Dieter Naber, Martin Lambert, Hamburg, Gerd Laux, Wasserburg, und Hans-Jürgen Möller, München
Die Ansprüche an das Gesundheitssystem sind in den letzten Jahren generell gewachsen. Dies gilt auch für den Bereich der Schizophrenie: Mit der Entwicklung neuer Therapeutika wie atypischer Antipsychotika oder moderner Depotpräparate sind die Erwartungen der Betroffenen sowie ihrer Angehörigen und Bezugspersonen an die medikamentöse Behandlung erheblich gestiegen. So brachte eine Untersuchung, in deren Rahmen 565 schizophrene Patienten zu diesem Thema befragt wurden, folgende Ergebnisse [2]: Eine Linderung der Symptomatik, die „Response“, gilt zwar nach wie vor als wichtiges Kriterium für eine erfolgreiche antipsychotische Behandlung, reicht aber aus Sicht der Betroffenen nicht aus. Zusätzlich sollte die Therapie sich positiv auf die Lebensqualität auswirken, das bedeutet, die soziale Integration im Hinblick auf Kontaktfähigkeit, Familie, Arbeit, gesellschaftliche Akzeptanz und Freizeitaktivitäten erleichtern. Darüber hinaus erwarten die Patienten, dass die Medikation gut vertragen wird, also Nebenwirkungen wie extrapyramidal-motorische Störungen (EPMS), (Tages-) Müdigkeit, Gewichtszunahme, affektive und kognitive Beeinträchtigungen oder sexuelle Funktionsstörungen nicht oder nur in geringem Maße auftreten. Zudem sollte die Therapie möglichst einfach zu handhaben sein. Bestätigt werden diese Ergebnisse durch die aktuelle Harris-Befragung von 139 an Schizophrenie erkrankten Mitgliedern eines Online-Forums [3]. Diese bezeichneten zu 98% die „Fähigkeit, klar zu denken“ sowie die „Steigerung des alltäglichen Funktionsniveaus, beispielsweise beim Einkaufen oder Arbeiten“ als Kriterien für eine erfolgreiche Behandlung. Beinahe genau so viele Patienten, nämlich 97%, nannten die „Vermeidung von Nebenwirkungen wie Sedierung, Muskelzittern und Gewichtszunahme“, und 96% erwarteten von ihrer Therapie die „Linderung oder Kontrolle depressiver Symptome“ – ein Faktor, der eng mit der Lebensqualität verbunden ist. Auch die Befragung der Patienten in der CATIE-Studie erbrachte ähnliche Ergebnisse [15]: Innerhalb von sechs relevanten Domänen war die Reduktion der kognitiven Symptome das primäre Ziel, gefolgt von einer Verbesserung der Negativ- und Positivsymptomatik und der sozialen Bedingungen. Erst am Ende aufgeführt war der Wunsch nach weniger Nebenwirkungen, was vielleicht die bessere Verträglichkeit der neuen Atypika widerspiegelt.
Moderne Antipsychotika sollen somit die schizophrene Symptomatik möglichst so weit reduzieren, dass Alltagsfunktionen nicht mehr beeinträchtigt werden, die Chancen auf eine berufliche Wiedereingliederung erhöht werden und sich die Lebensqualität der Patienten verbessert. Damit tritt die Remission als ein Hauptziel der Schizophrenietherapie in den Vordergrund – soziale und berufliche Rehabilitation und Reintegration des Patienten werden langfristig zu einem maßgeblichen Bestandteil der Behandlung. Das heißt, es gilt den höchstmöglichen Grad an sozialem und beruflichem Funktionsniveau sowie an subjektiv empfundenem Wohlbefinden zu erreichen [8]. Um Therapien diesbezüglich valide beurteilen und verschiedene Behandlungsmaßnahmen reliabel miteinander vergleichen zu können, ist es notwendig, standardisierte Kriterien zu entwickeln, die es erlauben, eine Remission der Schizophrenie anhand der Symptomkontrolle unter Berücksichtigung der Zeitachse zu definieren. Dass dies möglich und sinnvoll ist, zeigen entsprechende Entwicklungen bei anderen psychischen Krankheiten wie Depression oder Angsterkrankungen, für die bereits symptomatische Kriterien formuliert und etabliert wurden.
