Adipositas

Gewichtsreduktion durch Zonisamid


Dr. med. Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

In einer einjährigen randomisierten und Plazebo-kontrollierten Studie mit 225 adipösen Erwachsenen erhöhte die zusätzliche Gabe von Zonisamid (Zonegran®) die durch Diät und Lebensstilberatung erzielte Gewichtsreduktion. Die Einnahme von Zonisamid ging jedoch mit einer hohen Inzidenz von unerwünschten Ereignissen einher [1].

Diät und Lebensstilberatung werden zumeist als First-Line-Therapie bei Adipositas empfohlen. Die Ergebnisse mehrerer Studien zeigen jedoch, dass Strategien mit diätetischen Interventionen und einer Erhöhung der körperlichen Aktivität oftmals nicht ausreichend wirksam sind. Dies erklärt die Suche nach effizienten Medikamenten zur Therapie der Adipositas. Das serotonerg und dopaminerg wirkende Antiepileptikum Zonisamid erbrachte bereits in kleinen Studien eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen und adipösen Patienten [2]. Es stellt sich die Frage, ob Zonisamid ein effektives Antiadipositum mit günstigem Nebenwirkungsprofil ist.

Studienziel und -design

Ziel der am Duke University Medical Center im nordamerikanischen Durham durchgeführten Studie war zu prüfen, ob die zusätzliche Gabe von Zonisamid die durch Diät und Lebensstilberatung erzielte Gewichtsreduktion erhöht. An der doppelblinden, Plazebo-kontrollierten und randomisierten Studie nahmen 225 adipöse Patienten teil, von denen 59,6% weiblich waren. Die Patienten waren zwischen 18 bis 65 Jahre alt; der Body-Mass-Index (BMI) lag zwischen 30 und 50 kg/m², im Mittel 37,6 kg/m².

Zu den Ausschlusskriterien zählten unter anderem Diabetes mellitus, Nierensteine, schwere Depression, Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Psychose, bipolare Störungen, Suizidgefahr und die Einnahme von Neuroleptika, Antidepressiva oder Zonisamid und anderen Antiepileptika.

Die Patienten erhielten Kapseln mit 100 mg Zonisamid oder Plazebo. Alle Patienten erhielten zunächst täglich eine Kapsel über einen Zeitraum von 15 Tagen, täglich zwei Kapseln vom 16. bis zum 30. Tag, täglich drei Kapseln vom 31. bis zum 45. Tag und schließlich täglich vier Kapseln bis zum Studienende nach einem Jahr. Jeweils 75 Patienten der Verumgruppe erhielten 200 mg oder 400 mg Zonisamid. Die übrigen Patienten (n=74) gehörten der Plazebo-Gruppe an.

In allen Gruppen erfolgten eine Ernährungsumstellung sowie eine Lebensstilberatung. Die kalorienreduzierte Mischkost entsprach den Empfehlungen des US-Landwirtschaftsministeriums (Department of Agriculture, USDA). Der erforderliche Energiebedarf jedes Patienten wurde mithilfe der Mifflin-St.-Jeor-Formel (siehe Kasten) berechnet und die tägliche Energieaufnahme um 500 kcal reduziert. Alle Patienten erhielten Beratungen zur Steigerung der körperlichen Aktivität und zur Bewältigung psychosozialer Probleme.

Primärer Endpunkt war die absolute Änderung des Körpergewichts. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem die Anteile der Patienten, die mehr als 5 sowie mehr als 10% Gewichtsverlust erreichten, sowie die Änderungen von Taillenumfang, Blutdruck, Herzfrequenz, HbA1c-Wert sowie die des Glucose- und Lipidspiegels. Zu den Endpunkten in Bezug auf die Verträglichkeit und Sicherheit der Behandlung gehörten die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse und Nebenwirkungen sowie signifikante Verschlechterungen der HAMD(Hamilton Rating Scale for Depression)-Skala.

Mifflin-St.-Jeor-Formel

Formel zur Berechnung des Grundumsatzes. Berücksichtigt werden Alter, Geschlecht, Körpergröße und Gewicht.

Studienergebnisse

218 Patienten (96,9%) konnten über den gesamten einjährigen Zeitraum der Studie beobachtet werden. Die Patienten, die 400 mg Zonisamid erhielten, verloren signifikant mehr Gewicht als die Patienten der Plazebo-Gruppe. Der mittlere Gewichtsverlust in der 400-mg-Zonisamid-Gruppe betrug 7,3 kg (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] –9,0 bis –5,6 kg), in der Plazebo-Gruppe 4 kg (95%-KI –5,8 bis –2,3 kg, p=0,009). Hingegen waren keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen der 200-mg-Verum- und Plazebo-Gruppe nachweisbar.

54,7% der Patienten, die 400 mg Zonisamid einnahmen, erreichten einen Gewichtsverlust von mindestens 5% und 24% eine Gewichtsabnahme von 10% und mehr. Im Vergleich mit der Plazebo-Gruppe waren die Unterschiede signifikant (p=0,007 bzw. p<0,001). Auch die Reduktion des HbA1c-Werts war in der 400-mg-Verumgruppe signifikant höher als in der Plazebo-Gruppe (p=0,007). Wieder ergaben die Vergleiche zwischen 200-mg-Verum- und Plazebo-Gruppe keine statistisch signifikanten Unterschiede.

In Bezug auf alle anderen sekundären Endpunkte, die sich auf die Wirksamkeit beziehen, waren keine signifikanten Unterschiede zwischen Verum- und Plazebo-Gruppe nachweisbar.

