Narkolepsie

Natriumoxybat regelt die gestörte Schlafarchitektur


Martin Bischoff, Planegg

Natriumoxybat, das Natriumsalz der Gammahydroxybuttersäure, wurde 2005 zur Behandlung der Narkolepsie mit Kataplexie in Deutschland zugelassen. Anders als in den USA wird es hierzulande nur zögerlich angewendet. Der Nutzen der Therapie für die Patienten wird offensichtlich weniger wahrgenommen als das Suchtpotenzial bei missbräuchlicher Anwendung.

Die Narkolepsie manifestiert sich meist primär mit Tagesschläfrigkeit. Rüther et al. zufolge steht dieses Problem in 88% der Fälle am Anfang der Erkrankung. Die Kataplexie ist normalerweise das zweite Hauptsymptom, das nur in 12% als erstes bereits am Anfang vorhanden ist. Vielmehr tritt dieser durch starke Emotionen ausgelöste Tonusverlust bei erhaltenem Bewusstsein erst nach einer Latenzzeit in Erscheinung, die bis zu 50 Jahren andauern kann. Eine Narkolepsie ohne Kataplexie kann in eine Narkolepsie mit Kataplexie übergehen, aber niemals umgekehrt. Narkolepsie ohne Kataplexie gilt immer als vorläufige Diagnose. Unter Schlaflähmungen und hypnagogen oder hypnopompen Halluzinationen hat knapp die Hälfte der Patienten zu leiden, hinzu kommt der gestörte Nachtschlaf.

Als Verursacher für diese Erkrankung fanden amerikanische Forscher erst Ende der 1990er Jahre zwei Neuropeptide, nämlich Orexin A und B (syn. Hypocretin 1 und 2). Es stellte sich bald heraus, dass das Fehlen dieser Peptide oder der dazugehörigen Rezeptoren die Symptome der Narkolepsie beim Menschen wie beim Tier hervorruft. Orexine/Hypocretine werden in Neuronen der hypothalamischen Perifornikalregion exprimiert und finden sich praktisch im gesamten zentralen Nervensystem. Innerhalb der Körperhomöostase sind diese Peptide an der Energieverwaltung, der Nahrungsaufnahme und vor allem der Schlafarchitektur beteiligt. Warum die Hypocretinzellen untergehen, konnte bis heute nicht geklärt werden. Solange es aber nicht möglich ist, die Narkolepsie etwa durch den Ersatz degenerierter Orexin-Neuronen ursächlich zu behandeln, bleibt nur die Linderung der Symptome.

Zur Wiederherstellung geregelter Schlaf- und Wachphasen eignen sich schlafhemmende Pharmaka wie Amphetamine, Sibutramin oder Modafinil. Schlaffördernd wirken Antidepressiva und auch Natriumoxybat (Xyrem®). Natriumoxybat beeinflusst als einzige dieser Optionen sowohl die exzessive Tagesschläfrigkeit, die Kataplexie und den gestörten Schlaf gleichermaßen gut.

Natriumoxybat wurde mittlerweile an mehr als 900 Patienten mit Narkolepsie und Kataplexie erprobt. Die Substanz bessert Tagesschläfrigkeit und Kataplexie, die Schlaftiefe nimmt zu, der Schlaf verläuft weniger fragmentiert und die Lebensqualität steigt. Der Rückgang der Kataplexien erfolgt in einer klaren Dosis-Wirkungs-Beziehung. In einer vierwöchigen Studie nahm die Zahl der wöchentlichen Kataplexie-Attacken in der Plazebo-Gruppe um 28% ab, mit 6 g Natriumoxybat um 49% (p<0,05) und mit 9 g um 69% (p<0,005). Die exzessive Tagesschläfrigkeit verbessert sich dosisabhängig ebenfalls deutlich im Vergleich zu Plazebo, wie sich an der ESS-Skala (Epworth sleepiness scale) ablesen lässt (Abb. 1). Auch ungewollte Schlafattacken werden signifikant reduziert (Abb. 2).

Abb. 1. Natriumoxybat reduziert dosisabhängig die Tagesschläfrigkeit. ESS(Epworth sleepiness scale)-Werte vor und nach achtwöchiger Behandlung mit Natriumoxybat (p-Werte im Vergleich zu Plazebo)

Abb. 2. Natriumoxybat reduziert die Häufigkeit von ungewollten Schlafattacken. Mediane Veränderung der Zahl der wöchentlichen Schlafattacken nach achtwöchiger Behandlung mit Natriumoxybat (n=226; p-Werte im Vergleich zu Plazebo)

Die Nebenwirkungsquote bewegt sich im gleichen Rahmen wie bei anderen Medikamenten gegen Narkolepsie. Im Wesentlichen treten Übelkeit, Benommenheit und Kopfschmerzen auf. In höheren Dosen sind auch Enuresis oder Schlafwandeln möglich. Im klinischen Alltag mit schwer erkrankten Patienten kann es vereinzelt zu schmerzhaften Parästhesien, heftigem Schwitzen, Agitation oder starker Gewichtszunahme kommen. Andererseits können sich im einen oder anderen Fall depressive Stimmungen bessern oder eine nächtliche motorische Unruhe zurückgehen. Patienten, die über Verwirrtheit, neuropsychiatrische Ereignisse, Depression, Atemdepression, Enuresis oder Schlafwandeln berichten, sollten unter Umständen kurzzeitig stationär aufgenommen werden, um sie besser überwachen zu können.

Bei manchen Patienten tritt eine Wirkung erst nach mehreren Wochen ein. Ist die Wirkung einer Behandlung mit Natriumoxybat nicht ausreichend, besteht die Möglichkeit einer Zweier- oder Dreier-Kombination zusammen mit Antikataplektika oder Stimulanzien (in den klinischen Studien hat ein großer Teil der Patienten eine zuvor bestehende Stimulanzientherapie beibehalten). Auf den Konsum von Alkohol sollte in zeitlicher Nähe mit Natriumoxybat unbedingt verzichtet werden. Zurückhaltung beim Einsatz von Natriumoxybat ist auch bei älteren Menschen mit Nykturie geboten. Die Gefahr, dass sie im benommenen Zustand nachts stürzen, ist zu groß. Nächtliche Benommenheit kann auch hinderlich sein für Menschen, die kleine Kinder in der Nacht versorgen müssen, oder für allein lebende Personen, denen im Falle schwerwiegender Nebenwirkungen niemand helfen kann.

Quelle

Prof. Dr. Helmut Haas, Düsseldorf, Dr. Peter Geisler, Regensburg, Prof. Dr. Geert Mayer, Schwalmstadt. Satelliten-Symposium „Xyrem® – eine neue Therapieoption für die Narkolepsie: Grundlagen, klinische Erfahrungen und Perspektiven“, Regensburg, 6. Oktober 2006, veranstaltet von UCB.

Psychopharmakotherapie 2007; 14(01)