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Ein Status epilepticus liegt definitionsgemäß vor, wenn ein generalisierter tonisch-klonischer Anfall länger als 5 Minuten beziehungsweise ein fokaler Anfall länger als 20 bis 30 Minuten dauert. Pragmatischer als die Anfallsklassifikation zwischen einfach-fokalem, komplex-fokalem und generalisiertem (tonisch-klonischem) Status epilepticus ist die Differenzierung zwischen konvulsivem und nichtkonvulsivem Status epilepticus (wobei sich die Symptome im Verlauf aber ändern können).
Die Inzidenz beträgt 10 bis 20 Fälle pro 100000 Einwohner jährlich. Betroffen sind vor allem über 60-Jährige, Männer und Frauen etwa gleich häufig. Die Letalität ist mit 10 bis 30% relativ hoch.
Welches Antikonvulsivum?
Das Therapieergebnis hängt neben der Ätiologie, dem Alter des Patienten und seinen Komorbiditäten als unbeeinflussbaren Faktoren auch vom Intervall bis zum Therapiebeginn, von der Dauer der Therapie und eventuellen Komplikationen ab. Generell sollte die Therapie möglichst früh eingeleitet werden und eskalierend erfolgen.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt in ihrer Leitlinie eine initiale Behandlung mit Lorazepam (0,1 mg/kg KG, max. 10 mg), alternativ Diazepam (0,25 mg/kg, max. 30 mg) oder Clonazepam (1–2 mg mit 0,5 mg/min, max. 6 mg). Falls dies nicht innerhalb von 10 Minuten zum Erfolg führt, wird Phenytoin infundiert (15–20 mg/kg, max. 50 mg/min). Wenn die Anfallsaktivität nach insgesamt 45 bis 60 Minuten immer noch nicht sistiert, gilt der Status epilepticus als refraktär. Bei einem konvulsiven Status wird man in dieser lebensbedrohlichen Situation eine Intubation und EEG-gesteuerte Anästhesie (bis zur Burst-Suppression) erwägen. Bei einem nichtkonvulsiven Status epilepticus ist man mit dieser invasiven Therapie vorsichtiger, hier ist eher ein Therapieversuch mit i.v. Antikonvulsiva angezeigt. Dafür stehen Valproinsäure, Phenobarbital, Lidocain und als jüngste Substanz Levetiracetam zur Verfügung.
Levetiracetam bei Status epilepticus
Für die Anwendung von Levetiracetam liegen inzwischen mehrere Publikationen von Fallserien vor, teils mit enteraler, teils mit intravenöser Gabe und mit teilweise hohen Erfolgsquoten bei relativ niedriger Nebenwirkungsrate. In einer aktuellen Beobachtungsstudie wurde in der Klinik für Neurologie des Klinikums Osnabrück zwischen Anfang April 2007 und Mitte Januar 2008 Levetiracetam i.v. bei 19 Patienten mit Status epilepticus eingesetzt. Die Patienten waren im Durchschnitt 72 Jahre alt und dementsprechend multimorbide. Der Status epilepticus beruhte überwiegend auf einer akuten ZNS-Erkrankung (n=9) oder einer vorbestehenden Epilepsie (n=6). Grund für den Einsatz von Levetiracetam war, dass die Patienten wegen Multimorbidität und Ateminsuffizienz kein (höher dosiertes) Benzodiazepin erhalten sollten (n=8) oder dass Benzodiazepine in der regulären Dosis nicht erfolgreich waren und Phenytoin kontraindiziert war (n=11).
Die Patienten erhielten einen Bolus von 1000 bis 3000 mg (Median 1500 mg) Levetiracetam über 10 bis 15 Minuten und insgesamt eine Tagesdosis von im Median 3000 mg. Initial war der Status bei sechs Patienten mit 1 bis 3 mg Lorazepam und bei elf Patienten mit 4 bis 8 mg Lorazepam behandelt worden. Andere Antikonvulsiva zur Statusbehandlung hatten sie nicht erhalten. Bei 15 Patienten konnte der Status epilepticus mit Levetiracetam durchbrochen werden (bei 5 Patienten innerhalb von 30 min, bei 4 Patienten zwischen 30 min und 6 h, bei 6 Patienten nach 6–48 h), bei zwei weiteren Patienten gelang dies erst nach zusätzlicher Gabe von Phenytoin, bei einem Patienten nach Phenytoin und Barbituratnarkose. Ein Patient starb trotz Gabe von Phenytoin und Barbituratnarkose im Status epilepticus.
Unter der Levetiracetam-Behandlung traten keine Arrhythmien auf. In je einem Fall kam es zu Erbrechen und zu einer Verdopplung der Leberwerte. Blutdruckabfall (3 Fälle) und Vigilanzstörung (5 Fälle) traten im zeitlichen Zusammenhang mit weiteren Therapien (Lorazepam, Propofol) auf.
Bei Entlassung aus der Klinik waren 17 Patienten gegenüber dem prämorbiden Zustand unverändert, nur bei zwei Patienten war eine Verschlechterung eingetreten (1 Todesfall, 1 Fall pflegebedürftig infolge eines Hirnstamminfarkts unter der Intensivtherapie).
Fazit
Levetiracetam i.v. ist offenbar eine praktikable und wirksame Option bei einem Status epilepticus. Das Dosierungsschema ist noch in der Diskussion, so wird zum Beispiel in Osnabrück inzwischen eher ein initialer Bolus von 3000 mg verwendet, eine Tagesdosis bis 6000 mg ist möglich. Vor allem bei alten, multimorbiden Patienten ist die vergleichsweise gute Verträglichkeit (z.B. keine pharmakokinetischen Interaktionen wie bei Phenobarbital oder Phenytoin, keine Reizleitungsstörung wie bei Lidocain) vorteilhaft. Bislang fehlen prospektiv erhobene Daten, eine kontrollierte Studie wäre wünschenswert.
Quelle
Dr. med. Christoph Kellinghaus, Osnabrück, Satellitensymposium „Epilepsie und Morbus Parkinson – parenterale Therapieoptionen im OP und auf der Intensivstation“, veranstaltet von UCB im Rahmen der 25. Arbeitstagung für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin, Wiesbaden, 1. Februar 2008.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(03)