Einteilung von Outcome-Parametern und geeignete Messinstrumente
Der wachsende Anspruch, den Schizophreniepatienten an eine moderne Behandlung stellen, und die damit verbundene Ausweitung der therapeutischen Ziele machen es also unabdingbar, ein adäquates Remissionskonzept zu entwickeln. Grundlage hierfür ist eine umfassende Bewertung des Therapieerfolgs, was wiederum voraussetzt, dass alle Kriterien einbezogen werden, die für die Patienten von Relevanz sind. Diese Outcome-Parameter lassen sich gemäß der „Consensus Conference of Schizophrenia Researchers to consider the components of clinical effectiveness in real world practice“ in vier „OutcomeDomänen“ unterteilen [14]:
l Krankheitssymptomatik (Positiv- und Negativsymptome, kognitive Dysfunktion, affektive Symptome und Angstsymptome)
l Behandlungsbedingte Belastungen (extrapyramidal-motorische Störungen sowie sonstige Nebenwirkungen und ihre Folgen)
l Krankheitsbedingte Belastungen (Belastungen für Patienten, Familie, Pflegekräfte, Gesundheitssystem, Gesellschaft)
l Allgemeiner gesundheitlicher Zustand (körperliche Gesundheit, Funktionsfähigkeit hinsichtlich Ausbildung und Beruf, Lebensqualität, Selbstständigkeit in der Lebensführung, soziale Integration)
In einem erweiterten System werden alternativ hierzu sechs Kategorien zur Einteilung von Outcome-Parametern vorgeschlagen, durch deren Messung sich der Gesamterfolg einer Therapie bestimmen lässt [13]:
l Krankheitssymptomatik (Positiv- und Negativsymptome, Kognition affektive Symptome)
l Behandlungsbedingte Belastungen (Nebenwirkungen wie extrapyramidal-motorische Störungen, Sedierung, Gewichtszunahme und ihre Folgen)
l Funktionsfähigkeit im Alltag (z.B. soziale Reintegration, Unabhängigkeit in der Lebensführung, Beziehungsfähigkeit, Gesundheit und Sicherheit)
l Subjektiv wahrgenommene Lebensqualität (Selbstbeurteilung der Patienten, was ihre Befindlichkeit betrifft; beinhaltet physische, emotionale, mentale, soziale und verhaltensbezogene Komponenten)
l Krankheitsbedingte Belastung von Familie und Beruf (beeinflusst durch kognitive Funktionsfähigkeit, Stigmatisierung, finanzielle Probleme, Verfügbarkeit eines unterstützenden Netzwerks)
l Compliance (Therapietreue auf Grundlage einer therapeutischen Allianz zwischen Arzt und Patient; setzt unter anderem kognitive Funktionsfähigkeit voraus)
Die zur Quantifizierung der Outcome-Parameter erforderlichen Messinstrumente müssen einerseits zuverlässig, andererseits aber auch standardisiert und einfach in der Anwendung sein. Bislang sind jedoch lediglich der psychopathologische Zustand über die Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) bzw. die Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) sowie das Nebenwirkungsprofil, vor allem was die EPMS betrifft, gut abbildbar. Für die übrigen Parameter fehlen bisher – trotz langjähriger intensiver Diskussionen – allgemein anerkannte Bewertungsstandards. Eine Etablierung geeigneter Instrumente ist daher notwendig, um den Therapieverlauf nach Remissionskriterien rational beurteilen und eine Entscheidung darüber treffen zu können, was in welchem Stadium der Krankheit zu tun ist. Gute Ansätze hierfür bieten die Global Assessment of Functioning Scale (GAF-Skala), die Personal and Social Performance Scale (PSP-Skala) sowie die International Classification of Functioning Scale (ICF-Skala) zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit. Die WHO Quality of Life Scale (WHO-QoL-Skala) und die Subjective Well-being under Neuroleptics Scale (SWN-Skala) sind mögliche Messinstrumente, um die Lebensqualität oder die subjektive Befindlichkeit der Patienten zu bewerten.
