Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden zur Therapie des Parkinson-Syndroms zunächst anticholinerg wirkende Pflanzenextrakte, zum Beispiel von Atropa belladonna (Tollkirsche) und Hyoscyamus niger (Bilsenkraut) eingesetzt, später vor allem die isolierten Alkaloide (Atropin, Scopolamin) als wirksame Bestandteile der Pflanzenextrakte. Noch am Ende des Zweiten Weltkriegs war dies die vorherrschende Therapie. Ebenfalls seit dem 19. Jahrhundert verwandte man Extrakte aus Peganum harmala (Steppenraute) und der Liane Banisteria caapi und später die darin enthaltenen Alkaloide Harmin und Harmalin; diese wirken als Monoaminoxidase-(MAO-) Hemmer, was allerdings erst 1958 aufgeklärt wurde. In den 1950er Jahren wurden dann auch Antihistaminika wie Bamipin oder Chlorphenoxamin engesetzt.
Gegen das Dopamin-Defizit
Einen Durchbruch stellte die Einführung von Levodopa in den 1960er Jahren dar, mit dem nun statt der Hemmung des relativen cholinergen Überschusses eine Substitution des Dopamin-Mangels möglich wurde. Die Entwicklung der ergolinen und nicht-ergolinen Dopaminagonisten sowie der MAO-Hemmer und der Catechol-O-Methyltransferase-(COMT-)Hemmer erweiterte das Therapiespektrum.
Unter der Behandlung mit Levodopa kommt es vor allem bei jüngeren Patienten nach einigen Jahren zu motorischen Komplikationen (Dyskinesien, Wearing-off, On-off-Fluktuationen). Dieses Risiko ist geringer, wenn als Ersttherapie ein Dopaminagonist eingesetzt wird, wie zum Beispiel für Pramipexol (Sifrol®) im Vergleich mit Levodopa in der CALM-PD-Studie nachgewiesen wurde. Motorische Komplikationen lagen hier nach zwei Jahren bei 28% (Pramipexol) versus 51% (Levodopa) vor, nach vier Jahren bei 51% versus 74%.
Bei weiter fortgeschrittener Erkrankung können zur Beherrschung der motorischen Symptome invasive Verfahren erforderlich werden, um eine kontinuierliche dopaminerge Stimulation zu erreichen (Duodopa- oder Apomorphin-Pumpe oder tiefe Hirnstimulation).
Mit zunehmender Krankheitsdauer nehmen aber auch nichtmotorische Symptome an Bedeutung zu, zum Beispiel kognitive Defizite oder Depressionen. Zur Behandlung der Parkinson-Demenz ist der Butyrylcholinesterase-Hemmer Rivastigmin (Exelon®) zugelassen. Zur Behandlung von Depressionen im Rahmen der Parkinson-Krankheit können Antidepressiva eingesetzt werden, aber auch Pramipexol hat eine antidepressive Wirkkomponente. Das zeigte sich zum Beispiel in einer offenen multizentrischen Studie, in der depressive Parkinson-Patienten – noch ohne motorische Komplikationen – über 14 Wochen mit 1,5–4,5 mg/d Pramipexol oder mit 50 mg/d Sertralin (z.B. Zoloft®) behandelt wurden. Die Depressionsschwere gemäß Hamilton-Depressionsskala (HAMD) nahm in beiden Behandlungsgruppen deutlich ab, einen HAMD-Wert <8 erreichten sogar signifikant mehr Patienten mit Pramipexol-Behandlung.
Bei allen Therapiefortschritten darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Langzeitprognose der Parkinson-Krankheit nach wie vor schlecht ist. Daten gibt es zum Beispiel aus der Langzeitbeobachtung von Patienten, die an einer Studie zum Wirksamkeitsvergleich von Bromocriptin und Levodopa teilgenommen hatten. Nach 15 bis 18 Jahren zeigten von den 52 verbliebenen Patienten 84% kognitive Defizite, 48% Demenz, 50% Halluzinationen und 50% Depression. Stürze kamen bei 81% der Patienten vor, Schluckstörungen bei 50%, orthostatische Hypotension bei 35%. Zwei Fünftel der Patienten lebten in Pflegeeinrichtungen. Angesichts der ungünstigen Prognose ist es eine wichtige Aufgabe des Arztes, dem Patienten dabei zu helfen, mit der Krankheit leben zu lernen.
Neue Therapieansätze
Die bisherigen Therapien sind symptomatisch. Teilweise wird auch eine neuroprotektive Wirkung, also ein Schutz vor dem Neuronenuntergang diskutiert. Ein Wunschziel der Therapie ist, bereits degenerierte dopaminerge Neuronen wiederherzustellen, also das Gehirn zur Selbstreparatur zu befähigen. Versuche gibt es außerdem zum Ersatz untergegangener Neuronen.
Teilungsfähige adulte Neuronen wurden beim Menschen in der subventrikulären Zone und im Hippocampus nachgewiesen. In den für die Parkinson-Krankheit relevanten Strukturen, dem Striatum und der Substantia nigra, gibt es aber nach derzeitiger Kenntnis keine Neurogenese. Zwar wurden bei Primaten nach einer MPTP-Vergiftung neue dopaminerge Neuronen gefunden, diese waren allerdings durch Transdifferenzierung vormals GABAerger Interneuronen entstanden.
Zur Transplantation dopaminerger Vorläuferzellen aus dem Mittelhirn menschlicher Föten wurden zwei kontrollierte Studien durchgeführt. Die Vorläuferzellen wurden in das Striatum transplantiert, um hier am Ort der mangelnden dopaminergen Stimulation Dopamin freizusetzen. Die Transplantation hatte allerdings nur mäßigen klinischen Erfolg und war mit Nebenwirkungen wie Blutungen und Dyskinesien verbunden. Zudem wirft die Gewinnung der transplantierten Zellen aus abgetriebenen Föten ethische Fragen auf. Die Suche gilt besser geeigneten Zellen (Stammzellen) und Wegen zu einer besseren Integration des Transplantats.
Vielversprechender ist die Suche nach neuroprotektiven, krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen. Eine von zahlreichen untersuchten Möglichkeiten ist die Gentherapie, die dazu dienen kann, bestimmte Gene zu hemmen oder zu substituieren. So wurde in aktuellen Untersuchungen Mäusen mithilfe von Adeno-assoziierten Viren das Gen für NADH-Chinonoxidoreductase (Ndi1) aus Saccharomyces cerevisiae oder das Gen für das Onkoprotein Akt/PKB, einen neurotrophen Faktor, beigebracht. Diese Behandlung schützte die Tiere vor den neurotoxischen Wirkungen von MPTP beziehungsweise 6-Hydroxydopamin. Bis zu einer möglichen Anwendung dieser Prinzipien am Menschen sind aber noch viele Versuche erforderlich.
Quelle
Prof. Dr. Peter Riederer, Würzburg, Priv.-Doz. Dr. med. Georg Ebersbach, Beelitz, Priv.-Doz. Dr. med. Günter Höglinger, Marburg, Satellitensymposium „Parkinsontherapie – von gestern bis morgen“, veranstaltet von Boehringer Ingelheim im Rahmen des 5. Deutschen Parkinson-Kongresses, Ulm, 8. März 2007.
Psychopharmakotherapie 2007; 14(03)