Abdol A. Ameri, Weidenstetten
Vigilanzstörungen und Tagesmüdigkeit zählen zu den häufigsten nichtmotorischen Symptomen der Parkinson-Krankheit. Sie treten aber häufig auch als Nebenwirkung einer dopaminergen Therapie auf. Eine verminderte Wachheit und ein vermehrtes Auftreten von Schläfrigkeit oder Schlafattacken am Tag können die Alltags- und sozialen Aktivitäten der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und ihre Sicherheit (z.B. im Straßenverkehr) gefährden.
Der Non-Ergot-Dopaminagonist Piribedil (Clarium®) weist im Vergleich zu verschiedenen anderen Dopaminagonisten die niedrigste Sedierungsrate (3,3%) und eine geringe Inzidenz von Schlafattacken auf (<1/10000) [2]. Dies kann durch das besondere Rezeptorprofil erklärt werden: Piribedil wirkt nicht nur als Agonist an Dopamin-D2- und D3-Rezeptoren, sondern auch als Antagonist an α2A- und α2C-Adrenorezeptoren, die im zentralen Nervensystem präsynaptisch auf noradrenergen Neuronen lokalisiert sind. Aufgrund der Blockade dieser Autorezeptoren kommt es zu einer verstärkten Freisetzung von Noradrenalin, was mit einer Verbesserung von Kognition, Vigilanz und Konzentration in Verbindung gebracht wird.
Neue Daten zur Tagesmüdigkeit
Im Rahmen der noch unveröffentlichten PIVICOG-PD-Studie (Effects of piribedil on vigilance and cognition in Parkinson’s disease) wurde der Effekt von Piribedil auf die Parameter Vigilanz, Kognition und Tagesmüdigkeit bei Parkinson-Patienten untersucht, die zuvor mit Pramipexol oder Ropinirol behandelt wurden. In die multizentrische, randomisierte, aktiv kontrollierte, Untersucher-verblindete Phase-III-Studie wurden 80 Parkinson-Patienten mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit eingeschlossen; sie hatten einen Wert von≥11 Punkten auf der Epworth-Schläfrigkeits-Skala (Epworth sleepiness scale, ESS, Skala von 0 bis 24). Zwei Drittel der Patienten waren mit einer Kombinationstherapie aus Dopaminagonisten und Levodopa vorbehandelt, ein Drittel hatte einen Dopaminagonisten in Monotherapie erhalten. Kein Studienteilnehmer wies demenzielle oder depressive Symptome auf, die die Vigilanz, die Kognition oder die Lebensqualität hätten beeinflussen können.
Die Patienten wurden randomisiert auf Piribedil umgestellt oder mit Pramipexol bzw. Ropinirol weiter behandelt. Der Beobachtungszeitraum betrug 11 Wochen, einschließlich einer dreiwöchigen Titrationsphase in der Piribedil-Gruppe. Die mediane Dosis von Piribedil betrug 200 mg/Tag.
Nach den Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. Karla Eggert, Marburg, zeigten sich bei den ersten Auswertungen der Studiendaten deutliche Unterschiede in der mithilfe der ESS erhobenen Schläfrigkeit. Bei Einschluss in die Studie lag der ESS-Wert in beiden Gruppen bei durchschnittlich 14 Punkten. ESS-Werte über 10 weisen auf eine exzessive Tagesmüdigkeit hin. Nach Umstellung auf Piribedil verbesserte sich die Tagesmüdigkeit bis zum Behandlungsende auf einen ESS-Wert von etwa 10 Punkten. Die Patienten der Vergleichsgruppe erreichten einen ESS-Wert von 12 Punkten (Abb. 1). Der Unterschied zwischen den Gruppen war signifikant (p=0,01). Im Vergleich zum Ausgangswert sank der ESS-Wert in der Piribedil-Gruppe mehr als doppelt so stark wie in der Vergleichsgruppe, nämlich um 27,9% versus 10,6% (p=0,0356).
Abb. 1. Veränderung der Tagesmüdigkeit in der PIVICOG-PD-Studie [1]: Bei Patienten, die auf Piribedil umgestellt wurden, wurde ein niedrigerer ESS-Wert erreicht als bei Patienten der Kontrollgruppe, die weiterhin mit Ropinirol oder Pramipexol behandelt wurden. ESS: Epworth Sleepiness Scale, Skala von 0 bis 24, Werte >10 (gestrichelte Linie) weisen auf eine exzessive Tagesmüdigkeit hin.
Eine signifikante und für die Patienten relevante Verbesserung zeigte sich nach dem Wechsel auf Piribedil auch bei der mit dem Parkinson’s Disease Questionnaire (PDQ-39) erfassten Kommunikationsleistung (p=0,05; Piribedil- versus Vergleichsgruppe). Der mit der Umstellung erzielte therapeutische Effekt wurde sowohl von den behandelnden Ärzten als auch von den Patienten positiv bewertet. Die vollständige, ordentliche Publikation bleibt abzuwarten, um die Ergebnisse abschließend bewerten zu können.
Quellen
1. Priv.-Doz. Dr. Karla Eggert, Marburg; Prof. Dr. Wolfgang Jost, Wiesbaden; Pressekonferenz „CLARE Fakten: Vigilanz und Kognition bei Morbus Parkinson – Ergebnisse der PiViCog-Studie“, Frankfurt, 25. April 2012, veranstaltet von Desitin Arzneimittel GmbH.
2. Lebrun-Frenay C, Borg M. Choosing the right dopamine agonist for patients with Parkinson’s disease. Curr Med Res Opin 2002;18:209–14.
Psychopharmakotherapie 2012; 19(04)