Ekkehard Haen, Regensburg
Seit vielen Jahren ist es üblich, mit Hilfe von Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen („therapeutisches Drug-Monitoring“, TDM) zu versuchen, toxische Wirkungen von Arzneistoffen mit einer engen therapeutischen Breite zu vermeiden [2, 8]. Zu diesem Zweck wurde und wird die gemessene Wirkstoffkonzentration in Bezug zu einem „therapeutischen Referenzbereich“ des Wirkstoffs gesetzt: einem Konzentrationsbereich, dessen untere Grenze überschritten werden sollte, damit die erwünschte Wirkung des Medikaments mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit eintritt, dessen obere Grenze aber nicht überschritten werden darf, damit das Risiko von unerwünschten Wirkungen minimal ist. Unter dieser Vorstellung entwickelte sich das TDM in der Praxis aber in erster Linie zu einem Instrument, mit dessen Hilfe geprüft werden kann, ob der Patient seine Medikation einnimmt („Compliance-Kontrolle“), oder ob eine bereits eingetretene unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) auf eine zu hohe Wirkstoffkonzentration zurückzuführen ist. Der therapeutisch nutzbare Informationsgehalt einer Wirkstoffkonzentration ist aber sehr viel größer. Zu seiner Beurteilung bedarf es allerdings umfangreicher pharmakologischer Fachkenntnisse, die weit über die Einsortierung eines Messwerts in den therapeutischen Referenzbereich hinausgehen. Das labormedizinische Ergebnis einer Wirkstoffkonzentrationsbestimmung sollte deshalb nicht nur als bloßer Messwert, sondern stets mit einem klinisch-pharmakologischen Befund an den Einsender einer Probe zurückgemeldet werden [5].
Ergebnisübermittlung als Messwert mit therapeutischem Referenzbereich
Die gebräuchliche Form der Ergebnisübermittlung einer Wirkstoffkonzentrationsbestimmung von einem klinisch-chemischen Labor an den Einsender einer Probe ist die Angabe des Messwerts zusammen mit dem therapeutischen Referenzbereich analog Abbildung 1. Ein derartiger Endbefund passt in das Ergebnisformat labormedizinischer Untersuchungen. Bei jeder anderen labormedizinischen Analytik ist jedoch unter „Referenzwert“ ein Bereich genannt, in dem sich der Analysenwert findet, wenn er in der Probe eines gesunden Menschen bestimmt wurde (sogenannter „Normbereich“). Hier unterscheidet sich die Bestimmung einer Wirkstoffkonzentration konzeptionell grundlegend von jeder anderen labormedizinischen Analytik, da die Wirkstoffkonzentration in einem gesunden Menschen Null (0,0 ng/ml) ist.
Abb. 1. TDM-Ergebnisübermittlung (Auszug) mit Messwert der Analyse und einem nicht näher definierten „Referenzwert“, der begrifflich mit dem „Normwert“ einer normalen labormedizinischen Untersuchung verwechselt werden kann. Gemeint ist in der Regel aber der „therapeutische Referenzbereich“.
In dem gezeigten Beispiel wird bereits die Problematik einer professionellen Wirkstoffkonzentrationsbestimmung in einem auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten medizinischen Labor deutlich: Die Arbeitsabläufe sind weitestgehend automatisiert; die elektronische Datenverarbeitung hat Laborinformationssysteme (LIS) geschaffen, die die direkte Kommunikation zwischen Labor und elektronischer Patientenakte ermöglichen. Es verursacht aber schier unüberwindliche Schwierigkeiten, für einen einzigen Typ einer labormedizinischen Spezialanalyse, der konzeptionell anders als die überwiegende Mehrheit der Analysen geartet ist, eine neue, ungewöhnliche Überschrift in die Software aufzunehmen, etwa statt „Normwert“ die für das TDM notwendige Bezeichnung „therapeutischer Referenzbereich“. Derzeit verfügbare Produkte enthalten noch kein TDM-Modul.
