Schizophrenie

Rezidivprophylaxe mit Paliperidon ER


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Das atypische Antipsychotikum Paliperidon in einer oralen Formulierung mit verzögerter Freisetzung (extended release, ER) kann mit Erfolg in der Rezidivprophylaxe bei Schizophrenie eingesetzt werden. Ergebnisse einer entsprechenden Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie und weitere neue Daten zur Wirkung von Paliperidon wurden bei zwei Presseworkshops der Firma Janssen-Cilag vorgestellt.

Die Wirksamkeit von Paliperidon ER bei akuten Episoden einer Schizophrenie wurde in drei 6-wöchigen randomisierten, Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudien nachgewiesen (s. Psychopharmakotherapie 2006;13:265–7). Neben einer signifikanten Besserung der klinischen Symptomatik über den untersuchten Dosisbereich von 3 bis 15 mg/d wurde dabei auch eine Verbesserung des persönlichen und sozialen Funktionsniveaus (PSP-Skala) erreicht.

Die rezidivprophylaktische Wirksamkeit von Paliperidon ER in der Erhaltungstherapie wurde in einer Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie untersucht. In die Studie wurden zunächst 530 Patienten in einer akuten Episode einer (seit mindestens einem Jahr bestehenden) Schizophrenie aufgenommen. Unter stationären Bedingungen wurden sie offen auf Paliperidon ER in einer Dosis zwischen 3 und 15 mg/d eingestellt (ausgehend von 9 mg/d). Diese Run-in-Phase dauerte 8 Wochen. Wenn die Patienten unter einer Dosis mindestens zwei Wochen stabil blieben, wurden sie anschließend mit dieser Dosis für sechs Wochen ambulant weiterbehandelt (Stabilisierungsphase). Dann erfolgte zum Nachweis der rezidivprophylaktischen Wirkung die Randomisierung für die Doppelblindphase, in der die Patienten entweder weiter Paliperidon in flexibler Dosierung oder Plazebo einnahmen. Diese Phase dauerte gemäß Studienprotokoll bis zu 24 Wochen nach Randomisierung des letzten Teilnehmers oder bis zum 86. Rückfall, mit einer geplanten Zwischenanalyse nach dem 43. Rückfall.

Bereits bei der Zwischenanalyse war die rückfallprophylaktische Wirkung von Paliperidon ER eindeutig; die ersten 43 Rückfälle betrafen 29 von 55 (53%) Plazebo-behandelten Patienten, aber nur 14 von 56 (25%) Paliperidon-behandelten Patienten. Nach Auswertung dieser 43 Fälle wurde die Doppelblindstudie abgebrochen (etwa dreieinhalb Monate nach Registrierung des 43. Rückfalls); die Intention-to-treat-Analyse für alle 205 bis zu diesem Zeitpunkt randomisierten Patienten bestätigte den Unterschied zugunsten von Paliperidon ER (Abb. 1).

Abb. 1. Rezidivprophylaxe mit Paliperidon ER (n=104) oder Plazebo (n=101) nach erfolgreicher Stabilisierung mit Paliperidon ER (Kaplan-Meier-Analyse; Intention-to-treat-Population) [Kramer et al. 2007]

Der mittlere PANSS-Wert (Positive and negative syndrome scale), der während der offenen Vorbehandlung ausgehend von 92,1 Punkten um durchschnittlich 40 Punkte gesunken war, stieg unter der doppelblinden Plazebo-Behandlung ausgehend von 53,4 Punkten um durchschnittlich 15,1 Punkte. In der Paliperidon-Gruppe kam es in Übereinstimmung mit der geringeren Rückfallrate nur zu einem geringen Anstieg des mittleren PANSS-Werts, nämlich um 6,0 Punkte, ausgehend von 51,0 Punkten (p≤0,003 für den Vergleich Paliperidon vs. Plazebo). Weitere sekundäre Wirksamkeitsparameter änderten sich entsprechend (Tab. 1). Die mittlere Paliperidon-Dosis während der Doppelblindphase betrug 10,8 mg/d.