Neben der Erfassung patientenrelevanter Outcome-Parameter – gefordert unter anderem von den Betroffenen und auch vom 2004 gegründeten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – spielt auch die Wahl des Studiensettings eine wichtige Rolle bei der Bewertung einer Therapie: Durch randomisierte klinische Studien mit homogener Patientenpopulation und detaillierter Messung des Outcomes, wie sie bei der Zulassung von Medikamenten vorgeschrieben sind, kann die Wirksamkeit einer Behandlung (sog. Efficacy) bestimmt werden. Bei der Bewertung einer Therapie sollte jedoch der Behandlungserfolg unter den Bedingungen des klinischen Alltags (sog. Effectiveness) berücksichtigt werden. Es ist daher wichtig, neben kontrollierten Zulassungsstudien zusätzlich offene, praxisorientierte Untersuchungen durchzuführen. In diese können größere und heterogene Patientenpopulationen einbezogen werden, die in kontrollierten Studien aufgrund von Komorbidität oder Therapieresistenz ausgeschlossen würden.
Konzepte zur Definition der Remission
Die Quantifizierung von patientenorientierten Outcome-Parametern anhand geeigneter Messskalen bildet die Basis für die Bewertung des Behandlungserfolgs. Eine fundierte Beurteilung, ob das Ziel der Remission im Verlauf einer Schizophrenietherapie tatsächlich erreicht wurde, ist jedoch nur möglich, wenn ein detailliertes Remissionskonzept vorliegt. Hier werden aktuell zwei Ansätze diskutiert, die eine unterschiedliche Definition des Begriffs „Remission“ beinhalten.
Remissionskonzept der Global Expert Working Group
Diese Expertengruppe erarbeitete auf der Grundlage historischer Konstrukte ein Zweiphasen-Modell, das in der ersten Stufe die symptomorientierte Remission umfasst [1]: Für deren Beurteilung sind die drei Symptomeinheiten der Schizophrenie – Negativsymptomatik, formale Denkstörungen, psychotische Symptomatik – und deren Entwicklung über einen längeren Zeitraum maßgeblich. Wird demnach für die acht PANSS-Items (Wahn, Halluzinationen, ungewöhnliche Denkinhalte, formale Denkstörung, Manierismen, Affektverflachung, sozialer Rückzug, mangelnde Spontaneität und Flüssigkeit der Sprache) ein Score von jeweils höchstens 3 Punkten gemessen und kann dieser Zustand über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten aufrechterhalten werden, dann befindet sich der Patient in Remission – die Diagnose „Schizophrenie“ würde zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gestellt werden (Abb. 1).
Abb. 1. Definition der Remission nach dem Konzept der Global Expert Working Group [nach 1]
Die alleinige Symptomremission als Kriterium kann jedoch unzureichend sein, um die Qualität einer Therapie umfassend zu beurteilen. Daher bezog die Expertengruppe eine zweite, darauf aufbauende Stufe – die Recovery – in ihr Konzept ein. Diese berücksichtigt neben der symptomatischen Verbesserung die berufliche und soziale Funktionalität der Patienten sowie deren Fähigkeit zum selbstständigen Leben und bewertet somit letztlich auch den Aspekt der Lebensqualität. Um das Therapieziel Recovery zu erreichen, wurden folgende Bedingungen als Voraussetzung definiert [9]:
l Der Score auf der BPRS beträgt maximal 4 Punkte, und zwar sowohl für die Positiv- als auch die Negativsymptomatik.
l Der Patient übt mindestens eine 50%ige Teilzeitarbeit aus oder weist eine entsprechende Schul- bzw. Ausbildungszeit vor.
l Der Patient ist zur unabhängigen Kontrolle seiner Medikation sowie seiner Finanzen fähig.
l Mindestens einmal in der Woche trifft sich der Patient mit Freunden oder Bekannten.
Wird jedes dieser Kriterien über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren erfüllt, dann liegt bei dem Schizophreniekranken Recovery vor. Hierbei handelt es sich um ein sehr hochgestecktes Ziel, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt [9]. In deren Verlauf wurde der gesundheitliche Zustand von 118 Patienten, die eine schizophrene Erstmanifestation aufwiesen und deswegen eine Standardtherapie erhielten, über einen Zeitraum von fünf Jahren beobachtet. Die Auswertung ergab, dass nach drei Jahren lediglich 10% die Kriterien für eine Recovery erfüllten. Nach vier Jahren waren es 12% und nach fünf Jahren 14%. Darüber hinaus stellten die behandelnden Ärzte fest, dass eine gute kognitive Funktionsfähigkeit sowie eine kurze Krankheitsdauer positiv mit dem Behandlungsziel Recovery korrelierten.