Rückmeldung einer kommentierten Wirkstoffkonzentration
Abbildung 2 zeigt einen TDM-Befund, der zusätzlich zum Messwert und der Angabe des therapeutischen Referenzbereichs weitere Informationen zur Beurteilung der Wirkstoffkonzentration enthält. Am wichtigsten ist, dass die verordnete Dosis in die Beurteilung mit einbezogen wird, da die Wirkstoffkonzentration zur eingenommenen Dosis proportional ist, das heißt, je höher die Dosis, desto höher die Wirkstoffkonzentration [7, 8]. Die Beurteilung der Patientencompliance am therapeutischen Referenzbereich zu orientieren, ist zum Beispiel unsinnig, denn die verordnete Dosis ist möglicherweise zu niedrig, als dass die daraus resultierende Wirkstoffkonzentration den auf Wirkungen ausgerichteten therapeutischen Referenzbereich überhaupt erreichen kann. In dem gezeigten Beispiel war jedoch der Ersteller des klinisch-pharmakologischen Fachbefunds gezwungen, seinen Befund in das Format eines der eben geschilderten Laborinformationssysteme (LIS) einzubinden, das das Ergebnis der labormedizinischen Untersuchungen direkt in die elektronische Patientenakte des Einsenders übermittelt. Da labormedizinische Untersuchungen im Regelfall Ergebnisse in Zahlenformaten ergeben (Messwert und Normbereich oder Referenzwert), sehen die derzeit verfügbaren Laborinformationssysteme so gut wie keine Eingabe von Fließtexten und/oder Tabellen vor. Das LIS stellt lediglich ein kleines Kommentarfeld zur Verfügung, der klinisch-pharmakologische Fachbefund muss deshalb kryptisch kurz gehalten werden.
Abb. 2. TDM-Befund (Auszug) mit kommentierter Wirkstoffkonzentration. Zusätzlich zum Messwert und dem therapeutischen Referenzbereich ist die gemessene Wirkstoffkonzentration auch auf die verordnete Dosis bezogen. Da der Befund jedoch in das klinikinterne Laborinformationssystem (LIS) eingebunden werden musste, das die labormedizinischen Analyseergebnisse direkt in die elektronische Patientenakte einfügt, ist das für einen Textkommentar zur Verfügung stehende Kommentarfeld sehr beschränkt, der klinisch-pharmakologische Befund fällt daher sehr knapp aus. Außerdem musste die Spalte, die den therapeutischen Referenzbereich enthält, wie in Abb. 1 mit der vom LIS vorgegebenen, aber nicht näher definierten Bezeichnung „Referenzwert“ überschrieben werden.
Was gehört zu einem klinisch-pharmakologischen TDM-Befund?
Ein klinisch-pharmakologischer TDM-Befund enthält (Abb. 3):
Abb. 3. Klinisch-pharmakologischer TDM-Befund, erstellt mit der Internet-Plattform KONBEST (www.konbest.de). Der Befund enthält den Messwert, den therapeutischen Referenzbereich für den quantifizierten Wirkstoff, den dosisbezogenen Referenzbereich für die verordnete Dosis des quantifizierten Wirkstoffs, die TDM-9-Felder-Tafel, die Tabelle der Stoffwechselwege der Komedikation und einen Fließtext, der die Ergebnisse des TDM-Befunds sowie eine Therapieempfehlung aus labormedizinischer Sicht in Worten wiedergibt.
1. Den Messwert
2. Den therapeutischen Referenzbereich für den quantifizierten Wirkstoff. Nachdem nun die Consensus-Leitlinie für das therapeutische Drug-Monitoring der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) im ersten Update vorliegt [8, 9], für die ein Autorenkollektiv die internationale Literatur nach den am besten belegten Referenzbereichen ausgewertet hat, sollten ausschließlich die in dieser Leitlinie für die entsprechende Indikation angegebenen Werte für den TDM-Befund herangezogen werden.
