Reversibles metabolisches Syndrom unter Olanzapin


Dominik Dabbert und Martin Heinze, Bremen

Erhöhte Blutglucose-, Triglycerid- und Cholesterolwerte sind unter Olanzapin-Medikation ein gut bekanntes Phänomen [2, 4–6]. Wir berichten über einen Fall mit extremer Ausprägung und guter Dokumentation des Verlaufs, bei dem es nach Absetzen der Olanzapin-Medikation zu einer Remission des metabolischen Syndroms kam. Der Fall unterstreicht erneut die Bedeutung der klinischen Kontrollen und die angesichts der Reversibilität der schweren unerwünschten Arzneimittelwirkung gegebene Möglichkeit, durch eine Veränderung der Medikation Spätfolgen zu vermeiden.
Schlüsselwörter: Olanzapin, unerwünschte Arzneimittelwirkung, metabolisches Syndrom
Psychopharmakotherapie 2009;16:32–3.

Fallbericht

Wir berichten über einen Fall aus dem AMSP-Meldesystem (Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie), einem Erfassungs- und Bewertungsprojekt für unerwünschte Arzneimittelwirkungen in Europa, vornehmlich im deutschsprachigen Raum. Der zum Zeitpunkt der unerwünschten Arzneimittelwirkung 27-jährige Mann europäischer Herkunft war an einer Schizophrenie sowie an einem polyvalenten Substanzkonsum erkrankt. Im psychiatrischen Hilfesystem war er zumindest seit 2002 bekannt. Bis zum Frühjahr 2007 erfolgte die Behandlung ausschließlich mit klassischen Substanzen und mit Amisulprid. Ab März 2007 wurde er mit 20 mg/d Olanzapin, langwirksamem Risperidon (Risperdal® Consta®; 50 mg i. m.), 2500 mg/d retardierter Valproinsäure sowie 130 mg/d Chlorprothixen behandelt. Anfang September 2007 bemerkte der Patient Polydipsie, Polyurie, Antriebslosigkeit, Schwindel und Schwäche. Bei der deshalb erfolgten Aufnahme in die psychiatrische Klinik wurde eine Blutglucosekonzentration von 504 mg/dl, ein nicht mehr genau messbarer HbA1c (oberhalb der oberen Nachweisgrenze von 14,5% des Hämoglobins in unserem Labor), Triglyceride von 3877 mg/dl sowie ein Cholesterolwert von 603 mg/dl gefunden (Übersicht s. Tab. 1). Der Patient wurde transient unter der Diagnose eines symptomatischen Diabetes mellitus mit Insulin behandelt, die Olanzapin-Medikation wurde abgesetzt. Die übrige Medikation wurde nicht geändert. Von Blutzucker, Cholesterol und Triglyceriden liegen Vorbefunde aus dem Zeitraum vor der Olanzapin-Einnahme vor, die jeweils unauffällig waren. Aus dem massiv erhöhten HbA1c-Wert ist zu folgern, dass sich die metabolischen Veränderungen über einen längeren Zeitraum erstreckt haben müssen, bevor der Patient klinisch-symptomatisch und in der Folge untersucht wurde.

Tab. 1. Zeitverlauf der Laborwerte

Datum

Blutzucker
[mg/dl]

HbA1c
[% des Hb]

Triglyceride [mg/dl]

Cholesterol [mg/dl]

2003

105

169

03.04.2007

113

02.05.2007

242

323

03.09.2007

307

07.09.2007

14,5

3877

603

08.09.2007

3502

493

10.09.2007

504

1371

394

12.09.2007

302

23.09.2007

349

264

254

24.09.2007

254

13,9

29.09.2007

214

02.10.2007

199

12,4

08.10.2007

83

22.10.2007

9,2

23.09.2007

106

02.10.2007

101

22.10.2007

119

10.11.2007

223

12.11.2007

7,0

04.01.2008

108

6,78

30.07.2008

143

211

204

Retrospektiv war durch Nachfrage in einer anderen Klinik, in der sich der Patient zwischenzeitlich aufgehalten hatte, der erste bekannte pathologische Blutglucosewert mit 242 mg/dl am 2. Mai 2007 zu eruieren. Nach dem Absetzen des Olanzapins remittierte die Symptomatik ebenso wie die veränderten Laborparameter. Der erste normwertige Blutglucosewert wurde Anfang Oktober gemessen. Der HbA1c-Wert sank aus pathophysiologischen Gründen über einen längeren Zeitraum hinweg. Am 12. November 2007 lag er bei 7% des Gesamthämoglobins. Die Cholesterol- und Triglycerid-Werte waren am 23. September 2007 noch leicht erhöht mit deutlich fallender Tendenz, 2008 normwertig. Im September 2007 wog der Patient 111 kg. Bei den Voraufenthalten war er als normgewichtig beschrieben worden. In Ermangelung eines Vorwerts ist jedoch die genaue Gewichtszunahme nicht näher zu quantifizieren. Der Body-Mass-Index (BMI) lag zum Zeitpunkt der Indexaufnahme bei 33,5 kg/m2. Ein Jahr später betrug das Körpergewicht 85 kg, was einem BMI von 25,6 kg/m2 entspricht.

