie in Studie I zeigten sich keine Unterschiede in den soziodemographischen und trinkanamnestischen Daten zwischen beiden Gruppen. Auch in dieser Studie gab es einen relativ hohen Anteil an Patienten, die erstmals mit dem Behandlungssystem in Berührung kamen.
In dem Manuskript von Gual et al. [4] finden sich auch Hinweise auf die Akzeptanz der Medikation bei Bedarf. So nahmen die Plazebo-Patienten im Mittel an 65,2% der Tage ihre Medikation ein, während Nalmefen im Mittel an 57% der Tage eingenommen wurde. Es gab den erwarteten, positiven Zusammenhang zwischen der Tabletteneinnahme und dem Schweregrad der Abhängigkeit sowie auch mit den initialen Trinkmengen.
Ähnlich wie in Studie I fanden sich in beiden Gruppen signifikante Reduktionen von TAC und HDD über die Zeit. Zum vordefinierten Endpunkt nach sechs Monaten war der Unterschied zwischen Plazebo und Nalmefen signifikant für HDD, nicht jedoch für TAC.
Sicherheit und Verträglichkeit
Das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil der Studie II war ähnlich wie in Studie I. Allerdings fand sich hier kein signifikanter Unterschied bei den Abbruchraten zwischen Plazebo und Verum. Erneut zeigte sich auch in der Studie II eine signifikante Überlegenheit von Nalmefen gegenüber Plazebo beim Expertenrating des CGI-Severity-Scores.
Sekundäranalysen
Erstmals wurden in dieser Publikation auch Sekundäranalysen zur Frage der klinischen Bedeutung der Ergebnisse publiziert. Es wurden zwei Gruppen unterschieden, je nach bereits eingetretener Trinkmengenreduktion zwischen dem Zeitpunkt des Screenings und der ein bis zwei Wochen späteren Randomisierung in die beiden Therapiegruppen. Es zeigte sich, dass 33% der Patientinnen und Patienten bereits in dieser Zeit ihren Alkoholkonsum signifikant reduzierten, also noch bevor die erste Medikation eingenommen worden war. In der Studie I lag der Prozentsatz der Early Reducers bei 18%. Betrachtet man den weiteren Therapieverlauf für die Gruppen der Early Reducers und der Early Non-Reducers, so wird deutlich, dass in der ersten Gruppe kein weiterer Therapieeffekt durch Nalmefen oder durch Plazebo erzielt werden konnte. Entsprechend robuster war der Effekt zugunsten von Nalmefen über Plazebo in der Gruppe der nicht a priori bereits reduzierenden Patienten.
Ergebnisse der Zwölfmonatsstudie zur Sicherheit von Nalmefen
Diese Studie wurde bisher nur in Abstractform publiziert [18]. Daher können die Ergebnisse nur kursorisch dargestellt werden. Es wurden insgesamt 675 Patienten behandelt, wobei in einem Verhältnis von 3:1 randomisiert wurde (Nalmefen: n=509, Plazebo: n=166). Erneut waren die schweren Trinktage und der absolute Alkoholkonsum Hauptkriterien. In Ergänzung zu den oben skizzierten Studien konnte aufgrund der einjährigen Laufzeit auch die unterschiedliche Wirksamkeit im zweiten Halbjahr bestimmt werden. Es zeigte sich, dass gerade bei längerer Laufzeit die Unterschiede zwischen Nalmefen und Plazebo bedeutsam sind (p-Werte <0,05). Erneut fand sich das oben bereits beschriebene Nebenwirkungsprofil mit leichten bis mittelschweren transienten Symptomen.
Diskussion
Zunächst muss auf den ausgeprägten Plazeboeffekt hingewiesen werden. Dieser ist in Studien mit Alkoholabhängigen in der Regel zu beobachten und wurde dementsprechend in Cochrane-Analysen zur Acamprosat- oder Naltrexon-Behandlung beschrieben [16]. In manchen Studien liegt er bei 50% und maskiert damit unter Umständen die Wirkung der Prüfsubstanz [10]. Allerdings handelt es sich im Falle der vorliegenden Nalmefen-Studien nicht um einen „ausschließlichen Plazeboeffekt“. Die manualisierte psychosoziale Beratung und individuelle Betreuung der Patienten übersteigt die Praxis der „Kurzinterventionen“ bei Alkoholproblemen erheblich. Es konnte in kontrollierten Studien mehrfach gezeigt werden, dass schon Kurzinterventionen von nur fünf bis zehn Minuten bereits einen messbaren Effekt haben [3]. Im vorliegenden Fall werden diese Daten bestätigt. Allein die Erkenntnis, ein Alkoholproblem zu haben, das von Fachleuten als Alkoholabhängigkeit diagnostiziert wurde, und der darauf hin gefasste Entschluss, einer therapeutischen Maßnahme zuzustimmen, führt bereits zu Verhaltensänderungen. Werden diese durch bewährte Methoden der Beratung und Betreuung umfänglich ergänzt, so ist mit einem noch deutlicheren Effekt zu rechnen. Daher ist es umso bemerkenswerter, dass in beiden Studien die Wirkung der Prüfmedikation signifikant über diesem Effekt lag. In der hausärztlichen Praxis werden ebenfalls die Probleme angesprochen und diagnostiziert und eine Handlung empfohlen – es muss also auch hier von einer unspezifischen Wirkung ausgegangen werden. Allerdings dürfte sie geringer ausfallen als in den hier skizzierten Studien, da der Hausarzt in der Regel kein Plazebo verordnet und entsprechende Wirksamkeitserwartungen wegfallen.