3. Den dosisbezogenen Referenzbereich für die verordnete Dosis des quantifizierten Wirkstoffs. Der dosisbezogene Referenzbereich basiert auf den pharmakokinetischen Eigenschaften des quantifizierten Wirkstoffs im individuellen Patienten. Er wird nach der mathematischen Beziehung De=CLt×c für die jeweils verordnete Erhaltungsdosis De berechnet; CLt ist die totale Clearance des Wirkstoffs, die als Mittelwert ± eine Standardabweichung (x̅±SD) aus Phase-II-Studien des Wirkstoffs entnommen wird [4, 7]. Statistisch fallen etwa 68% aller Wirkstoffkonzentrationen, die in der gleichen Patientenpopulation (= Normpatienten) bestimmt werden, wie sie in die entsprechenden Phase-II-Studien eingeschlossen war, in den so berechneten dosisbezogenen Referenzbereich. Liegt die quantifizierte Wirkstoffkonzentration nicht in dem dosisbezogenen Referenzbereich, so ist dies ein Signal, dass der Patient, von dem die Probe stammte, nicht zu dieser Population der Normpatienten gehört, sei es, weil bei ihm eine Interaktion mit einem anderen Wirkstoff oder einem pharmakologisch aktiven Nahrungs- oder Genussmittel vorliegt, weil bei ihm eine genetisch bedingte Stoffwechselvariante einen zu langsamen („langsamer Metabolisierer“) oder zu schnellen („schneller Metabolisierer“) Abbau des Wirkstoffs verursacht, weil er jünger als 18 (Kinder) oder älter als 65 Jahre (alte Patienten) ist, weil er an einer Erkrankung der Ausscheidungsorgane Leber und/oder Niere leidet, oder weil er seine Medikation nicht zuverlässig einnimmt (Non-Compliance, Teil-Compliance, Über-Compliance).
4. Die TDM-9-Felder-Tafel: Trägt man die bestimmten Wirkstoffkonzentrationen in eine Tabelle ein, in deren Spalten A bis C die Relation zum therapeutischen Referenzbereich und in deren Zeilen 1 bis 3 die Relation zur verabreichten Dosis (jeweils zu niedrig, passend, zu hoch) niedergelegt ist, so ergibt sich eine 9-Felder-Tafel (Abb. 4a). In Spalte A finden sich die Wirkstoffkonzentrationen, bei denen keine Wirkung erwartet werden kann, in Spalte C diejenigen, bei denen mit UAW zu rechnen ist; in Zeile 1 finden sich die auf Grund von Enzyminduktionen oder zu schnellem Metabolismus („schnelle Metabolisierer“) zu niedrigen, in Zeile 3 die auf Grund von Enzymhemmungen oder zu langsamem Metabolismus („langsame Metabolisierer“) zu hohen Wirkstoffkonzentrationen (Abb. 4b). In dieser 9-Felder-Tafel kann man mit einem Blick erkennen, wie die Dosis bei dem entsprechenden Patienten anzupassen ist (Abb. 4c): Ergab die Wirkstoffkonzentrationsbestimmung einen Wert in Zeile 1, so kann die Dosis in größeren Schritten angehoben werden, bei einem Wert in Zeile 2 ist sie nach Klinik in den gewünschten Bereich anzupassen, bei einem Wert in Zeile 3 muss sie mit großer Vorsicht in kleinen Schritten angepasst werden. Im zentralen Feld B2 (im therapeutischen Referenzbereich und zur verabreichten Dosis passend) sollte sich die Wirkstoffkonzentration eines gut eingestellten Patienten finden – allerdings sollte bedacht werden, dass hier gleichzeitig auftretende induzierende und hemmende Stoffwechseleinflüsse durch Überlagerung „zufällig“ eine passende Wirkstoffkonzentration ergeben können. Die für die Arzneimitteltherapiesicherheit besonders bedeutsamen Wirkstoffkonzentrationen finden sich im Feld A3 (für eine Arzneimittelwirkung zu niedrig, für die verabreichte Dosis zu hoch), weil hier bereits bei niedrigen, für den Patienten unproblematischen Wirkstoffkonzentrationen erkannt werden kann, dass bei dem Patienten vorsichtig dosiert werden muss, da er, aus welchen Gründen auch immer, zu hohe Wirkstoffkonzentrationen aufbaut;
