Ilona Csoti, Biskirchen
Fallbeschreibung
Im Jahr 2004 bemerkte die damals 51-jährige Patientin erstmals eine Behinderung des rechten Beins beim Gehen und eine Verlangsamung aller Bewegungsabläufe. Feinmotorisch anspruchsvolle Tätigkeiten gingen ihr schlechter von der Hand, und das Schriftbild veränderte sich im Sinne einer Mikrographie. Krankengymnastik und symptomatische Behandlungen durch einen Orthopäden brachten keine Linderung der Beschwerden. 2006 wurde ein Parkinson-Syndrom diagnostiziert und eine spezifische medikamentöse Therapie mit Levodopa eingeleitet mit zunächst guter Response. Wegen Zunahme der motorischen Einschränkungen erfolgte 2007 die Kombination mit Pramipexol in langsam ansteigender Dosierung. Unter dieser Kombination besserten sich auch die Gangstörungen für die Patientin spürbar, sie entwickelte jedoch zunehmende Fußrücken- und Unterschenkelödeme, welche für sie nicht tolerierbar waren (Abb. 1). Die Pramipexol-Dosis wurde aus diesem Grund von 4½ auf 3 Tabletten à 0,7 mg verringert. Unter dieser reduzierten Dosis kam es zu Wirkungsfluktuationen vom Wearing-off-Typ. In den Off-Phasen traten zunehmend schmerzhafte dystone Verkrampfungen in den Füßen auf, welche das Gehen fast unmöglich machten. Sie konnte in diesen Phasen nur noch mit Rollator und unter großen Schmerzen gehen. Eine Aufdosierung von Levodopa lehnte die Patientin aufgrund der Dyskinesien ab. Im weiteren Verlauf zeigten sich eine nächtliche und frühmorgendliche Akinese mit Schlafstörungen und erschwertem morgendlichem Anlaufen sowie die Entwicklung einer depressiven Affektlage.
Abb. 1. Fußrücken- und Unterschenkelödem nach Einnahme von Pramipexol
An komplizierenden Zusatzerkrankungen hatte die adipöse Patientin eine labile arterielle Hypertonie und eine grenzwertige diabetische Stoffwechsellage, rezidivierende Magenbeschwerden bei gastroösophagealer Refluxerkrankung und chronischer Gastritis sowie muskuloskelettale Schmerzen bei degenerativem Wirbelsäulensyndrom. In einem 2007 veranlassten kranialen Kernspintomogramm (cMRT) fanden sich dementsprechend Zeichen einer Mikroangiopathie.
Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme bestand die Therapie aus 600 mg Levodopa (+Benserazid) in 6 Einzeldosen von 100 mg in Kombination mit jeweils ½ Tablette Pramipexol 0,7 mg. Zusätzlich wurden Pantoprazol 20 mg für die chronische Gastritis und Macrogol wegen der Parkinson-assoziierten chronischen Obstipation eingenommen. Als besonders störend wurden von der Patientin die nächtliche Akinese mit Unfähigkeit der Selbstversorgung, Peak-Dose-Dyskinesien über den Tag, schmerzhafte Off-Dystonien der Füße und nach wie vor bestehende Fußrücken- und Knöchelödeme beklagt.
Duale Enzymhemmung und Wechsel des Dopaminagonisten
Wegen der objektiv nachweisbaren choreoathetoiden Peak-Dose-Dyskinesien war es erforderlich, die Levodopa-Einzeldosen von 100 mg auf 50 mg zu reduzieren. Zur Verlängerung der Plasmahalbwertszeit und Verbesserung der Bioverfügbarkeit kombinierten wir diese Einzeldosen mit dem COMT- (Catechol-O-Methyltransferase-)Hemmer Entacapon. Die nächtliche Akinese erforderte die zweimalige Gabe eines Levodopa/Dopa-Decarboxylase-Hemmer-Retardpräparats in Einzeldosen von 100 mg Levodopa. Eine einmalige Gabe zur Nacht zeigte eine zu kurze Wirkdauer bis gegen 2 Uhr, danach traten Schlaflosigkeit, Schmerzen, Krämpfe und Akinese auf. Eine Aufdosierung von Pramipexol war wegen der bestehenden Ödeme nicht möglich.
Der Dopaminagonist Piribedil zeichnet sich durch eine wesentlich geringere Inzidenz von peripheren Ödemen aus. Aus diesem Grund stellten wir auf zunächst 150 mg Piribedil in dreimaliger Gabe über den Tag um. Bei guter Verträglichkeit persistierten jedoch die Off-Phasen und die quälenden Off-Dystonien. Aus diesem Grund entschieden wir uns, auf die nur in der Monotherapie zugelassene Höchstdosis von 250 mg aufzudosieren. Nach wenigen Tagen kam es zu einer deutlichen Verkürzung der Off-Phasen mit Rückläufigkeit der Fußdystonien. Unter den niedrigeren Levodopa-Einzeldosen hatte sich auch die Choreoathetose in den Peak-Dose-Phasen bereits eindrucksvoll gebessert. Bis zum Zeitpunkt der Entlassung konnte auch eine Rückbildung der Wassereinlagerungen in den Füßen und Unterschenkeln beobachtet werden.
Die neue medikamentöse Kombinationsbehandlung wurde gut vertragen, im Beobachtungszeitraum (6 Monate) traten keine dosislimitierenden unerwünschten Nebenwirkungen auf. Die täglichen Off-Zeiten wurden verkürzt und erträglicher durch eine Rückbildung der Fußdystonien, die Ödeme zeigten eine rückläufige Tendenz.
Periphere Ödeme werden unter Piribedil seltener beschrieben als unter anderen Dopaminagonisten. In der CALM-PD-Studie der Parkinson-Study Group entwickelten 14,6% der Patienten periphere Ödeme unter Pramipexol [2], in einer Studie von Castro-Caldas et al. 2006 wird eine Häufigkeit von 5% für Piribedil angegeben [1].
Wenn aus Gründen der Verträglichkeit keine ausreichende Dosis des vorhandenen Dopaminagonisten erreicht werden kann, ist unter Umständen ein Wechsel auf einen anderen Vertreter dieser Wirkstoffgruppe eine gute Möglichkeit, störende Arzneimittelnebenwirkungen zu reduzieren und damit die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.
Literatur
1. Castro-Caldas A, et al. The Parkinson-control study: a 1-year randomized, double-blind trial comparing piribedil (150 mg/day) with bromocriptine (25 mg/day) in early combination with levodopa in Parkinson’s disease. Mov Disord 2006;21:500–9.
2. Parkinson-Study Group. Pramipexol vs levodopa as initial treatment for Parkinson Disease, a randomized controlled trial (CALM-PD-Studie). JAMA 2000;284:1931–8.
Dr. med. Ilona Csoti, Gertrudis-Kliniken im Parkinson-Zentrum, Karl-Ferdinand-Broll-Str. 2–4, 35638 Leun-Biskirchen, E-Mail: ilona.csoti@parkinson.de
Psychopharmakotherapie 2010; 17(02)