Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
Es gibt zahlreiche Hinweise, dass die Prävalenz von Sexualfunktionsstörungen bei depressiven Patienten höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Durch die psychopharmakologische Therapie werden die Probleme in der Regel nicht vermindert, sondern eher noch verstärkt. Das gilt besonders bei Einsatz von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder anderen die serotonerge Aktivität anregenden Substanzen wie Trizyklika oder Serotonin/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI). Da sich sexuelle Probleme auf alle Lebensbereiche nachteilig auswirken können, werden sie von den Betroffenen weniger toleriert als andere Nebenwirkungen und daher auch häufiger mit Non-Compliance quittiert.
Eine therapeutische Alternative ist Bupropion, das in den USA unter dem Handelsnamen WellbutrinTM schon seit langem zu den Antidepressiva der ersten Wahl gehört. In Deutschland war eine (On-Label-)Verordnung bisher nur zur Raucherentwöhnung (Zyban®) möglich. Seit April dieses Jahres steht der Wirkstoff als Elontril® in „XR-Galenik“ – mit verlängerter Freisetzung (extended release) zur täglichen Einmalgabe – auch zur Behandlung depressiver Patienten zur Verfügung. Das Wirkungsprofil von Bupropion unterscheidet sich von dem aller anderen Antidepressiva, denn es handelt sich um den bisher einzigen selektiven Noradrenalin/Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SNDRI). Das Fehlen der serotonergen Komponente wirkt sich positiv auf die Verträglichkeit aus. Vor allem ist nicht mit unerwünschten Einflüssen auf die Vigilanz, das Körpergewicht oder die Sexualfunktionen zu rechnen.
Vor dem Hintergrund eines potenziell ungünstigen Effekts der antidepressiven Therapie auf das Sexualleben der Patienten wurde diesem Aspekt im Bupropion- Forschungsprogramm durch Einsatz spezifischer psychometrischer Instrumente wie CSFQ (Changes in sexual functioning questionnaire) besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Metaanalyse von sieben Studien, in denen Bupropion mit den SSRI Fluoxetin, Sertralin und Paroxetin sowie Plazebo verglichen worden war (n=2030), lässt einen statistisch signifikanten Vorteil für den SNDRI erkennen (Abb. 1). Nahezu identische Ergebnisse zeigten Vergleiche von Bupropion mit Escitalopram oder dem SNRI Venlafaxin (Abb. 2).
Abb. 1. Inzidenz von Sexualfunktionsstörungen (CSFQ-Domänen) unter der Behandlung mit einem SSRI oder Bupropion SR (Slow Release) im Vergleich zu Plazebo [nach Thase et al., 2005]
Abb. 2. Veränderungen des CSFQ-Gesamtscores unter der Behandlung mit dem SNRI Venlafaxin XR (Extended Release) oder Bupropion XR (Extended Release); *p≤0,006 [nach Thase et al., 2006]
Dieser Vorteil bei der Verträglichkeit war in keiner der Studien mit einem Mangel an antidepressiver Wirksamkeit erkauft worden. In Hinblick auf die Verbesserung der Gesamtscores von HAMD (Hamilton rating scale for depression), CGI-I/S (Clinical global impression-Improvement/Severity of illness) oder HAD (Hospital anxiety and depression scale) sowie die Ansprech- und Remissionsraten gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Bupropion- und SSRI-/SNRI-Armen.
Quellen
Prof. Dr. med. Dr. rer.nat. Michael Bauer, Dresden, Prof. Dr. med. Dr. rer.nat. Ekkehard Haen, Regensburg, Pressekonferenz „Elontril®: Das einzige Antidepressivum, das auf Noradrenalin und Dopamin wirkt“, Hamburg, 12. März 2007, veranstaltet von GlaxoSmithKline.
Thase ME, et al. Remisson rates following antidepressant therapy with bupropion oder selective serotonin reuptake inhibitors: a meta-analysis of original data from 7 randomized controlled trials. J Clin Psychiatry 2005;66:974–81.
Clayton AH, et al. Bupropion extended release compared with escitalopram: effects on sexual functioning and antidepressant efficacy in 2 randomized, double-blind, placebo-controlled studies. J Clin Psychiatry 2006;67:736–46.
Thase ME, et al. A double-blind comparison between bupropion XL and venlafaxine XR. J Clin Psychopharmacol 2006;26:482–8.
Psychopharmakotherapie 2007; 14(04)