Multiple Sklerose

Bei der Therapieauswahl Nutzen und Risiken abwägen


Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Ärzte haben bei der Auswahl einer Therapie die schwierige Aufgabe, für jeden Patienten den Nutzen und mögliche Risiken verschiedener Therapien gegeneinander abzuwägen. Bei Wirkstoffen, die seit Jahren für die Therapie der multiplen Sklerose eingesetzt werden, liegen mittlerweile umfangreiche Erfahrungen aus der Langzeitanwendung vor. Die Ergebnisse der 15-Jahres-Auswertung einer der Zulassungsstudien von Glatirameracetat wurden bei einem von den Firmen Sanofi-Aventis Deutschland und TEVA Pharma veranstalteten Satellitensymposium im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Mannheim vorgestellt.

Mit der zunehmenden Anzahl von Optionen für die Therapie der multiplen Sklerose müssen die behandelnden Ärzten bei der Auswahl mehr denn je zwischen möglichem therapeutischem Nutzen und potenziellen Risiken abwägen. Der Nutzen einer Therapie wird von Neurologen und Patienten teilweise recht unterschiedlich bewertet. Während eine Verringerung der Schubrate und der Behinderungsprogression für Ärzte relevante Kriterien für die Bewertung des Nutzens sind, haben für die betroffenen Patienten auch Wirkungen auf Symptome wie Fatigue, Depression und Kognition eine hohe Bedeutung.

Durch Glatirameracetat und Interferone wurde die Schubrate in Plazebo-kontrollierten Studien um jeweils rund 30 % verringert [1]; neuere Wirkstoffe senkten die Schubrate in klinischen Studien teilweise noch stärker. Ein direkter Vergleich der Studienergebnisse ist aber kaum möglich, da sich die Einschlusskriterien in den letzten Jahren verändert haben.

In klinischen Studien, in denen Glatirameracetat direkt mit Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b verglichen wurde, konnten bei der Reduktion der Schubraten keine relevanten Unterschiede zwischen Glatirameracetat und den Interferonen festgestellt werden [2, 3]. Die Wirkstoffe unterschieden sich im Profil der unerwünschten Wirkungen; insgesamt (z.B. in Bezug auf die Abbruchraten) war die Verträglichkeit allerdings vergleichbar.

Mittlerweile liegen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Glatirameracetat auch umfangreiche Langzeitdaten aus der offenen, prospektiven Verlängerung der Zulassungsstudien vor [4]. Die 100 Patienten, die die Behandlung mit Glatirameracetat (20 mg/Tag s.c.) im Anschluss an die 1991 begonnene Pilotstudie weitergeführt und beibehalten hatten, waren bei der Auswertung der 15-Jahres-Daten im Mittel seit 23,3 (±5,1) Jahren an schubförmiger multipler Sklerose erkrankt. Im Langzeitverlauf wurden keine wesentlichen Veränderungen im EDSS-Wert (Expanded disability status scale) beobachtet: er betrug zu Beginn der Therapie im Mittel 2,5 (±1,3) und bei der letzten Untersuchung 3,1 (±2,1). Innerhalb der 12 Monate vor Therapiebeginn hatten die Patienten 1,12 (±0,82) Schübe; während der Langzeittherapie wurde die Schubrate auf durchschnittlich 0,25 (±0,34) Schübe pro Jahr gesenkt. Während der gesamten Nachbeobachtungszeit traten keine bisher unbekannten Nebenwirkungen auf.

Die Auswahl einer Therapie sollte bei jedem Patienten anhand des bisherigen Krankheitsverlaufs und der Krankheitsaktivität erfolgen, außerdem müssen potenzielle Nebenwirkungen einer Therapie berücksichtigt werden. Bei neuen Therapien ist zu bedenken, dass eine Beurteilung des Nutzens und der Risiken aufgrund der begrenzten Erfahrungen in der Langzeitanwendung nur teilweise möglich ist. Letztendlich muss die Behandlungsstrategie langfristig angelegt werden; dies bedeutet, dass auch die Möglichkeiten einer Therapieeskalation schon im Vorfeld bedacht werden sollten.

Quellen

1. Prof. Dr. med. Bernd Kieseier, Düsseldorf. Satellitensymposium „Copaxone® 2.0 – steigende Bedeutung trotz kommender Alternativen“, veranstaltet von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH und TEVA Pharma GmbH im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Mannheim, 24. September 2010.

2. O’Connor P, et al. 250 microg or 500 microg interferon beta-1b versus 20 mg glatiramer acetate in relapsing-remitting multiple sclerosis: a prospective, randomised, multicentre study. Lancet Neurol 2009;8:889–97.

3. Mikol DD, et al. Comparison of subcutaneous interferon beta-1a with glatiramer acetate in patients with relapsing multiple sclerosis (the Rebif vs. glatiramer acetate in relapsing MS disease [REGARD] study): a multicentre, randomised, parallel, open-label trial. Lancet Neurol 2008;7:903–14.

4. Ford C. Continuous long-term immunomodulatory therapy in relapsing multiple sclerosis: results from the 15-year analysis of the US prospective open-label study of glatiramer acetate. Mult Scler 2010;16:342–50.

Psychopharmakotherapie 2011; 18(02)