Remissionskonzept in der SOHO-Studie
Einen anderen Ansatz zur Definition der Remission wählten die Autoren der SOHO(Schizophrenia outpatient health outcomes)-Studie – eine Untersuchung, in deren Rahmen 2960 schizophrene Patienten langfristig mit unterschiedlichen konventionellen und modernen Antipsychotika behandelt wurden [7]. Als Kriterium für den Therapieerfolg galt dabei die „komplette Remission“, eine Kombination aus:
l Symptomatischer Remission: Der Patient erreicht einen Gesamtscore von ≤3 Punkten sowie Subscores von ≤3 Punkten für positive, negative und kognitive Symptome jeweils gemäß der „Clinical Global Impression-Severity Scale“ (CGI-S-Skala).
l Funktioneller Remission: Der Patient geht einer Arbeit nach (Voll- oder Teilzeit, Student oder Haushaltsführung), besitzt die Fähigkeit zum unabhängigen Leben (lebt allein, mit Partner oder Freunden) und trifft sich mindestens zweimal im Monat mit Freunden oder Bekannten (oder lebt in Partnerschaft).
l Remission subjektiver Lebensqualität: Patient erreicht einen Score von ≥80 Punkten auf der Subjective Well-being under Neuroleptics Scale in Kurzform (SWN-K-Skala, Messbereich: 20 bis 120 Punkte) und zeigt damit eine gute subjektive Befindlichkeit an.
Wird jede dieser drei Bedingungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachweislich erfüllt, dann liegt gemäß der in der SOHO-Studie verwendeten Definition eine komplette Remission vor. Die Auswertung der Studiendaten unter Berücksichtigung aller therapeutischen Optionen ergab, dass nach 24-monatiger Dauer der Behandlung über 47% der Patienten eine symptomatische Remission, fast 30% ein adäquates Funktionsniveau und gut 42% eine subjektiv zufrieden stellende Lebensqualität aufwiesen. Nur 13% jedoch erfüllten alle drei Kriterien, zeigten also eine komplette Remission (Abb. 2). Dies bedeutet einerseits, dass es sich hierbei um ein anspruchsvolles Therapieziel handelt, das sehr viel mehr beinhaltet als eine reine Verbesserung der Symptomatik, weist aber auch darauf hin, dass die drei Teilaspekte symptomatische und funktionelle Remission sowie subjektiv wahrgenommene Lebensqualität nur bedingt miteinander korrelieren. Dies konnte auch in Detailanalysen der SOHO-Studie bestätigt werden. So wiesen immerhin fast 13% der Patienten eine symptomatische Remission auf, ohne in den beiden anderen Bereichen eine entscheidende Verbesserung zu erreichen. Andererseits zeigten 7% der Patienten eine gute subjektive Befindlichkeit und erfüllten auch die entsprechenden Remissionskriterien, befanden sich gleichzeitig aber definitionsgemäß weder in einer symptomatischen noch funktionellen Remission.
Abb. 2. Remissionsraten von insgesamt 2960 schizophrenen Patienten gemäß den Kriterien der SOHO-Studie. Nach 24-monatiger antipsychotischer Therapie wiesen knapp 50% der Patienten eine symptomatische Remission, fast 30% ein adäquates Funktionsniveau und gut 42% eine subjektiv zufriedenstellende Lebensqualität auf. Nur 13% zeigten jedoch eine komplette Remission [nach 7].
Die von den schizophrenen Patienten subjektiv empfundene Lebensqualität wird also nur bedingt durch Verbesserungen der Symptomatik beeinflusst, wie auch andere Untersuchungen belegen. So fanden die meisten jüngeren Studien keine signifikante Beziehung zwischen objektiver oder subjektiver Beurteilung der Lebensqualität einerseits und der Positivsymptomatik andererseits. Ein mäßiger Zusammenhang konnte mit der Negativsymptomatik nachgewiesen werden; die stärkste Korrelation bestand zu depressiven Symptomen [6, 12]. Berufsfähigkeit bzw. -tätigkeit korreliert positiv mit der Lebensqualität schizophrener Patienten. Hierbei gelten die kognitiven Faktoren visuelles Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis und optische Aufmerksamkeit bzw. Reaktionszeit als beste Prädiktoren für die berufliche Funktionsfähigkeit [4, 5].