In beiden Studien finden sich Belege für eine Wirksamkeit der Einnahme der Medikation bei Bedarf. Sie erlaubt es dem Patienten, stärker aktiv seine Behandlung zu bestimmen (Empowerment), was ebenfalls zu einer Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung führen könnte.
Zusammengefasst scheint die Wirksamkeit von Nalmefen über Plazebo in der Reduktion des Alkoholkonsums bei Alkoholabhängigen überzeugend belegt. Abgesehen von einer Studie [18] finden sowohl drei oben zitierte frühere Studien [5, 11, 12] als auch das jetzt publizierte Phase-III-Programm der Firma Lundbeck klare Wirksamkeitsbelege. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich in fast allen Studien auch ausgeprägte Verbesserungen in der jeweiligen „Plazebo- plus Beratungsgruppe“ fanden.
Damit darf der Ansatz einer Reduktion des Alkoholkonsums zumindest für die aktive Behandlungsphase als gesichert gelten. Im Fall der vorliegenden Studien kann dies bis zum Zeitraum von einem Jahr belegt werden. Nach der Zulassung des Medikamentes in Europa Ende 2012 steht damit erstmals ein neuer Therapieansatz zur Verfügung, der wesentlich zu einer Ausweitung der therapeutischen Möglichkeiten und damit zu einer Verringerung der Behandlungslücke im Bereich Alkoholabhängigkeit führen könnte. Allerdings müssen weitere langfristig angelegte Studien ebenso wie Verlaufsbeobachtungen im Feld zeigen, wie bedeutsam der Effekt tatsächlich in der Praxis zu veranschlagen ist.
Welche Auswirkungen hat die Gabe von Nalmefen auf die Gesundheit und die Lebensqualität der Betroffenen? Lassen sich langfristige Veränderungen bei den alkoholassoziierten Erkrankungen wie diversen Krebsarten, kardiovaskulären und neuropsychiatrischen Erkrankungen nachweisen? Gibt es einen Zusammenhang im Sinne einer Senkung der Mortalität? Diese Fragen harren ihrer Beantwortung. Jüngst konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung der alkoholabhängigen Indexpatienten auch der Gesundheit und der Lebensqualität ihrer Angehörigen zu Gute kommt [14]. Damit könnte eine breit angelegte Behandlung von Patienten mit Nalmefen auch der Stabilisierung ihrer sozialen Umwelt und der Lebensqualität der Ehepartner und Familien dienen.
Interessenkonflikterklärung
KM hat Honorare von der Firma Lundbeck erhalten. Eine Einrichtung, für die er tätig ist, hat Gelder von der Firma Lundbeck erhalten.
Literatur
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10. Mann K, Lemenager T, Hoffmann S, Reinhard I, et al. Results of a double-blind, placebo-controlled pharmacotherapy trial in alcoholism conducted in Germany and comparison with the US COMBINE study. Addict Biol 2012; doi: 10.1111/adb.12012 [Epub ahead of print].
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19. Wienberg G. Systems of care for persons with alcohol problems in Germany – an analysis from a public health perspective. In: Mann K (Hrsg.). Neue Therapieansätze bei Alkoholproblemen. Lengerich: Pabst, 2002:17–46.
Prof. Dr. Karl Mann, Lehrstuhl für Suchtforschung, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, J5, 68159 Mannheim, E-Mail: sucht@zi-mannheim.de
Reduction of alcohol consumption in chronic alcoholism? Results of new phase III studies with the opioid modulator nalmefene
Nalmefene is an opioid modulator which acts as antagonist at the my- and delta-receptor and (in contrast to naltrexone) is a partial agonist at the kappa-receptor. Three new studies were performed in alcohol dependent patients following the guidelines of the European Medicines Agency (EMA). They accept a reduction in total alcohol consumption and in heavy drinking days as study endpoints for medications tested for approval. All studies were randomised, placebo-controlled and double blind. Medication had to be taken as needed. 1,997 patients were included of whom 1,182 received nalmefene. Two efficacy studies ran for 6 months, one safety study over 12 months. Both efficacy studies found significant differences in favour of nalmefene. Side effects were nausea, dizziness and insomnia. They were mild to moderate and mostly transient. Based on these results nalmefene was approved within the European Union. Reducing alcohol consumption represents a paradigm shift and could contribute substantially to reduce the treatment gap in alcoholism.
Key words: Alcoholism, pharmacotherapy, nalmefene
Psychopharmakotherapie 2013; 20(05)