In diesem Fall konnte durch das Absetzen des Olanzapins eine Remission des metabolischen Syndroms erreicht werden.

Diskussion

Ein erhöhtes Risiko für unbehandelte Schizophrenie-Patienten, an einem Diabetes mellitus zu erkranken, ist zumindest seit 1926 bekannt [3].

Nach der Einführung der Phenothiazine 1956 wurde eine weitere Erhöhung beobachtet, es findet sich in der Literatur der Begriff eines „Phenothiazin-Diabetes“. Nach der Einführung der neueren Antipsychotika wurde ein weiteres Ansteigen des Diabetes-Risikos bei Schizophrenie-Patienten berichtet, das Risiko scheint unter Clozapin und Olanzapin am höchsten zu sein [4, 5]. Olanzapin führt zu einer Insulinresistenz [6], aber nicht zum Betazell-Untergang [2]. Das Hyperglykämie-Risiko unter Antipsychotika ist nicht dosisabhängig, remittiert nach Absetzen, tritt aber bei erneuter Gabe wieder auf [5]. Auch das Risiko einer Dyslipidämie ist unter Olanzapin erhöht [1, 6].

Der vorliegende Fall unterstreicht die Notwendigkeit von frühzeitigen und regelmäßigen Kontrollen der Glucosewerte, des Cholesterols und der Triglyceride bei der Verordnung von Antipsychotika zur Früherkennung eines medikationsbedingten metabolischen Syndroms und die Notwendigkeit, eine antipsychotische Medikation gegebenenfalls auch zu verändern, um schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden. Da die metabolischen Veränderungen nach dem Absetzen reversibel sind, ist eine Medikationsumstellung, wenn die Klinik dies erlaubt, zur Vermeidung von metabolischen und kardiovaskulären Folgeschäden wesentlich sinnvoller als eine zusätzliche symptomatische, antidiabetische Therapie.

Literatur

1. Birkenaes A, Birkeland K, Engh J, Faerden A, et al. Dyslipidemia independent of body mass in antipsychotic-treated patients under real-life-conditions. J Clin Psychopharmacol 2008;28:132–7.

2. Ebenbichler C, Laimer M, Eder U, Mangweth B, et al. Olanzapine induces insulin resistance: Results from a prospective study. J Clin Psychiatry 2003;64:1436–9.

3. Kasanin J. The blood sugar curve in mental disease. Arch Neurol Psychiatry 1926;16:414–9.

4. Kropp S, Grohmann R, Hauser U, Rüther E, et al. Hyperglycemia associated with antipsychotic treatment in a multicenter drug safety project. Pharmacopsychiatry 2004;37(Suppl 1):S79–83.

5. Lindenmayer JP, Nathan AM, Smith R. Hyperglycemia associated with the use of atypical antipsychotics. J Clin Psychiatry 2001;62(Suppl 23):30–8.

6. Wu R, Zhao J, Liu Z, Zhai J, et al. Effects of typical and atypical antipsychotics on glucose-insulin homeostasis and lipid metabolism in first-episode schizophrenia. Psychopharmacology 2006;186:572–8.

Dr. Dominik Dabbert, Priv.-Doz. Dr. med. Martin Heinze, Klinikum Bremen-Ost, Psychiatrische Behandlungszentren Mitte und West, Züricher Straße 40, 28325 Bremen, E-Mail: dominik.dabbert@klinikum-bremen-ost.de

Case report: Reversible metabolic syndrome under olanzapine

Hyperglycemia, weight gain and hyperlipidemia are well-known adverse effects of antipsychotic medication. We report a 27-year-old male patient who was on olanzapine for six months and presented with fatigue, dizziness, polyuria and polydipsia. We found a massive weight gain, an elevation of serum sugar levels not seen before, an increase of HbA1c measurements, and high cholesterol and triglyceride counts. After discontinuation of olanzapine all of these parameters returned to normal. The case stresses the importance of laboratory controls while prescribing antipsychotic medication, and the reversible characteristic of this severe adverse event.

Keywords: Olanzapine, adverse effect, metabolic syndrome

Psychopharmakotherapie 2009; 16(01)