Neue Messinstrumente zur Fremd- und Selbstbeurteilung von Therapieerfolgen
Derzeit besteht, wie bereits beschrieben, nur bezüglich der Krankheitssymptomatik sowie der extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen ein Konsens, welche Messinstrumente für die Beurteilung des Therapieerfolgs geeignet sind. Nichtsdestotrotz wurden in den letzten Jahren auch für die übrigen Kriterien der Remission, insbesondere was die Funktionalität und Lebensqualität betrifft, Skalen entwickelt, die entweder auf Grundlage des ärztlichen Urteils (Fremdbeurteilung bzw. Fremdrating) oder über die Bewertung durch die Patienten selbst (Selbstbeurteilung bzw. Selbstrating) eine rationale Einschätzung des Therapieverlaufs ermöglichen. Nachfolgend werden drei neue Beurteilungsinstrumente vorgestellt, die unterschiedliche Aspekte der Remission abdecken.
Fremdbeurteilungsinstrumente
Zur Bestimmung der persönlichen und sozialen Funktionsfähigkeit schizophrener Patienten wurde die Personal and Social Performance Scale (PSP-Skala) entwickelt, die mittels Fragebogen folgende Teilbereiche bewertet [11]:
l Sozial sinnvolle Aktivitäten inklusive Arbeit bzw. Ausbildung
l Persönliche und gesellschaftliche Beziehungen
l Selbstversorgung
l Störendes und aggressives Verhalten
Mithilfe der PSP-Skala kann der behandelnde Arzt gezielt und schnell eine Befragung zur Funktionalität durchführen und aufgrund der feinen Abstufung und präzisen Anweisungen den Erfolg einer Therapie zuverlässig beurteilen.
Zur Bewertung der sozialen und kognitiven Fähigkeit bei psychischen Erkrankungen wurde das Mini-ICF-Rating für psychische Störungen (Mini-ICF-P) formuliert, das folgende zwölf Teilbereiche beinhaltet [10]:
1. Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen
2. Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben
3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit
4. Fachliche Kompetenz
5. Durchhaltefähigkeit
6. Selbstbehauptungsfähigkeit
7. Kontaktfähigkeit zu Dritten
8. Gruppenfähigkeit
9. Fähigkeit zu familiären bzw. intimen Beziehungen
10. Fähigkeit zu außerberuflichen Aktivitäten
11. Fähigkeit zur Selbstversorgung
12. Wegefähigkeit
Das Mini-ICF-P erlaubt, in der klinischen Praxis wesentliche Elemente von Fähigkeitsstörungen in kurzer Form zu erfassen und auf einer fünfstufigen Skala (0 = keine bis 4 = vollständige Beeinträchtigung) zu quantifizieren.
Selbstbeurteilungsinstrumente
Derzeit besteht noch wenig Konsens, mit welchen Messinstrumenten die relevanten Aspekte der subjektiven Lebensqualität reliabel bestimmt werden können. Einen möglichen Ansatz bietet die Subjective Well-being under Neuroleptics Scale (SWN-Skala) [13]. Diese erlaubt eine validierte und sensitive Erfassung der subjektiven Befindlichkeit anhand von 20 Items, die beispielsweise Einschränkungen von Emotionalität, Klarheit des Denkens und Spontaneität sowie das Körpergefühl der Betroffenen ansprechen. Die Skala ist gut praktikabel, sie kann in 5 bis 10 Minuten von 90 bis 95% der Patienten zuverlässig ausgefüllt werden.
Fazit und Ausblick
Es ist sinnvoll und letztlich unabdingbar, die Zielkriterien, die als Maßstab für die Bewertung einer Schizophrenietherapie angelegt werden, weiterzuentwickeln. Nur so ist es möglich, den steigenden Anforderungen der Patienten und deren Angehörigen gerecht zu werden.