Abb. 4. TDM-9-Felder-Tafel. In Spalte A finden sich die Wirkstoffkonzentrationen, bei denen keine Wirkung erwartet werden kann, in Spalte C diejenigen, bei denen mit UAW zu rechnen ist. In Zeile 1 finden sich die aufgrund von Enzyminduktionen oder zu schnellem Metabolismus („schnelle Metabolisierer“) zu niedrigen, in Zeile 3 die aufgrund von Enzymhemmungen oder zu langsamem Metabolismus („langsame Metabolisierer“) zu hohen Wirkstoffkonzentrationen (Abb. 4b). In dieser 9-Felder-Tafel kann man mit einem Blick erkennen, wie die Dosis bei dem entsprechenden Patienten anzupassen ist (Abb. 4c), vgl. Text.
5. Die Tabelle der Stoffwechselwege: Die Tabelle der Stoffwechselwege wurde seit 2005 von Haen & Göpfert aus Literaturdaten zusammengestellt [6]. Die Stoffwechselwege sind in alphabetischer Reihenfolge der Wirkstoffe gelistet; ein Kreuz bedeutet, dass der Wirkstoff Substrat des entsprechenden Enzyms ist, ist das Kreuz durch ein „H“ ergänzt, wird der Stoffwechselweg durch den Wirkstoff gehemmt, ist das Kreuz durch ein „I“ ergänzt, wird der Stoffwechselweg durch den Wirkstoff induziert. Der klinisch-pharmakologische TDM-Befund gibt die Stoffwechselwege für die Wirkstoffe der Komedikation des Patienten wieder. Mit einem Blick ist ersichtlich, wie viele Wirkstoffe gemeinsame Stoffwechselwege haben und welche Stoffwechselwege gehemmt bzw. induziert werden.
6. Ein Fließtext gibt die Ergebnisse des TDM-Befunds in Worten wieder. Er enthält außerdem Therapieempfehlungen, ob und wenn ja wie die Medikation des Patienten unter Würdigung des klinischen Zustands und der oben aufgeführten Umstände unter labormedizinischen Gesichtspunkten angepasst werden kann bzw. soll.
7. Frühere Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen bei demselben Patienten als graphischer Verlauf (Abb. 5). Diese Darstellung leistet z.B. bei der Beurteilung des genetisch bedingten Metabolisiererstatus eines Patienten wertvolle Dienste: Die Wirkstoffkonzentration eines Patienten mit genetisch bedingt langsamer bzw. schneller Metabolisierers zeigt unabhängig von der Dosis bei wiederholter Bestimmung stets die gleiche Relation zur verordneten Dosis, das heißt, sie liegt immer über bzw. unter dem dosisbezogenen Referenzbereich. Teure Genotypisierungen werden hierdurch vermieden.
Abb. 5. Historie früherer Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen eines Patienten in graphischer Form. Die Verlaufshistorie früherer Konzentrationsbestimmungen kann vom behandelnden Arzt in der Datenbank abgerufen oder als Ausdruck mitgeliefert werden. Im unteren Teil der Grafik ist die Veränderung der verordneten Dosis dargestellt, der dazugehörige dosisbezogene Referenzbereich ist im oberen Teil der Grafik jeweils als senkrechter Balken wiedergegeben, der therapeutische Referenzbereich durch ein graues Band parallel zur Zeitachse.
