Zervikale Dystonie

Auch den Schmerz ins Visier nehmen


Reimund Freye, Baden-Baden

In der Therapie der zervikalen Dystonie hat sich die Injektion von Botulinumtoxin durchgesetzt. Bei einem Satellitensymposium der Firma Eisai GmbH im Rahmen des 1st International Congress on Treatment of Dystonia in Hannover wurden Botulinumtoxin Typ A und Typ B miteinander verglichen.

Die zervikale Dystonie (Torticollis spasmodicus), eine segmentale Dystonie des Halsbereichs, ist gekennzeichnet durch sich wiederholende, unwillkürliche Kontraktionen der Hals- und Schultermuskulatur, die zu tonischen oder ruckartigen Drehbewegungen oder einer Neigung des Kopfs führen. Als Ursache wird eine Funktionsstörung im Bereich der Basalganglien angenommen.

Bei der Therapie der zervikalen Dystonie sollte das Augenmerk auch auf die Lebensqualität des Patienten gerichtet werden, denn eine häufige Begleiterscheinung dieser Erkrankung sind Schmerzen. Man geht davon aus, dass rund 75% der Patienten davon betroffen sind. Durch die Schmerzen wird die Lebensqualität der betroffenen Patienten in einem ähnlichen Ausmaß vermindert wie bei Patienten mit Parkinson-Erkrankung, multipler Sklerose oder schwerem Insult, was sich unter anderem in sozialen und physischen Funktionseinbußen niederschlägt. Das herabgesetzte Selbstwertgefühl, soziale Isolation sowie eine oftmals hinzukommende Arbeitsunfähigkeit gehen nicht selten mit einer depressiven Störung einher. Die Therapie der zervikalen Dystonie sollte sich daher nicht nur auf die dystonen Störungen beschränken, sondern auch die zahlreichen damit assoziierten Beeinträchtigungen berücksichtigen.

Obwohl verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen (z.B. Anticholinergika, selektive periphere Denervierung), ist die Injektion von Botulinumtoxin in die betroffenen Muskelgruppen in der Regel Mittel der ersten Wahl. Für die symptomatische Behandlung der zervikalen Dystonie sind in Deutschland verschiedene Präparate mit Botulinumtoxin Typ A und Typ B zugelassen.

In einer Metaanalyse von drei randomisierten, kontrollierten Studien zeigte sich, dass die Behandlung der zervikalen Dystonie mit Botulinumtoxin Typ B (NeuroBloc®) – bei sonst gleicher Wirksamkeit – Schmerzen im Vergleich zu Plazebo und Botulinumtoxin Typ A (z.B. Botox®) stärker reduzierte. Als Maß für die Schmerzreduktion diente die Responderrate, also der Anteil der Patienten, bei denen eine mindestens 20%ige Verbesserung ihres Werts auf der Subskala Schmerz der Toronto Western Spasmodic Torticollis Rating Scale (TWSTR) festgestellt wurde – ein sekundärer Endpunkt der drei in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien. Die Responderraten betrugen unter Botulinumtoxin Typ B 49–66%, unter Botulinumtoxin Typ A 36% und unter Plazebo 19–23%. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Patienten, die eine ausgeprägte Schmerzkomponente aufweisen, mit Botulinumtoxin Typ B besser geholfen werden könnte als mit Botulinumtoxin Typ A.

Quellen

Prof. Joaquim Ferreira, Portugal, Prof. Mark Lew, USA; Satellitensymposium „Management of Cervical Dystonia: Are we adressing the needs of the Patients?“, veranstaltet von Eisai GmbH im Rahmen des 1st International Congress on Treatment of Dystonia, Hannover, 7. Mai 2010.

Pappert EL, et al. Botulinum toxin type B vs. type A in toxin-naïve patients with cervical dystonia: Randomized, double-blind, noninferiority trial. Mov Disord 2008;23:510–7.

Lew MF, et al. RimabotulinumtoxinB effects on pain associated with cervical dystonia: results of placebo and comparator-controlled studies. Int J Neurosci 2010;120:298–300.

Neue Bezeichnungen für Botulinumtoxine

Da sich verschiedene Botulinumtoxine in der Wirkstärke unterscheiden, wurden in den USA 2009 neue Wirkstoffbezeichnungen eingeführt, um Verwechslungen zu vermeiden und die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Das im dort zugelassenen Präparat MyoblocTM enthaltene Toxin B heißt nun RimabotulinumtoxinB, das in BotoxTM enthaltene Toxin A OnabotulinumtoxinA und das in DysportTM enthaltene Toxin A AbobotulinumtoxinA. Es wird deutlich, dass sich auch die beiden hierzulande mit Toxin Typ A bezeichneten Wirkstoffe unterscheiden.

[Quelle: www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/PostmarketDrugSafetyInformationforPatientsandProviders/DrugSafetyInformationforHeathcareProfessionals/ucm174949.htm (Zugriff 19.10.2010).]

Psychopharmakotherapie 2010; 17(06)