Antidementiva

Memantin verbessert M.-Alzheimer-Symptome bei Personen mit Down-Syndrom nicht


Rosemarie Ziegler, Albershausen

In einer prospektiven Studie, in der die Wirkung von Memantin auf kognitive Beeinträchtigungen bei Erwachsenen mit Down-Syndrom untersucht wurden, gab es keinerlei Hinweise auf eine Wirksamkeit dieser pharmakologischen Behandlung.

Weltweit leben etwa 5,8 Millionen Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21). Bei ihnen ist das Chromosom 21 dreifach vorhanden, was in unterschiedlichem Ausmaß zu einer verzögerten körperlichen und geistigen Entwicklung führt. Menschen mit dieser Genommutation haben darüber hinaus ein hohes Risiko, ab dem Alter von etwa 40 Jahren Symptome zu entwickeln, die denen der Alzheimer-Krankheit ähneln. Bei Personen mit Trisomie 21 wurden eine auffällig gesteigerte Produktion und Ablagerung von Beta-Amyloid beobachtet. Eine mögliche Ursache hierfür ist, dass das Gen, das für das Amyloid-Precursor-Protein kodiert, auf dem Chromosom 21 liegt (Gen-Dosis-Effekt).

Memantin wirkt im Tierversuch neuroprotektiv und verbessert die kognitive Funktion älterer Menschen mit mäßiger bis schwerer Alzheimer-Krankheit. Zwei Studien zur Wirkung von Memantin bei Down-Syndrom im Tiermodell erbrachten vielversprechende Ergebnisse. Kontrollierte Studien mit Memantin bei Menschen mit Down-Syndrom gab es bisher nicht.

Britische und norwegische Forscher führten daher eine randomisierte Doppelblindstudie zur Wirksamkeit von Memantin bei Personen mit Trisomie 21 durch. Eingeschlossen wurden 173 Personen von vier Lernbehinderten-Einrichtungen. Sie waren entweder über 40 Jahre alt (mit oder ohne Demenz) oder hatten eine bestätigte Diagnose einer Demenz (bei beliebigem Alter). Sie erhielten randomisiert im Verhältnis 1:1 über ein Jahr entweder Memantin (ansteigend von 5 mg bis zur optimalen therapeutischen Dosis von 10 mg mit festem Titrationsschema über 8 Wochen) oder Plazebo. Primäre Zielparameter waren die kognitiven Fähigkeiten sowie die Funktion, beurteilt mithilfe der DAMES sowie der ABS Teil I und II (Infokasten).

Infokasten: Beurteilungsskalen

  • Down‘s Syndrome Attention, Memory, and Executive Function Scale (DAMES): Skala von 0 bis 222 zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten von Personen mit Down-Syndrom; höhere Werte = bessere Fähigkeiten.
  • Adaptive Behaviour Scale (ABS): Mit Teil I der ABS wird die Selbstständigkeit im Alltag beurteilt; die Skala reicht von 0 bis 280; je höher der Wert, desto selbstständiger ist die Person. Mit Teil II (Werte von 0 bis 558) wird die Ausprägung eines herausfordernden Verhaltens beurteilt; die Werte sind umso höher, je unangemessener das Verhalten ist.

Nach 52 Wochen hatten sich Kognition und Funktion in beiden Gruppen verschlechtert, wobei die Teilnehmer der Plazebo-Gruppe noch tendenziell besser abschnitten als die Teilnehmer der Memantin-Gruppe. Die Unterschiede in den DAMES- und ABS-Scores waren jedoch nicht signifikant (Tab. 1). Selbst in einer Subgruppenanalyse, in der die Ergebnisse von den 61 Personen ausgewertet wurden, die zu Beginn eine bestätigte Demenz hatten, zeigte sich kein Vorteil von Memantin.

Tab. 1. Ergebnisse des primären Endpunkts [Hanney et al.]

Endpunkt

Memantin

Plazebo

Differenz Memantin vs. Plazebo (95%-KI)

p-Wert

Mittelwert bzw. Median*

n

Mittelwert bzw. Median

n

DAMES-Gesamtwert

  • Ausgangswert

61,2 (52,0)

88

62,1 (59,5)

85

  • Mittlere Veränderung in Woche 52


–5,6 (34,6)


72


–1,9 (19,5)


74


–4,1 (–13,1; +4,8)


0,36

ABS Teil 1

  • Ausgangswert

164,2 (51,5)

88

163,1 (48,0)

85

  • Mittlere Veränderung in Woche 52


–10,7 (37,1)


75


–1,7 (35,1)


73


–8,5 (–20,1; +3,1)


0,15

ABS Teil 2

  • Ausgangswert

16,5
(+3,5; +43,0)


88

15,0
(+1,0; +39,0)


85

  • Mediane Veränderung in Woche 52

+1,0
(–19; +15)


75


0,0 (–13; +11)


73


+2,0 (–7,2; +11,3)


0,67

* mit Standardabweichung bzw. Interquartilsabstand; DAMES: Down‘s Syndrome Attention, Memory, and Executive Function Scale; ABS: Adaptive Behaviour Scale; KI: Konfidenzintervall

Die Autoren schließen daraus, dass Arzneimittel, die bei Morbus Alzheimer wirksam sind, bei Patienten mit komplexeren Störungen und ähnlichen Symptomen nicht ebenso wirksam sein müssen.

Quellen

Hanney M, et al. Memantine for dementia in adults older than 40 years with Down’s syndrome (MEADOWS): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2012;379:528–36.

Livingston G, Strydom A. Improving Alzheimer’s disease outcomes in Down’s syndrome. Lancet 2012;379:498–500.

Psychopharmakotherapie 2012; 19(04)