Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen
Bis zu einem Fünftel der schwangeren Frauen sind von Depressionen während der Schwangerschaft betroffen. Eine medikamentöse Therapie muss deshalb die Gesundheit der Mutter gegen mögliche Risiken für den Fetus abwägen. Bis 2005 wurde in den meisten Studien, die mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) durchgeführt wurden, keine Verbindung mit größeren angeborenen Missbildungen beobachtet. Neuere Untersuchungen sprechen allerdings für ein erhöhtes Risiko für einen Nabelschnurbruch (Omphalocele), eine verfrühte Verknöcherung einer oder mehrerer Schädelnähte (Kraniosynostosis) und insbesondere für kardiovaskuläre Nebenwirkungen. Die Ergebnisse zu den verschiedenen auf dem Markt befindlichen SSRI sind widersprüchlich. Es gibt jedoch Hinweise, dass vor allem die Einnahme von Paroxetin (z.B. Seroxat®) mit einem erhöhten Risiko für Missbildungen am Herzen einhergeht, aber auch Sertralin (z.B. Zoloft®), Fluoxetin (z.B. Fluxet®) und Citalopram (z.B. Cipramil®) sind in der Diskussion. Mögliche kardiovaskuläre Fehlbildungen waren der Anlass für die amerikanische Food and Drug Administration (FDA), im Dezember 2005 eine Warnung bezüglich der Verschreibung von Paroxetin in der Schwangerschaft herauszugeben, eine generelle Kontraindikation wurde jedoch nicht ausgesprochen.
Studienziel und -design
Ziel einer groß angelegten bevölkerungsbasierten Kohortenstudie, durchgeführt in Dänemark, war es, Zusammenhänge zwischen der Einnahme von bestimmten SSRI in der Schwangerschaft und angeborenen Missbildungen zu untersuchen. Dafür wurden unter anderem Daten aus dem Geburtenregister, landesweite Arzneiverordnungsdaten und Krankenhausregister mit Diagnosen von Müttern und deren Neugeborenen ausgewertet. Das Einnahmefenster von SSRI wurde als Zeitraum von 28 Tagen vor bis zu 112 Tagen nach Beginn der Schwangerschaft definiert. Missbildungen wurden anhand der Eurocat-(European surveillance of congenital anomalies-)Klassifizierung vorgenommen, Fehlbildungen am Herzen wurden zusätzlich in diagnostische Untergruppen kategorisiert.
Die Studienpopulation setzte sich zusammen aus 493113 Kindern, die zwischen Januar 1996 und Dezember 2003 geboren wurden. Daten zur Nachbeobachtung standen bis Dezember 2005 zur Verfügung.
Studienergebnis
Im Studienzeitraum hatten 3010 schwangere Frauen Rezepte mit einem oder mehreren SSRI eingelöst, 1370 Mütter taten dies zwei- oder mehrmals. Frauen, die ein SSRI einnahmen waren im Durchschnitt älter, lebten allein, waren unverheiratet und rauchten.
Die SSRI-Einnahme in der Frühschwangerschaft war nicht mit einem erhöhten Risiko für schwere Missbildungen verbunden (Odds-Ratio 1,21; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,91–1,62). Auch schwere Herzfehler wurden nicht häufiger beobachtet. Signifikant häufiger traten dagegen Septumdefekte im Herzen auf (Odds-Ratio 1,99; KI 1,13–3,53).
Das höchste Risiko für Septumdefekte beim Neugeborenen wurden mit Sertralin (Odds-Ratio 3,25; KI 1,21–8,75) und für Citalopram (Odds-Ratio 2,52; KI 1,04–6,10) gefunden (Tab. 1).
Tab. 1. Odds-Ratios (adjustiert an Alter, Jahr der Registrierung, Einkünfte, Familienstand, Rauchen) für Missbildungen nach dem Einlösen von zwei oder mehr Verschreibungen für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) [Pedersen et al.]
Missbildungen bei der Geburt |
Zahl der exponierten Kinder |
Fluoxetin |
Citalopram |
Paroxetin |
Sertralin |
Mehr als ein SSRI |
|||||
Kinder [n] |
OR |
Kinder [n] |
OR |
Kinder [n] |
OR |
Kinder [n] |
OR |
Kinder [n] |
OR |
||
Kleine Missbildungen |
7373 |
4 |
0,62 |
7 |
0,79 |
6 |
1,43 |
3 |
0,76 |
4 |
1,08 |
Größere Missbildungen |
15518 |
11 |
1,00 |
17 |
1,07 |
15 |
1,41 |
12 |
1,51 |
10 |
1,62 |
Missbildungen am Herzen |
3988 |
2 |
0,77 |
6 |
1,75 |
3 |
0,88 |
5 |
2,36 |
5 |
3,42 |
Septumdefekte im Herzen |
2315 |
2 |
1,34 |
5 |
2,52 |
1 |
0,76 |
4 |
3,25 |
4 |
4,70 |
Nichtkardiale Missbildungen |
11530 |
9 |
1,08 |
11 |
0,83 |
12 |
1,59 |
7 |
1,18 |
5 |
0,95 |
Für Paroxetin dagegen wurde ein Odds-Ratio unter 1 ermittelt, was gegen ein erhöhtes Risiko spricht.
Insgesamt gesehen war die Anzahl von Missbildungen infolge der Verschreibung von SSRI in der Frühschwangerschaft nur gering. Bei Verordnung eines einzelnen SSRI entwickelten 0,9% der exponierten Kinder (12 von 1370) einen Septumdefekt, im Vergleich zu 0,5% (2315 von 493113) bei den nicht exponierten Neugeborenen. Somit ergibt sich eine Number needed to harm von 246 Kindern, das ist die Zahl der exponierten Kinder, auf die ein zusätzlicher Septumdefekt kommt.
Anders sah es aus, wenn die Frauen mehrere SSRI gleichzeitig eingenommen hatten. Für diese Gruppe ergab sich ein Odds-Ratio für Septumdefekte von 4,70 (KI 1,74–12,7). 2,1% der so exponierten Kinder (4 von 193) kamen mit einem Septumdefekt auf die Welt. Hier liegt die Number needed to harm bei 62.
Fazit
Die vorliegenden Ergebnisse belegen ein höheres Risiko für Septumdefekte im Herzen bei Neugeborenen, deren Mütter in der frühen Schwangerschaft ein SSRI eingenommen hatten. Besonders ausgeprägt war diese Nebenwirkung nach einer Behandlung mit mehr als einem SSRI. Andere schwere Missbildungen wurden nicht beobachtet. Auch Septumdefekte sind bei Neugeborenen keine lebensgefährlichen Herzfehler, einige können sogar von selbst ausheilen.
Wie die vorangegangenen retrospektiven Studien zu Paroxetin konnte also auch die in Dänemark durchgeführte Kohortenstudie keine strenge Kausalität nachweisen, die für eine generelle Kontraindikation von SSRI in der Schwangerschaft spricht. Vielmehr wird wie bisher empfohlen, Nutzen und Risiken einer Therapie mit SSRI in der Schwangerschaft sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Quelle
Pedersen LH, et al. Selective serotonin reuptake inhibitors in pregnancy and congenital malformations: population based cohort study. BMJ 2009;339:b3569.
Psychopharmakotherapie 2009; 16(06)