Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Individuelle Therapie mit Methylphenidat- Retardpräparaten


Ulla Satzger, Ostfildern

Die verfügbaren Methylphenidat-(MPH-)Retardpräparate unterscheiden sich im Tagesprofil ihrer Wirkung. Das ermöglicht eine individualisierte Präparateauswahl, wie Dr. Klaus Skrodzki, Forchheim, im Rahmen eines Satellitensymposiums der UCB Pharma erläuterte.

Methylphenidat (MPH) wird bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) mittlerweile seit mehr als 50 Jahren eingesetzt. Neben MPH-IR (Immediate Release) sind in Deutschland mittlerweile vier langwirksame Methylphenidat-Präparate (MPH-ER, Extended Release) und Atomoxetin zur Behandlung von ADHS zugelassen. Das Methylphenidat-Präparat kann in Abhängigkeit vom jeweiligen pharmakokinetischen Profil individuell für jedes Kind ausgewählt werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche Probleme das Kind im Tagesverlauf hat. In einem gemeinsamen Gespräch mit den Eltern sollte geklärt werden, zu welchen Tageszeiten und bei welchen Problemen das Kind medikamentöse Unterstützung benötigt. Während bei dem einen Kind die ADHS-Symptome bereits am frühen Morgen Probleme bereiten, dominieren bei anderen die Schwierigkeiten in der Schule. Bei manchen Kindern sind die Symptome noch bis in den Abend stark ausgeprägt. Vor Beginn der medikamentösen Therapie sollten Zielgrößen definiert und dann in regelmäßigen Abständen mit den Eltern besprochen werden, ob beziehungsweise was sich in welchem Maß verändert hat.

Die einzelnen Präparate unterscheiden sich durch ihren Anteil an sofort und verzögert freigesetztem Methylphenidat. Während Medikinet® retard und Ritalin LA® (seit Ende August zugelassen) schnell und verzögert freigesetztes Methylphenidat im Verhältnis 50:50 enthalten, beträgt die Relation von MPH-IR zu MPH-ER bei Equasym® retard 30:70 und bei Concerta® 22:78. Je höher der Anteil an MPH-IR, desto stärker die Wirkung am Vormittag. Je höher dagegen der Anteil an MPH-ER, desto länger hält die Wirkung an.

Da die Wirkungsstärke und -dauer von Equasym® retard und Ritalin LA® unabhängig von einer Mahlzeit sind, eignen sich diese Präparate auch für Kinder, die möglicherweise nicht jeden Tag regelmäßig und ausreichend frühstücken. Bei Medikinet® retard ist dagegen aufgrund der spezifischen Galenik nur dann eine ausreichend lange Wirkungsdauer gewährleistet, wenn die Einnahme durch eine Mahlzeit begleitet wird. Concerta®, das 22% MPH-IR enthält, hat nach Erfahrung von Skrodzki am Morgen eine vergleichsweise geringe Wirkstärke. Bei ausgeprägteren ADHS-Symptomen am Vormittag kann deshalb eine begleitende Gabe von MPH-IR erforderlich sein. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Concerta®-Kapseln im Unterschied zu Equasym® retard und Ritalin LA® nicht zu öffnen sind und der Inhalt der Kapseln nicht gesondert eingenommen werden kann. Bei Kindern, die keine Kapseln schlucken wollen oder können, kann dies Probleme bereiten. Unterschiedlich ist auch die Verträglichkeit im Tagesverlauf. Bei sehr langer Wirkungsdauer ist das Risiko von Appetitmangel am Abend und Schlafstörungen höher als bei MPH-Präparaten mit einer kürzeren Wirkungsdauer.

Atomoxetin ist laut Skrodzki bei Kindern mit ADHS und komorbider Angst- oder Ticstörung ein Mittel der ersten Wahl.

Quelle

Dr. Klaus Skrodzki, Forchheim, Satellitensymposium „ADHS – Herausforderungen für die Praxis“, veranstaltet von UCB Pharma im Rahmen der 103. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Nürnberg, 15. September 2007.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(06)