Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Hintergrund
Die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP) ist eine entweder langsam progrediente oder rezidivierend wiederkehrende Erkrankung mit einer Prävalenz von 2 bis 7 Betroffenen pro 100000 Einwohner. Pathophysiologisch handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die Symptome sprechen relativ gut auf Glucocorticoide an, wobei diese aber wegen ihrer Nebenwirkungen nicht über längere Zeit gegeben werden können.
Bisher gab es nur drei kleine randomisierte Studien, in denen gezeigt wurde, dass auch intravenöse Immunglobuline in hoher Dosis wirksam sind. Diese Studien reichen aber bisher nicht aus, um regelmäßig eine Übernahme der Behandlungskosten durch die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zu erreichen.
Studienziel und -design
Eine internationale Studiengruppe führte nun eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Crossover-Studie mit 117 Patienten mit CIDP durch. In der initialen Studienperiode erhielten die Patienten entweder Plazebo oder intravenöse Immunglobuline mit initial 2 g/kg und einer Erhaltungsdosis von 1 g/kg alle 3 Wochen über 24 Wochen. Die Kontrollgruppe erhielt Albumin. Patienten, bei denen es nach 24 Wochen zu keiner Besserung kam, wurden dann mit der jeweils anderen Therapie behandelt. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten, die nach 24 Wochen auf einer speziellen klinischen Skala, die die Behinderung von Patienten mit entzündlichen Neuropathien misst, eine Verbesserung von mindestens einem Punktwert erreichten.
Studienergebnis
In der ersten Behandlungsperiode von 24 Wochen zeigten 32 von 59 Patienten, die mit Immunglobulinen behandelt wurden, eine signifikante Besserung, dies entspricht 54%. Unter Plazebo zeigten 12 von 58 Patienten (21%) eine Verbesserung. Der Unterschied war signifikant (p=0,0002). Bei den Patienten, die zuerst Plazebo erhalten hatten und anschließend Immunglobuline erhielten, zeigte sich ebenfalls eine signifikante Besserung.
Patienten, die nach der randomisierten doppelblinden Behandlung offen mit Immunglobulinen weiterbehandelt wurden, hatten ein längeres Zeitintervall, bis ein erneuter Krankheitsschub auftrat als Patienten, die mit Plazebo behandelt wurden (p=0,011).
0,8% der Patienten bei der Behandlung mit Immunglobulinen zeigten schwerwiegende Nebenwirkungen, 1,9% bei Gabe von Plazebo. Die häufigsten Nebenwirkungen bei Immunglobulinen waren Kopfschmerzen, Fieber und Hypertonie.
Kommentar
Die CIDP ist eine schwerwiegende neurologische Erkrankung, die unbehandelt zu bleibenden schweren neurologischen Ausfällen, insbesondere Paresen, führt. Die bisher eingesetzte Standardtherapie mit Glucocorticoiden ist zwar wirksam, führt aber langfristig zu schwerwiegenden Nebenwirkungen. Aus kleineren Plazebo-kontrollierten randomisierten Studien war bereits bekannt, dass hoch dosierte intravenöse Immunglobuline bei der CIDP wirksam sind und ein deutlich besseres Nebenwirkungsspektrum haben als Glucocorticoide. Die hier präsentierte große Studie belegt eindeutig, dass Immunglobuline bei der CIDP wirksam sind. Dies galt nicht nur in der eigentlichen Studienperiode von 6 Monaten, sondern auch für die Patienten, die initial in der Plazebo-Gruppe waren und später mit Immunglobulinen behandelt wurden.
Die hier beobachteten klinischen Effekte sind signifikant und auch klinisch bedeutsam. Es bleibt zu hoffen, dass nach dieser Studie und dem entsprechenden wissenschaftlichen Beweis in Zukunft Patienten mit CIDP zu Lasten gesetzlicher Krankenkassen mit hoch dosierten Immunglobulinen behandelt werden können.
Quelle
Hughes RA, et al. Intravenous immune globulin (10% caprylate-chromatography purified) for the treatment of chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy (ICE study): a randomised placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2008;7:136–44.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(03)