Tab. 1. Sekundäre Endpunkte bei der Rückfallprophylaxe mit Paliperidon ER (Doppelblindphase; Intention-to-treat-Analyse); * p≤0,003, # p=0,04 vs. Plazebo [nach Kramer et al.]

Parameter

Plazebo

(n=101)

Paliperidon

(n=104)

CGI-S (Median)

–Baseline

–Veränderung

3,0

1,0

3,0

0,0*

Personal and Social Performance Scale –Baseline

–Veränderung

72,6

–8,0

70,8

–3,0*

Schizophrenia Quality-of-Life Scale

–Baseline

–Veränderung

29,9

6,1

29,7

2,0#

Schlafqualität (visuelle Analogskala)

–Baseline

–Veränderung

78,3

–15,3

76,4

–6,4*

Tagesschläfrigkeit (visuelle Analogskala)

–Baseline

–Veränderung

19,5

1,8

21,7

–0,6

Die Patienten konnten anschließend an einer offenen Verlängerungsphase mit Paliperidon-Behandlung teilnehmen.

Direkter Effekt auf die Negativsymptomatik

In einer Subgruppenanalyse der Kurzzeitstudien wurde inzwischen gezeigt, dass Paliperidon eine Eigenwirkung auf Negativsymptome der Schizophrenie hat. Für die Analyse wurden die Daten von Patienten mit vorherrschender Negativsymptomatik herangezogen; als solche galten Patienten, deren PANSS-Wert zu Beginn mindestens 40% des maximalen Negativ-Subscores, aber andererseits weniger als 40% des maximalen Positiv-Subscores beinhaltete. Das traf auf 195 Patienten mit Paliperidon- und 75 Patienten mit Plazebo-Behandlung zu. Ihr Negativ-Subscore sank unter der Behandlung von etwa 27 Punkten (Ausgangswert) um durchschnittlich 5,3 Punkte mit Paliperidon und um 2,8 Punkte mit Plazebo. Der Positiv-Subscore sank von etwa 24 Punkten um 4,2 bzw. 1,0 Punkte. Eine Pfadanalyse ergab, dass die Besserung der Negativsymptomatik zu 33% auf einen direkten Effekt von Paliperidon zurückzuführen war, zu zwei Dritteln auf indirekte Effekte (v.a. Besserung der Positivsymptomatik).

Perspektiven

Paliperidon ER hat sich im Vergleich mit Plazebo in Kurz- und Langzeitstudien als wirksames Antipsychotikum erwiesen. Daten zur Wirkungsstärke im Vergleich mit anderen Antipsychotika liegen noch nicht vor.

In den USA wurde Paliperidon ER im Dezember 2006 zur Behandlung der Schizophrenie zugelassen und ist seit Anfang 2007 verfügbar (InvegaTM). Die europäische Zulassung wurde am 25. Juni 2007 erteilt.

In derzeit laufenden Studien werden unter anderem der Einsatz von Paliperidon ER bei Bipolarstörungen, bei schizoaffektiven Störungen und im Vergleich mit Quetiapin bei akut erkrankten Schizophreniepatienten sowie der Einsatz einer Depotformulierung (4-Wochen-Depot) untersucht.

Quellen

Dr. Andreas Schreiner, Neuss, Presse-Roundtable „Paliperidon ER: Antwort auf steigende Anforderungen an Antipsychotika in der Schizophrenietherapie“, veranstaltet von Janssen-Cilag im Rahmen des DGPPN-Kongresses, Berlin, 23. November 2006.

Prof. Dr. Hans-Peter Volz, Werneck, Ludger Hargarter, Neuss, Presseworkshop „Innovationen in der medikamentösen Therapie der Schizophrenie: Welche Rolle wird Paliperidon ER spielen?“, Frankfurt/M., 13. Februar 2007, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH.

Kramer M, et al. Paliperidone extended-release tablets for prevention of symptom recurrence in patients with schizophrenia. J Clin Psychopharmacol 2007;27:6–14.

www.ClinicalTrials.gov

Psychopharmakotherapie 2007; 14(04)