Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Dimethylfumarat (BG-12) ist ein oral applizierbares Fumarsäure-Derivat in magensaftresistenter Zubereitung. BG-12 und sein wichtigster Metabolit Monomethylfumarat aktivieren den Nrf2(Nuclear factor E2-related)-Transkriptionsweg. Dieser ist für oxidative Stressreaktionen und die Immunhomöostase wichtig. Die Aktivierung des Nrf2-Stoffwechselwegs schützt Oligodendrozyten und Neuronen vor entzündlichen und metabolischen Schäden. Zusätzlich kann Dimethylfumarat die Entzündung verringern oder beseitigen, indem es die Expression von Zytokinen und Adhäsionsmolekülen hemmt.
In zwei Phase-III-Studien wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von BG-12 bei Patienten mit schubförmiger („relapsing-remitting“) multipler Sklerose untersucht.
DEFINE-Studie
In der doppelblind durchgeführten Phase-III-Studie DEFINE (Determination of the efficacy and safety of oral fumarate in relapsing-remitting MS) erhielten 1234 Patienten mit schubförmiger MS randomisiert
- BG-12 zweimal täglich 240 mg (n=410),
- BG-12 dreimal täglich 240 mg (n=416) oder
- Plazebo (n=408).
Die Patienten hatten in den vorangegangenen 12 Monaten im Mittel 1,3 Schübe gehabt. Etwa 40% der Patienten hatten schon einmal eine MS-spezifische Pharmakotherapie (meist ein Interferon) erhalten.
Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit erneutem Schub innerhalb von zwei Jahren gemäß Schätzung aus der Kaplan-Meier-Analyse. Zu den weiteren Endpunkten gehörten die jährliche Schubrate, die Zeit bis zur bestätigten Progression der Behinderung und MRT-Befunde.
In den beiden BG-12-Gruppen kam es mit 27 bzw. 26% bei signifikant weniger Patienten innerhalb von zwei Jahren zu einem Schub als in der Plazebo-Gruppe mit 46% (Abb. 1). Das Hazard-Ratio (95%-Konfidenzintervall) betrug
- bei zweimal täglicher Gabe (480 mg) 0,51 (0,40–0,66); p<0,001,
- bei dreimal täglicher Gabe (720 mg) 0,50 (0,39–0,65); p<0,001.
Abb. 1. Primärer Endpunkt der DEFINE-Studie: Die Schubrate wurde durch BG-12 im Vergleich zu Plazebo signifikant verringert [nach 2]
BG-12 reduzierte somit das Schubrisiko im Vergleich zu Plazebo um 49% bzw. um 50%. In beiden Verum-Gruppen wurde die Zeit bis zum ersten Schub mit 87 bzw. 91 Wochen im Vergleich zu Plazebo (38 Wochen) signifikant verlängert. Die jährliche Schubrate betrug unter zweimal täglich BG-12 0,17, unter dreimal täglich BG-12 0,19 und unter Plazebo 0,36, wurde also durch die BG-12-Behandlung um 53% bzw. 48% verringert (p<0,001).
Eine Progression der Behinderung erfuhren in der Plazebo-Gruppe 27% der Patienten. Durch BG-12 wurde das Risiko der Behinderungsprogression um 38% (2-mal täglich; p=0,005) bzw. um 34% (3-mal täglich; p=0,01) gesenkt.
CONFIRM-Studie
In der Phase-III-Studie CONFIRM (Comparator and an oral fumarate in relapsing-remitting multiple sclerosis) erhielten 1417 Patienten mit schubförmiger MS randomisiert
- BG-12 zweimal täglich 240 mg (n=359),
- BG-12 dreimal täglich 240 mg (n=345),
- Glatirameracetat 20 mg/Tag s.c. (n=350; verblindet für das Studienpersonal, nicht für die Patienten) oder
- Plazebo (n=363).
Die Patienten hatten in den vorangegangenen 12 Monaten im Mittel 1,4 Schübe gehabt. Etwa 30% der Patienten waren vorbehandelt.
Primärer Endpunkt war die jährliche Schubrate. Der Anteil der Patienten mit erneutem Schub innerhalb von zwei Jahren wurde als sekundärer Endpunkt erfasst; auch die weiteren Endpunkte waren ähnlich wie in der DEFINE-Studie.
Die jährliche Schubrate betrug 0,22 unter zweimal täglich und 0,20 unter dreimal täglich BG-12 sowie 0,40 unter Plazebo, was einer Verringerung durch BG-12 um 44 bzw. 51% entsprach (p<0,001). Glatirameracetat senkte die jährliche Schubrate um 29% im Vergleich zu Plazebo (p=0,01). In einer Post-hoc-Analyse zeigte sich auch ein signifikanter Vorteil von dreimal täglich 240 mg BG-12 im Vergleich mit Glatirameracetat (p=0,02).
Die Gabe von 480 mg/Tag BG-12 reduzierte das Schubrisiko um 34% (p=0,002), mit 720 mg/Tag sank es um 45% (p<0,001) und mit Glatirameracetat um 29% (p=0,01) im Vergleich zu Plazebo.
Das Risiko der Behinderungsprogression wurde in allen drei Verum-Gruppen im Vergleich zu Plazebo (Progression bei 17% der Patienten) nicht signifikant verringert.
Gute Verträglichkeit
Die Substanz war gut verträglich. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in beiden Studien waren gastrointestinale Beschwerden (ca. 40%), Gesichtsrötung und Flush (ca. 35%) sowie eine leichte Lymphopenie.
Fazit
Die Befunde der beiden Studien weisen darauf hin, dass BG-12 eine geeignete orale Initialtherapie für Patienten mit schubförmig remittierender MS und eine Alternative zu den derzeit verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten sein könnte.
Quellen
1. Prof.Dr. Bernhard Hemmer, München, Satellitensymposium „Ziele der MS-Therapie: Illusion oder Realität?“, veranstaltet von Biogen Idec beim DGN-Kongress 2012, Hamburg, 27. September 2012.
2. Gold R, et al. Placebo-controlled phase 3 study of oral BG-12 for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med 2012;367:1098–107.
3. Fox RJ, et al. Placebo-controlled phase 3 study of oral BG-12 or glatiramer in multiple sclerosis. N Engl J Med 2012;367:1087–97.
Psychopharmakotherapie 2012; 19(06)