Jürgen Fritze, Pulheim
Krebs ist mit etwa 25% (etwa 230000 Todesfälle) die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Jährlich gibt es fast 500000 Neuerkrankungen. Krebs ist weit überzufällig häufig mit psychischer Komorbidität assoziiert, insbesondere Depression und Angststörungen. Niklewski & Biermann fassen den wissenschaftlichen Stand der psychopharmakologische Behandlung zusammen, wobei sich ein weitgehender Mangel an verlässlichen Daten – Evidenz – offenbart. Wie mag das kommen? Das wenige belastbare Wissen ist aber desto wichtiger zu wissen – oder sollen Frauen an Brustkrebs sterben, weil ein CYP2D6-hemmendes Antidepressivum die Metabolisierung von Tamoxifen zu seinem aktiven Metaboliten verhindert? Wie will die Psychopharmakotherapie Schritt halten mit den rasanten Entwicklungen der onkologischen Chemotherapie?
Sexuelle Dysfunktionen beeinträchtigen die Lebensqualität als Symptom, Begleiterkrankung, Komplikation und Ursache für Non-Compliance oder Auslöser einer Depression – und werden im therapeutischen Prozess von allen Beteiligten gemieden. Boess, Manning & Kühn geben eine Übersicht zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der inzwischen drei verfügbaren Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5-I) Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil bei erektiler Dysfunktion. Hier gibt es immerhin fünf Plazebo-kontrollierte randomisierte Studien. Als Komplikation lassen sich – metaanalytisch teilweise abgesichert – sexuelle Dysfunktionen durch gezielte Auswahl oder Wechsel des Antidepressivums vermeiden – oder eben durch PDE-5-I lindern.
Laux, Huttner und die VIVALDI-Studiengruppe berichten über die Behandlungsergebnisse nach 12 Monaten antidepressiver Therapie mit Agomelatin: Der Anteil der remittierten Patienten stieg von rund 60% nach 12 Wochen auf 70% nach 12 Monaten.
Bienentreu, Jost, Eckermann & Hiemke berichten über einen Fall einer lebensbedrohlichen Clozapin-Intoxikation, der – wenngleich gut ausgegangen –gemahnt, dass Psychopharmakotherapie ohne pharmakokinetische Kompetenz der Chirurgie ohne Kenntnis der Anatomie und dem Weg des Maulwurfs entspricht: am Wege bleiben Erdhügel.
Diesem Kompetenzbedarf wird Ihre PPT gerecht, indem Petri die Serie über Wechselwirkungen mit einem Synopse über CSE-(Cholesterolsyntheseenzym-)Hemmer fortsetzt – bedeutsam insbesondere zur Vermeidung der Rhabdomyolyse.
Krüger, Rüther & Degner berichten aus dem Pharmakovigilanz-Projekt AMSP (Arzneimittelüberwachung in der Psychiatrie) über einen Patienten, der unter Asenapin von neu aufgetretenen Albträumen gepeinigt wurde, die nach erneutem Wechsel auf Clozapin sistierten.
Bezüglich der Kurzberichte sei besonders hingewiesen auf die CombiRx-Studie von Lublin et al. (2013) bei schubförmiger multipler Sklerose (RRMS), in der die Kombination von Interferon beta-1a mit Glatirameracetat in klinischen Parametern nicht wirksamer als die jeweiligen Monotherapien war, wenn auch auf Ebene von MRT-Parametern. Die GALA-Studie von Khan et al. zeigt im Vergleich zu Plazebo eine Wirksamkeit von 40 mg Glatirameracetat dreimal pro Woche s.c. Ein Vergleich gegen die – tägliche – Standardtherapie fehlt leider. Die Registerstudie von Stephansson et al. spricht gegen ein erhöhtes Risiko von Fehlgeburt und Neugeborenensterblichkeit bei Einnahme von SSRI in der Schwangerschaft. In der Plazebo-kontrollierten, randomisierten Studie von Stein et al. verhinderte Agomelatin bei generalisierter Angststörung (keine bisher zugelassene Indikation) den Rückfall. Das Antikonvulsivum Zonisamid unterstützte ín der Plazebo-kontrollierten, randomisierten Studie von Gadde et al. die Gewichtsreduktion, wenn auch um dem Preis häufiger Nebenwirkungen. Gabapentin erwies sich in der Prophylaxe der Migräne als unwirksam, womit eine wissenschaftliche Kontroverse beigelegt wird. Und Pregabalin lindert neuropathische Schmerzen bei Querschnittslähmung.
Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)