Schubförmige multiple Sklerose

Kombination zweier MS-Medikamente vermindert nicht das Rückfallrisiko


Dr. Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

Die multizentrische doppelblinde, randomisierte Studie CombiRx kommt zu dem Ergebnis, dass eine Kombination aus Interferon beta-1a und Glatirameracetat das Rückfallrisiko bei schubförmiger multipler Sklerose nicht verringert. Jedoch ging die Kombinationstherapie mit einer Verbesserung magnetresonanztomographischer Befunde einher. Zudem war der Anteil an Patienten signifikant höher, bei welchen die Krankheit einen aktivitätsfreien Verlauf annahm.

Weltweit sind über zwei Millionen Menschen an multipler Sklerose (MS) erkrankt. In den vergangenen 15 Jahren wurden mehrere immunmodulierende Medikamente zur Behandlung der schubförmigen MS (relapsing-remitting MS, RRMS) zugelassen, unter anderen Interferon beta-1a i.m. (IFN-β-1a, Avonex®), IFN-β-1a s.c. (Rebif®) und Glatirameracetat (GLAT, Copaxone®) [1].

Bisherige Studienergebnisse haben ergeben, dass eine Einzeltherapie nicht immer ausreichend wirksam ist, um eine Krankheitsaktivität vollständig zum Stillstand zu bringen. Daher stellt sich die Frage, ob die gleichzeitige Anwendung zweier Präparate mit verschiedenen Wirkungsmechanismen die Wirksamkeit erhöhen kann, ohne dass zusätzliche Nebenwirkungen auftreten. Eine Kombinationstherapie mit IFN-β-1a und Glatirameracetat könnte zur Therapie der schubförmigen multiplen Sklerose geeignet sein, da das Sicherheitsprofil bei beiden Präparaten gut ist und die Wirkungsmechanismen sich wahrscheinlich unterscheiden [2].

In der Studie CombiRx wurde untersucht, ob eine Kombination aus IFN-b-1a und Glatirameracetat das Rückfallrisiko bei RRMS vermindert [2].

Studiendesign und -ziel

1008 Patienten mit RRMS nahmen an der Plazebo-kontrollierten, randomisierten und kontrollierten Doppelblindstudie teil. Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 60 Jahre alt. Der Score gemäß EDSS (Expanded disability status scale) lag zwischen 0 und 0,5. Alle Patienten erfüllten die Diagnosekriterien der MS nach Poser bzw. McDonald mit mindestens zwei Schüben in den vergangenen drei Jahren, wobei mindestens ein Schub unter Einbeziehung einer detaillierten Bewertung des Magnetresonanztomogramms die Kriterien nach McDonald erfüllte.

Expanded disability status scale (EDSS)

Skalensystem (0–10) zur systematischen Erfassung der Behinderung von MS-Patienten. Ein hoher Grad entspricht einer starken Behinderung.

Die Angabe bezieht sich auf die Untersuchung der folgenden Bereiche:

  • Pyramidenbahnen
  • Kleinhirn
  • Sensorium
  • Blasen- und Mastdarmfunktionen
  • Sehfunktionen
  • Zerebrale Funktionen
  • 499 Patienten erhielten einmal wöchentlich 30 µg IFN-b-1a intramuskulär und einmal täglich 20 mg Glatirameracetat subkutan.
  • 250 Patienten erhielten lediglich IFN-b-1a.
  • 259 Patienten erhielten nur Glatirameracetat.

Alle Patienten wurden über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren beobachtet.

Primärer Endpunkt der Studie war die jährliche Schubrate, berechnet basierend auf Protokoll-definierten Exazerbationen. Sekundäre Endpunkte umfassten eine Progression der Erkrankung, bestimmt anhand MSFC (Multiple sclerosis functional composite), MRT-Änderungen (z.B. T1- und T2-Läsionslast) sowie das Sicherheitsprofil, in welchem alle aufgetretenen unerwünschten Ereignisse erfasst und bewertet wurden.