Die Befundungssoftware KONBEST
Zur Erstellung eines klinisch-pharmakologischen Fachbefunds müssen eine Fülle von pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Daten sowie Handelsnamen und Zusammensetzungen von Handelspräparaten berücksichtigt und abgewogen werden. Dies betrifft nicht nur die quantifizierten Wirkstoffe, sondern auch die Komedikation des Patienten. Es kann von niemandem erwartet werden, alle diese Fakten im Kopf zu haben, schon gar nicht von dem für die Therapie zuständigen Arzt am Krankenbett. Die Erstellung des klinisch-pharmakologischen TDM-Fachbefunds erfordert deshalb die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachrichtungen. Die Unterstützung durch informationswissenschaftliche Technologien ist dabei sehr hilfreich.
Die Internet-basierte Plattform KONBEST ist ein Web-basiertes Labor-Informations-Management-System (LIMS), das speziell für TDM-Laboratorien programmiert wurde [9, 10]. Es besteht aus
- einem Server,
- einem Web-Client (s.u.),
- der Software für die Kommunikation mit dem lokalen Krankenhausserver, um Informationen mit der elektronischen Patientenakte (Klinikinformationssystem, KIS, und Laborinformationssystem, LIS) auszutauschen, und
- umfangreichen pharmakologischen Datenbanken, die über ein semantisches Wiki organisiert und aktualisiert werden. Im Einzelnen liegen auf dem Server:
- Eine pharmakologische Datenbank mit den pharmakokinetischen Kenngrößen der Wirkstoffe
- Eine pharmakologische Datenbank mit den Stoffwechselwegen der Wirkstoffe
- Eine pharmakologische Datenbank mit den Zusammensetzungen der Handelspräparate
- Eine Datenbank mit den Leitlinien für die Pharmakotherapie
- Eine Schnittstelle für die Kommunikation mit der Datenbank www.psiac.de für Arzneimittelinteraktionen
Der Web-Client koordiniert den Datenfluss zwischen Krankenhaus und Labor und ermöglicht die Erstellung des klinisch-pharmakologischen Fachbefundes über das Internet. Ein Server, der dem behandelnden Arzt zur Verfügung steht, stellt den Zugang zur elektronischen Patientenakte mit den persönlichen Daten des Patienten (demographische Daten, Diagnose, klinischer Zustand als Skalenwert der „Clinical Global Impression Scale“ [CGI], Medikation, klinische Daten wie Körpergewicht, Größe und Vitalparameter) her, prüft unter Zuhilfenahme der Interaktionsdatenbank www.psiac.de die Medikation auf mögliche Interaktionen, exportiert pseudonymisierte Patientendaten an das TDM-Labor und reimportiert die Analyseergebnisse zusammen mit dem klinisch-pharmakologischen Fachbefund (vgl. Abb. 3), um sie mit der elektronischen Akte des Patienten zusammenzuführen. Das Datensystem erlaubt auch die Darstellung einer Verlaufshistorie mit früheren Konzentrationsbestimmungen (Abb. 5), was besonders dann die Befundinterpretation erheblich erleichtern kann, wenn einmal auffällige Wirkstoffkonzentrationen festgestellt werden.
Diskussion
Der Informationsgehalt einer Wirkstoffkonzentration wird derzeit im medizinischen Alltag nur bruchstückhaft therapeutisch genutzt. Dies liegt zum einen an ungenauen oder sogar falschen Begriffen, mit denen das Ergebnis von Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen an den Einsender zurückgemeldet wird. Zum anderen erfordert die vollständige Erfassung dieses Informationsgehalts aber auch den Rückgriff auf Zahlenmaterial und umfangreiches pharmakologisches Fachwissen. Leider behindert die moderne Informationstechnologie den medizinisch möglichen Fortschritt im Bereich des TDM mit zu unflexiblen Lösungen, die an Spezialuntersuchungen wie Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen nicht angepasst werden können oder auch nicht sollen. Es ist aber nicht akzeptabel, dass sich medizinisches Handeln an möglichst einfache Lösungen der elektronischen Datenverarbeitung anzupassen hat; vielmehr muss sich die Informationstechnologie an die medizinischen Notwendigkeiten anpassen.