Häufig waren in der 400-mg-Verum-Gruppe psychische Störungen (z.B. Angst, depressive Verstimmungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen) festzustellen (Tab. 1). Die psychischen Störungen waren jedoch im Allgemeinen schwach ausgeprägt und konnten zumeist durch Dosisreduktion oder Absetzen von Zonisamid rasch beendet werden.

Tab. 1. Häufigkeit [n (%)] von unerwünschten Wirkungen [nach 1]

Nebenwirkung

Plazebo

Zonisamid

200 mg

Zonisamid

400 mg

Verändertes Geschmacksempfinden

0

4 (5,3%)

4 (5,3%)

Mundtrockenheit

3 (4,1%)

5 (6,6%)

1 (1,3%)

Übelkeit/Erbrechen

4 (5,3%)

4 (5,3%)

10 (13,3%)

Obstipation

2 (2,7%)

2 (2,6%)

5 (6,7%)

Diarrhö

1 (1,4%)

2 (2,6%)

4 (5,3%)

Angst

2 (2,7%)

5 (6,6%)

7 (9,3%)

Depressive Verstimmung

3 (4,1%)

3 (3,9%)

5 (6,7%)

Aufmerksamkeits- und
Konzentrationsstörungen

1 (1,4%)

1 (1,3%)

4 (5,3%)

Gedächtnisstörungen

1 (1,4%)

5 (6,6%)

8 (10,7%)

Sprachstörungen

1 (1,4%)

3 (3,9%)

6 (8,0%)

Kopfschmerzen

5 (6,8%)

8 (10,5%)

14 (18,7%)

Fatigue

2 (2,7%)

4 (5,3%)

7 (9,3%)

Somnolenz

3 (4,1%)

9 (11,8%)

6 (8,0%)

Schlafstörungen

1 (1,4%)

4 (5,3%)

1 (1,3%)

Infektionen

10 (13,5%)

8 (10,5%)

15 (20,0%)

Beschwerden am Bewegungsapparat

9 (12,2%)

11 (14,5%)

8 (10,7%)

Keiner der Patienten entwickelte eine Depression. So überschritt der HAMD- Score in allen drei Gruppen niemals einen Wert von 3 Punkten. Panikattacken traten unter der Therapie mit Zonisamid nicht auf.

Zu gastrointestinalen Nebenwirkungen kam es bei 24 Patienten der 400-mg-Verumguppe, 17 Patienten der 200-mg-Verumgruppe und 10 Patienten der Plazebo-Gruppe.

Diskussion

Zonisamid erwies sich wie in anderen Studien als wirksames Antiadipositum. Nicht eindeutig sind hingegen die Ergebnisse bezüglich der Sicherheit und Verträglichkeit. In einer Plazebo-kontrollierten und randomisierten Studie mit 60 adipösen Patienten erbrachte die Einnahme von Zonisamid (400 bis 600 mg/Tag) über 16 Wochen eine signifikant höhere Gewichtsreduktion als bei adipösen Patienten, die einer kalorienreduzierten Diät unterzogen wurden [3]. In dieser kleinen Studie wurde Zonisamid gut vertragen und die Anzahl unerwünschter Ereignisse war relativ gering.

Auch bei der Therapie von übergewichtigen und adipösen Patienten mit Binge-Eating-Störung erwies sich die Gabe von Zonisamid als effektiv. In einer Studie wurden 60 Patienten 16 Wochen lang mit Zonisamid (100 bis 600 mg/Tag) oder Plazebo behandelt [4]. In der Verumgruppe waren sowohl die Häufigkeit der wöchentlichen Essattacken als auch die Gewichtsreduktion signifikant höher als in der Plazebo-Gruppe. 12 Patienten der Verumgruppe (n=30) mussten jedoch die Einnahme wegen unerwünschter Ereignisse abbrechen. Am häufigsten kam es zu psychischen Beschwerden, kognitiven Störungen und unfallbedingten Knochenfrakturen. Eine offene Studie mit Patienten mit Binge-Eating-Störung zeigte, dass die Einnahme von Zonisamid (100 bis 150 mg/Tag) über 24 Wochen die durch eine kognitive Verhaltenstherapie erreichbare Gewichtsreduktion erhöht. Auch ein Jahr nach Beendigung der Therapie kam es bei den mit Zonisamid behandelten Patienten nicht zu einer Gewichtszunahme [5].

Fazit

Nach den vorliegenden Studienergebnissen scheint eine Therapie mit Zonisamid die durch Diät, Lebensstilberatung und andere therapeutische Verfahren erzielbare Gewichtsreduktion signifikant zu steigern, erhöht jedoch auch die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse und Nebenwirkungen. Weitere größere Studien sind erforderlich, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis besser beurteilen zu können.

Quellen

1. Gadde KM, et al. Zonisamide for weight reduction in obese adults. A 1-year randomized controlled trial. Arch Intern Med 2012 Oct 15:1–8. doi: 10.1001/archinternmed.2013.99. [Epub ahead of print].

2. Hiremath SB, et al. Zonisamide in the treatment of obesity: a meta-analysis. J App Pharm Sci 2012;2:113–8.

3. Gadde KM, et al. Zonisamide for weight loss in obese adults: a randomized controlled trial. JAMA 2003;289:1820–5.

4. McElroy SL, et al. Zonisamide in the treatment of binge eating disorder with obesity: a randomized controlled trial. J Clin Psychiatry 2006;67:1897–906.

5. Ricca V, et al. Zonisamide combined with cognitive behavioural therapy in binge eating disorder. A one-year follow-up study. Psychiatry 2009;6:23–8.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)