Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der CSE-Hemmer

Holger Petri, Bad Wildungen

Für die Bewertung des pharmakokinetischen Interaktionspotentials der CSE-Hemmer ist das Ausmaß der Affinität zum Cytochrom-P450-Isoenzym 3A4 (CYP3A4) von maßgeblicher Bedeutung. Andere Isoenzyme spielen mit Ausnahme von CYP2C9 beim Fluvastatin keine relevante Rolle. Die am meisten gefürchtete, weil lebensbedrohliche Komplikation bei der Therapie mit CSE-Hemmern ist die Rhabdomyolyse. Diese Nebenwirkung ist dosisabhängig. Vorsicht ist auch geboten bei Komedikation mit Substanzen, die den Abbau dieser Cholesterinsenker hemmen (Abb. 1). In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten von sechs CSE-Hemmern zu Cytochrom-P450-Isoenzymen dargestellt.
Psychopharmakotherapie 2013;20:131–3.

Gemäß Arzneimittelverordnungs-Report wurde 2011 die Leitsubstanz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus der Gruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer, Simvastatin, mit 1347,9 Mio DDD („Defined daily doses“, definierte Tagesdosen) am häufigsten verordnet [8]. Für 2013 ist Pravastatin (2011: 92,3 Mio DDD) als weitere Leitsubstanz hinzugekommen. Im Folgenden soll das Risiko für Wechselwirkungen dieser beiden CSE-Hemmer dargestellt werden.

Kombination mit CYP3A4-Hemmern

Simvastatin ist ein Lacton-Prodrug; seine Wirkung kommt über den Hauptmetaboliten zustande, der primär über das Isoenzym CYP3A4 abgebaut wird [5]. Bei gleichzeitiger Verordnung von CYP3A4-Hemmern kann die AUC (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) des CSE-Hemmers steigen. Hierdurch erhöht sich das Rhabdomyolyse-Risiko. Starke CYP3A4-Hemmer sind daher unter einer Simvastatin-Therapie kontraindiziert. Bei mittelstarken und auch schwachen CYP-3A4-Hemmern wird die Tagesdosis von Simvastatin limitiert. Allerdings können die Empfehlungen je nach Hersteller voneinander abweichen. Beispielsweise begrenzt die Firma MSD bei Komedikation der Calciumkanalblocker Diltiazem und Verapamil die Tagesdosis von Simvastatin auf 20 mg [5]. Die Firma Hexal gibt bei Komedikation mit Diltiazem eine Höchstdosis von 40 mg, bei Komedikation mit Verapamil eine Höchstdosis von 20 mg Simvastatin an [4]. Im Gegensatz dazu empfiehlt die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA eine Tageshöchstdosis von nur 10 mg Simvastatin in Kombination mit Diltiazem oder Verapamil [6]. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Regel unbekannt ist, wie sich gleichzeitig verordnete moderate CYP3A4-Hemmer auf den Plasmaspiegel von Simvastatin auswirken.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass ein Hinweis auf eine begrenzte Tagesdosis von Simvastatin je nach Stand der Information auch nur in der Fachinformation des Kombinationspartners aufgeführt ist. Beispielsweise wird eine Komedikation des schwachen CYP3A4-Hemmers Ticagrelor und Simvastatin mit Rhabdomyolysen in Zusammenhang gebracht [9]. Allein in der Fachinformation des Thrombozytenaggregationshemmers findet sich die Empfehlung, Simvastatin nicht höher als 40 mg zu dosieren [2].

Kombination mit CYP3A4-Induktoren

Carbamazepin senkt über eine Induktion des CYP3A4-Enzyms die AUC von Simvastatin um etwa 75%. Dies kann nach Bestimmung der Blutfettwerte eine Dosiserhöhung von Simvastatin notwendig machen. Wird Carbamazepin abgesetzt, steigen im weiteren Verlauf die Wirkstoffspiegel von Simvastatin, falls die Dosis des Cholesterinsenkers nicht reduziert wird [7].

Pravastatin wird nicht in klinisch relevantem Ausmaß durch das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt. Daraus abgeleitete Dosisanpassungen in Kombination mit CYP3A4-Hemmern und -Induktoren sind somit nicht notwendig [3].

In Leitlinien oder Empfehlungen zur Pharmakotherapie mit CSE-Hemmern wird neben der Titrationsstrategie die Gabe einer fixen Statinstandarddosis („fire and forget“) als wesentliche Option erwähnt [1]. Zumindest auf Ebene von CYP-Interaktionen erscheint Pravastatin für die Strategie der fixen Dosis geeigneter als Simvastatin.

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf einzelne CYP450-Isoenzyme (Stand: 04/2013) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

1. Empfehlungen zur Therapie von Fettstoffwechselstörungen. Arzneiverordnung in der Praxis, Band 39. Sonderheft 1 (Therapieempfehlungen), Mai 2012.

2. Fachinformation Brilique®, Stand 10/2012.

3. Fachinformation Pravasin® protect, Stand 11/2011.

4. Fachinformation SimvaHEXAL®, Stand 08/2012.

5. Fachinformation ZOCOR®, Stand 10/2012.

6. FDA Drug Safety Communication 8. Juni 2011.

7. Petri H. Einführung am Beispiel niederpotenter Neuroleptika. Krankenhauspharmazie 2013;34:15–9.

8. Schwalbe U, Paffrath D. Arzneimittelverordnungs-Report 2012. Springer Verlag 2012.

9. Ujeyl M, Stammschulte T. Interaktionsrisiko bei Kombination von Ticagrelor (Brilique®) und Simvastatin. Arzneiverordnung in der Praxis 2012;39:89–90.

Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2013;34:243–5.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2013; 20(03)