In Zukunft sollte also die Remission, die nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen der antipsychotischen Therapie auf die Symptomatik beurteilt, sondern auch den langfristigen therapeutischen Effekt umfassend bewertet, als neu definiertes Ziel bei der Behandlung schizophrener Patienten eine entscheidende Rolle spielen und systematisch erfasst werden. Bisher existiert jedoch kein Konsens über die Definition, sondern es werden unterschiedliche Konzeptionsansätze diskutiert (Abb. 3): Nach Festlegung der Global Expert Working Group umfasst der Begriff der Remission bisher lediglich die symptomatische Remission über einen längeren Zeitraum. Funktionelle Verbesserungen werden dagegen dem auf der Remission aufbauenden Therapieziel der Recovery zugeordnet. Dieses Konzept könnte dahingehend missverstanden werden, dass erst nach deutlicher und länger andauernder Reduktion der Symptome eine Erweiterung der Therapieziele auf das „functional outcome“ mit Einbeziehung der Patientenperspektive sinnvoll ist. Zahlreiche Studien (z.B. [7]) zeigen aber, dass symptomatische, funktionelle und subjektive Besserung nur bedingt miteinander korrelieren. Daher wurden innerhalb der Kriterien der SOHO-Studie nicht nur die symptomatische, sondern auch die funktionelle Remission sowie die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität in die Definition der Remission einbezogen. Alle drei Komponenten müssen frühzeitig bei der Bestimmung des Therapieerfolgs berücksichtigt werden.
Abb. 3. Remissionskonzepte im Vergleich. Laut Definition der Global Expert Working Group umfasst der Begriff „Remission“ die symptomatische Verbesserung über einen längeren Zeitraum und ordnet funktionelle Verbesserungen dem Therapieziel der Recovery zu. Demgegenüber bezieht das in der SOHO-Studie verwendete Konzept nicht nur die symptomatischen, sondern auch die funktionellen Verbesserungen sowie die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität in die Definition der Remission mit ein.
Beiden Konzepten ist gemeinsam, dass die symptomatische Remission, also die nachhaltige Verbesserung des psychopathologischen Zustands, eine wichtige Rolle spielt. Ob darüber hinausgehende Aspekte wie die Erhöhung der Funktionalität oder der Lebensqualität noch unter den Begriff Remission fallen sollten oder ein weitergehendes Therapieziel, z.B. Recovery, darstellen, wird zurzeit noch diskutiert.
Unabhängig davon, welches Konzept der behandelnde Arzt verfolgt und welche Messinstrumente er einsetzt, ist es von großer Bedeutung, dass die Therapieziele Remission bzw. Recovery möglichst frühzeitig im Krankheitsverlauf Beachtung finden, da die Symptomreduktion nicht oder nur mäßig mit der Funktionalität und dem subjektiven Wohlbefinden korreliert und somit auch keine ausreichende Basis für deren Verbesserung bildet. Daher sollten schon während der Akuttherapie und nicht erst in der Langzeitbehandlung oder gar im Verlauf der Rehabilitation neben der Linderung der Symptomatik auch eine Verbesserung von Funktionsfähigkeit und Lebensqualität angestrebt werden.
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11. Morosini PL, Magliano L, Brambilla L, Ugolini S, et al. Development, reliability and acceptability of a new version of the DSM-IV Social and Occupational Functioning Assessment Scale (SOFAS) to assess routine social functioning. Acta Psychiatr Scand 2000;101:323–9.
12. Naber D, Karow A, Lambert M. Psychosocial outcomes in patients with schizophrenia: quality of life and reintegration. Curr Opin Psychiatry 2002;15:31–6.
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15. Rosenheck R, Stroup S, Keefe RS, McEvoy J, et al. Measuring outcome priorities and preferences in people with schizophrenia. Br J Psychiatry 2005;187:529–3.
Prof. Dieter Naber, Priv.-Doz. Dr. Martin Lambert, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Hamburg, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, E-Mail: naber@uke.uni-hamburg.de
Prof. Dr. med. Gerd Laux, Inn-Salzach-Klinikum, 83512 Wasserburg a. Inn Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, Psychiatrische Klinik und Poliklinik, Nussbaumstraße 7, 80336 München
Remission – patient-oriented criterion for lasting success of schizophrenia therapy
Schizophrenic patients and their relatives expect from their treatment not only a fast improvement of the symptomatology, but increasingly give factors such as functioning or social integration special emphasis evaluating the therapy success – inevitable aspects in achieving a job-related rehabilitation. In order to meet that, it is necessary and meaningful that the principal purpose of the schizophrenia therapy in the past – the reduction of symptoms or so called the response – in the future is supplemented by the criterion remission. For its definition two concepts can be consulted, which include long-term symptom control and in addition, patient-relevant outcome-parameters such as functionality and quality of life. In order to document and to judge these reliably a number of new measuring instruments have been developed in the last few years, which should now be established in practice.
Keywords: Functionality, quality of life, outcome-domain, remission, schizophrenia
Psychopharmakotherapie 2007; 14(04)