Studienergebnisse

Die Monotherapie mit IFN-b-1a zeigte sich in dieser Studie gegenüber der Monotherapie mit GLAT hinsichtlich der Schubrate unterlegen (Hazard Ratio [HR] 1,43; Konfidenzintervall [KI] 1,04–1,95; p=0,025). Die Kombinationstherapie zeigte bezüglich der Schubrate keinen Vorteil gegenüber GLAT (HR 1,10; KI 0,82–1,46; p=0,27).

Auch bei der Reduktion der Progression war die Kombinationstherapie den Monotherapien nicht überlegen. Jedoch traten neue Läsionsaktivitäten unter Kombinationstherapie seltener auf als bei Einnahme eines einzelnen Wirkstoffs. Bezüglich der Akkumulation des gesamten Läsionsvolumens bestand zwischen IFN-b-1a und GLAT kein signifikanter Unterschied (p=0,68). Gegenüber der Substanz mit dem besseren absoluten Wert (IFN-b-1a) zeigte sich die Kombinationstherapie signifikant überlegen (p=0,003). Unter Kombinationstherapie war zudem der Anteil an Patienten signifikant höher, bei denen die Krankheit in einen aktivitätsfreien Status überging (IFN + GLAT=33,3%, IFN=21,2%, GLAT=19,4%, p≤0,0004 für die Kombinationstherapie gegenüber den Monotherapien). Im Sicherheitsprofil zeigten die drei Therapiearme keine signifikanten Unterschiede.

Diskussion

Alle drei Therapieverfahren zeigten gute Ergebnisse mit einer geringen Anzahl an Schubraten. Bei Patienten mit einem EDSS von 0 war die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Erkrankung einen progredienten Verlauf annahm. In allen drei Therapiearmen verringerte sich der Verlust an Gewebe im Verlauf der Zeit. Im Allgemeinen liegt der Verlust an Hirngewebe bei unbehandelten RRMS-Patienten bei 1% jährlich [3]. In dieser Studie betrug er im ersten Jahr 2,1%, im zweiten Jahr 0,7% und im dritten Jahr 0,001%. Etwa zwei Drittel des Gewebsverlusts während des ersten Jahres geschah innerhalb der ersten sechs Monate. Die hohe Stabilisierung des Gewebsverlusts innerhalb des ersten Jahres steht in Übereinstimmung mit anderen Studien, welche die Wirksamkeit von IFN-b-1a bzw. GLAT untersuchten [3–5].

Fazit

Wie die Autoren feststellten, führte die Kombinationstherapie der beiden am häufigsten verschriebenen Arzneistoffe innerhalb des dreijährigen Beobachtungszeitraums zu keinem bedeutsamen klinischen Zusatznutzen. Die Nachbeobachtung müsse prüfen, ob die mit der Kombinationstherapie einhergehenden besseren MRT-Befunde und der erhöhte Übergang in einen aktivitätsfreien Zustand zu einer Verbesserung späterer klinischer Befunde führen.

Quellen

1. Berger T. Nutzen-Risiko-Evaluation: Zunehmende Bedeutung für Therapieentscheidungen bei Patienten mit Multipler Sklerose. Neurol Neurochir Psych 2010;11:44–9.

2. Lublin FD, et al. Randomized study combining interferon and glatiramer acetate in multiple sclerosis. Ann Neurol 2013;73:327–40

3. Khan O, et al. Effect of disease-modifying therapies on brain volume in relapsing-remitting multiple sclerosis: results of a five-year brain MRI study. J Neurol Sci 2012;312:7–12.

4. Cohen JA, et al. Mechanisms of fingolimod’s efficacy and adverse effects in multiple sclerosis. Ann Neurol 2011;69:759–77.

5. Rudick RA, et al. Use of the brain parenchymal fraction to measure whole brain atrophy in relapsing-remitting MS. Multiple Sclerosis Collaborative Research Group. Neurology 1999;53:1698–704.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)