Viele, aber nicht alle therapeutisch nutzbaren Informationen, die aus einer Wirkstoffkonzentrationsbestimmung gewonnen werden können, lassen sich mithilfe Computer-gestützter Software und pharmakologischer Datenbanken vollautomatisch zu einem TDM-Befund zusammensetzen. Voraussetzung ist allerdings, dass die im Routinebetrieb eingesetzten Laborinformationssysteme ausreichend Platz für die Ausgabe von Texten und Tabellen bieten.
Es wird aber nie möglich sein, einen klinisch-pharmakologischen Fachbefund gänzlich ohne entsprechend ausgebildetes Personal zu erstellen. In jedem Fall sollte der automatisch erstellte Befund klinisch-pharmakologisch gegengelesen und erst dann freigegeben werden. Die in ihrer Bedeutung noch nicht überschaubaren nur „zufällig“ passenden Wirkstoffkonzentrationen, bei denen sich hemmende und induzierende Stoffwechseleinflüsse zu einem passenden Ergebnis überlagern, erfordern in jedem Fall eine Beurteilung durch Fachpersonal. Gleiches gilt für die Therapieempfehlungen, die sich aus der Wirkstoffkonzentration in Zusammenschau mit dem klinischen Bild ergeben. Damit wird ein informativer TDM-Befund personalintensiv und muss von entsprechend spezialisierten Laboren erstellt werden. Bei uns wird der Befund durch Ärzte in Weiterbildung und durch Apotheker erstellt.
Dies öffnet den Blick auf einen weiteren Nutzen der Erstellung klinisch-pharmakologischer Fachbefunde zu Wirkstoffkonzentrationen. Ein entsprechender TDM-Befund ist nicht nur für den Leser sehr informativ, auch der Ersteller lernt viel über die Arzneimitteltherapie, über Polypharmazie, die klinische Relevanz pharmakokinetischer Arzneimittelinteraktionen und anderer Stoffwechseleinflüsse. Die Erstellung klinisch-pharmakologischer Fachbefunde zu Wirkstoffkonzentrationen ist also eine ideales Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstrument. Die Verfügbarkeit Internet-basierter Plattformen wie KONBEST eröffnet diese Möglichkeit des elektronischen Lernens.
Schlussfolgerungen für die Praxis
Das Ergebnis einer Wirkstoffkonzentrationsbestimmung im medizinischen Labor sollte niemals lediglich als unkommentierter Messwert zusammen mit einem „Referenzwert“ an den Einsender der Probe zurückgemeldet werden. Um den Informationsgehalt einer Wirkstoffkonzentration für die Arzneimitteltherapie umfassend nutzen zu können, muss das Analysenergebnis stets mit einem klinisch-pharmakologischen Fachbefund an den behandelnden Arzt berichtet werden.
Danksagung
Ich danke herzlich Herrn Anton Köstlbacher (Haas & Köstlbacher GbR, Regensburg) für die Programmierung der Internetplattform KONBEST. Außerdem ist es mir ein dringendes Bedürfnis, Frau Dr. Christine Greiner und Herrn Dr. Wolfgang Bader für die wunderbare Zusammenarbeit zu danken, durch die im Rahmen ihrer Doktorarbeiten das konzeptionelle Gerüst des vorgestellten TDM-Befunds geschaffen wurde [1, 3]. Ein ebensolcher Dank gilt meinen technischen Assistentinnen Anett Dörfelt, Tatjana Jahner und Doris Melchner, die die Informationen über den technischen Ablauf der Laborarbeiten zur Programmierung beisteuerten.
