Migräne-Prophylaxe

Dosisfindungsstudie zum Einsatz von Gabapentin


Prof. Dr. H.-C. Diener, Essen

Gabapentin enacarbil war in einer randomisierten doppelblinden Plazebo-kontrollierten Dosisfindungsstudie in der Prophylaxe der Migräne nicht wirksam.
Mit einem Autorenkommentar von Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

Sinn der medikamentösen Migräne-Prophylaxe ist eine Reduktion der Häufigkeit, Intensität und Dauer der Migräne-Attacken. Empfohlene Migräne-Prophylaktika umfassen Betablocker wie Propranolol, Metoprolol oder Bisoprolol, den Calciumkanalblocker Flunarizin und die Antikonvulsiva Valproinsäure und Topiramat. Es gibt eine Reihe von kleineren offenen Studien, die eine Wirksamkeit von Gabapentin (z.B Neurontin®) in der Migräne-Prophylaxe zeigten. Zwei Plazebo-kontrollierte Studien aus den Jahren 2000 und 2001 deuteten auf eine Wirksamkeit von Gabapentin hin, wobei aber beide Studien schwerwiegende methodische Mängel hatten. Daher sollte jetzt in einer Dosisfindungsstudie nochmals untersucht werden, ob das Prodrug Gabapentin enacarbil zur Migräne-Prophylaxe wirksam ist.

Studiendesign

Eingeschlossen wurden Patienten mit einer Migräne mit oder ohne Aura mit mindestens drei Migräne-Attacken pro Monat. Ausgeschlossen wurden Patienten mit chronischer Migräne. Nach einer 6-wöchigen Baseline-Phase wurden die Patienten randomisiert und dann über 20 Wochen behandelt. In den ersten fünf Wochen wurde Gabapentin eindosiert, dann erfolgte über 12 Wochen eine gleichbleibende Behandlung und in den letzten drei Wochen wurde die Studienmedikation wieder ausgeschlichen. Untersucht wurden vier Dosierungen von Gabapentin und mit Plazebo verglichen:

  • 1200 mg täglich (n=66)
  • 1800 mg täglich (n=134)
  • 2400 mg täglich (n=133)
  • 3000 mg täglich (n=62)
  • Plazebo (n = 128)

Der primäre Endpunkt war die Änderung der Migräne-Tage in den letzten vier Wochen der Behandlung, bevor die Dosisreduktion erfolgte.

Das durchschnittliche Patientenalter der Gruppen lag zwischen 38 und 41 Jahren, der Frauenanteil betrug 74 bis 87%. Die mittlere Zahl der Migräne-Attacken lag zwischen 9 und 9,3 pro Monat.

Studienergebnisse

Zwischen einem Viertel und einem Drittel der Patienten brach die Behandlung vorzeitig ab. Für keine der Gabapentin-Dosierungen ergab sich eine signifikante Überlegenheit gegenüber Plazebo für den primären Endpunkt. Auch für alle anderen Endpunkte, wie beispielsweise für eine über 50%ige Reduktion der Migräne-Tage, die Einnahme der Akutmedikation, die Dauer der Migräne-Attacken, die Schwere der Migräne-Attacken bzw. für die Endpunkte Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen Gabapentin und Plazebo. Erwartungsgemäß waren unerwünschte Ereignisse wie Schwindel, Müdigkeit und Benommenheit häufiger bei Gabapentin als bei Plazebo.

Kommentar

Mit dieser gut durchgeführten, großen Dosisfindungsstudie ist nun eine Diskrepanz zwischen den amerikanischen und deutschen Leitlinien zur Migräne-Prophylaxe aufgelöst. In den deutschen Leitlinien hatten wir uns nie dazu durchringen können, Gabapentin zu empfehlen. Wir waren der Meinung, dass die beiden früheren, Plazebo-kontrollierten Studien, die die Grundlage für die Empfehlung in den Vereinigten Staaten bildeten, methodisch so schlecht waren, dass eine Wirksamkeit nicht zu belegen war. Außerdem gab es immer wieder Gerüchte, dass es auch weitere, unpublizierte Studien zu Gabapentin gab, was den Verdacht weckte, dass diese Studien negativ ausgefallen waren.

Quelle

Silberstein S, et al. Randomized, double-blind, placebo-controlled, phase II trial of gabapentin enacarbil for migraine prophylaxis. Cephalalgia 2013;33:101–11.

Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)