Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Es gibt viele Therapiestudien zum Einsatz von Heparin, niedermolekularem Heparin oder Heparinoiden zur Behandlung des akuten Schlaganfalls. Mit einer Ausnahme waren alle diese Studien negativ und konnten nicht belegen, dass diese Substanzen die Prognose eines Schlaganfalls verbessern. Dies liegt daran, dass Antikoagulanzien zwar die Häufigkeit von ischämischen Reinsulten in den ersten 7 bis 14 Tagen reduzieren, dieser Effekt aber durch eine erhöhte Rate zerebraler Blutungen wieder aufgehoben wird. Ein typischer Kritikpunkt an älteren Studien ist die Tatsache, dass hier Patienten mit unterschiedlichen Ätiologien eingeschlossen wurden. Rein theoretisch wäre ein Nutzen von Antikoagulanzien bei Patienten mit Mikroangiopathie und lakunären Infarkten auch nicht zu erwarten. Die chinesischen Autoren haben daher eine Studie bei Patienten mit Makroangiopathie durchgeführt.
Studiendesign
In die Studie wurden Patienten mit akutem ischämischem Insult eingeschlossen, bei denen der Symptombeginn weniger als 48 Stunden zurücklag. Die Patienten erhielten entweder Nadroparin 3800 I.E. 2-mal am Tag s.c. (Fraxiparin®) oder 160 mg Acetylsalicylsäure einmal täglich. Die Behandlungen erstreckten sich über zehn Tage. Anschließend erhielten alle Patienten über sechs Monate Acetylsalicylsäure.
Ein weiteres Einschlusskriterium war der Nachweis hämodynamisch relevanter Stenosen (>50%) oder Verschlüsse mit Doppler-/Duplexsonographie oder MR-Angiographie. Der primäre Endpunkt war Überleben mit einem Barthel-Index von mindestens 85 nach sechs Monaten. Der Barthel-Index misst die Funktionsfähigkeit von Patienten im Alltag auf einer Skala von 0 bis 100 (0 = Tod, 100 = normale Funktion).
Ergebnis
603 Patienten wurden rekrutiert, von denen etwa die Hälfte extrakranielle Gefäßveränderungen und die andere Hälfte intrakranielle Gefäßveränderungen hatten. Der Anteil der Patienten, der den primären Endpunkt nach sechs Monaten erreichte, betrug 73% mit niedermolekularem Heparin und 69% mit Acetylsalicylsäure. Dies entspricht einer absoluten Risikoreduktion von 4%, die statistisch nicht signifikant war (95%-Konfidenzintervall 5–13).
In den sekundären Auswertungen ergab sich lediglich für die modifizierte Rankin-Skala (=Beurteilung der Behinderung), geteilt bei 0 bis 1 (0=keine Symptome; 1=ohne signifikante Behinderung), eine signifikante Überlegenheit des niedermolekularen Heparins gegenüber Acetylsalicylsäure.
Für alle anderen sekundären Endpunkte ergaben sich keine Unterschiede. Dies betrifft auch die Häufigkeit eines Progressive Stroke (d.h. eines frühen Hirninfarkts, der sich innerhalb der ersten 72 Stunden verschlechtert), erneuter ischämischer Insulte und der Sterblichkeit. Insgesamt kam es nur zu zwei symptomatischen zerebralen Blutungen in der Acetylsalicylsäure-Gruppe und einer in der Gruppe mit Nadroparin.
Kommentar
Mit dieser großen Studie, die mit chinesischen Patienten durchgeführt wurde, wird nun wohl letztendlich der Beweis geführt, dass die gerinnungshemmende Wirkung von niedermolekularem Heparin nicht besser ist als die bei Gabe von Acetylsalicylsäure. Dies gilt, wie hier belegt, auch für Patienten mit intra- und extrakraniellen Stenosen der hirnversorgenden Arterien. Wie in einer chinesischen Population zu erwarten, hat diese Patientengruppe einen höheren Anteil an intrakraniellen Stenosen als Europäer oder Amerikaner. Die Studie war zu klein, um signifikante Unterschiede bei tiefen Beinvenenthrombosen oder zerebralen Blutungskomplikationen aufzuzeigen. Für die klinische Praxis bedeutet dies aber, dass nach wie vor niedermolekulare Heparine nur in Dosierungen gegeben werden, in denen sie tiefe Beinvenenthrombosen verhindern. Ansonsten bleibt die Standardtherapie nach ischämischem Insult die Gabe von Acetylsalicylsäure.
Quelle
Wong KS, et al. for the FISS-tris study Investigators. Low-molecular-weight heparin compared with aspirin for the treatment of acute ischaemic stroke in Asian patients with large artery occlusive disease: a randomised study. Lancet Neurology 2007;6:407–13.
Psychopharmakotherapie 2007; 14(06)