Literatur
1. Bader W. Therapeutisches Drug-Monitoring bei Antipsychotika – Die Entwicklung der Analytik von Antipsychotika und deren Relevanz bei der Therapieleitung schizophrener Patienten am Beispiel des Arzneistoffes Risperidon. In: Haen E (Hrsg.). Klinische Pharmakologie. Vol. 7. Pentling: SASKA Verlag, 2009.
2. Fichtl B. Arzneistoffkonzentration im Organismus in Abhängigkeit von der Zeit: Pharmakokinetik im engeren Sinn. In: Forth W, Henschler D, Rummel W, Starke K (Hrsg.). Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 2001. Der Autor kann diese Angabe über verschiedene Auflagen dieses Lehrbuchs zurückverfolgen: 6. Auflage 1992, S. 70 bis zur 9. Auflage 2005, S. 78.
3. Greiner CU. Aufbau eines TDM-Labors zur Individualisierung der Psychopharmakotherapie von Patienten mit affektiven Störungen. In: Haen E (Hrsg.). Klinische Pharmakologie. Vol. 5. Pentling: SASKA Verlag, 2008.
4. Greiner C, Haen E. Therapeutisches Drug-Monitoring in der Psychiatrie – Erstellung von Referenzbereichen für die Dosis-Konzentrations-Beziehung. Psychiat Prax 2007;34: S90–2.
5. Haen E. Bedeutung der klinisch-pharmakologischen Befundung von Wirkstoffkonzentrationsmessungen zur Therapieleitung. Psychopharmakotherapie 2005;12:138–43.
6. Haen E, Göpfert C. Cytochrom-P450-Interaktionstabelle. Zugänglich über www.amuep-agate.de → Arzneimittelinformationsdienst → Cytochrom-P450-Interaktionstabelle (seit 2005).
7. Haen E, Greiner C, Bader W, Wittmann M. Wirkstoffkonzentrationsbestimmungen zur Therapieleitung – Ergänzung therapeutischer Referenzbereiche durch dosisbezogene Referenzbereiche. Nervenarzt 2008;79:558–66.
8. Haen E. Therapeutic drug monitoring in pharmacovigilance and pharmacotherapy safety. Pharmacopsychiatry 2011;44:254–8.
9. Hiemke C, Baumann P, Bergemann N, Conca A, et al. AGNP Consensus Guidelines for Therapeutic Drug Monitoring in Psychiatry: Update 2011. Pharmacopsychiatry 2011;44:195–235.
10. Köstlbacher A, Haen E. Konbest – A web-based laboratory information management system (LIMS) for TDM-laboratories. Pharmacopsychiatry 2008;41:212.
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ekkehard Haen, Klinische Pharmakologie, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg, Universitätsstraße 84, 93053 Regensburg, E-Mail: ekkehard.haen@klinik. uni-regensburg.de
The TDM report
The concentration of a drug, much more than the dosage, defines desired as well as undesired effects. In former years it was generally accepted to use therapeutic drug monitoring (TDM) either to check for patient’s compliance or to prevent toxic side effects of drugs with a narrow therapeutic window. Very often TDM was just used to confirm that a side effect that had already occurred was due to an elevated drug plasma concentration. However, a drug concentration contains much more therapeutically useful information. Therefore, it should not be reported just as a plain laboratory value with or without a reference range. Instead, a clinical pharmacological comment should be added. In addition to the analytical result, the clinical pharmacological comment should contain the therapeutic reference range of the quantified drug, the dose-related reference range for the prescribed dosage of the quantified drug, the TDM-9-Field-Board, a table listing the metabolic pathways of all drugs taken by the patient, a running text compiling the given information in words, recommendations, if and how the medication should be adapted from a laboratory medical point of view taking into account the clinical state of the patient, as well as the history of former drug quantifications in the patient.
Key words: TDM, clinical pharmacology, laboratory report, dose-related reference range, therapeutic reference range, TDM-9-Field-Board, KONBEST, drug concentration, therapeutic recommendation
Psychopharmakotherapie 2012; 19(03)