Dr. med. Nana Mosler, Leipzig
Sertindol (Serdolect®) war von 1996 bis 1998 in 23 Ländern zugelassen und in 17 Ländern eingeführt. 1998 wurde das Arzneimittel aufgrund von Sicherheitsbedenken vom Markt genommen: In einer Sicherheitsdatenbank in Großbritannien gab es Anzeichen für eine (möglicherweise) erhöhte Sterblichkeitsrate bei der Therapie mit Sertindol im Vergleich zur Gabe von Risperidon und Olanzapin.
Hohe Abbruchquoten in CATIE
Die CATIE-Studie (Clinical antipsychotic trials of intervention effectiveness) hatte ernüchternde Ergebnisse (u.a.) in Bezug auf das Durchhaltevermögen für eine Schizophrenie-Therapie. In dieser in den USA durchgeführten Studie konnte von den atypischen Neuroleptika nur für Olanzapin, nicht aber für Risperidon, Quetiapin und Ziprasidon eine Überlegenheit gegenüber dem klassischen Neuroleptikum Perphenazin gezeigt werden. Erstaunlich war jedoch in dieser Studie die außerordentlich hohe Abbruchquote, die vielleicht auf schlechte allgemeine Betreuungsbedingungen, möglicherweise aber auch auf ungeschickte medikamentöse Umstellungspraktiken zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Patienten über die ersten Monate der Studie mit der Behandlung nicht hinauskam. Dieser erhebliche Anteil von Frühabbrechern könnte für die einzelnen Neuroleptika von unterschiedlicher Relevanz sein. Die Hauptgründe für eine Therapieumstellung in dieser Studie waren mangelnde und fehlende Wirksamkeit, Sedierung, extrapyramidale Symptomatik und Gewichtszunahme.
Wirkungsprofil von Sertindol überzeugend
Die in CATIE beobachteten Hauptgründe für eine Therapieumstellung spielen bei der Therapie mit Sertindol kaum eine Rolle. Dieses atypische Neuroleptikum, das Strukturähnlichkeiten mit Risperidon zeigt,
sediert nicht, da es kaum Einfluss auf Muscarin- und Histamin-Rezeptoren hat,
zeigt keine extrapyramidale Symptomatik wegen fehlender anticholinerger Effekte und
führt – wenn überhaupt – nur zu einer leichten Gewichtszunahme im Bereich von drei Kilogramm.
Sertindol führt zu einer Reduktion der Negativsymptomatik und beeinflusst ebenfalls die Positivsymptomatik. So reduzierte Sertindol (16,2 mg durchschnittliche Tagesdosis) beispielsweise in der French Study [Azorin et al. Int Clin Psychopharmacol 2006;21:49–56] im Vergleich zu Risperidon (6,6 mg) signifikant besser die Negativsymptomatik.
Vorteilhaft ist weiterhin, dass Sertindol die Kognition der Patienten deutlich verbessern kann. Die optimale Dosierung liegt bei etwa 16 mg am Tag.
Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählen Kopfschmerzen, Schlafstörungen und eine verstopfte Nase. Bei 22% der mit Sertindol behandelten Männer kam es zu einem verringerten Ejakulationsvermögen, aber nur etwa 3% beendeten deshalb die Therapie. Libido, Erektion und Orgasmusfähigkeit blieben unbeeinflusst. Sertindol zeigte in Kurz- und Langzeitstudien keine klinisch signifikante Erhöhung der Prolactin-Werte.
Das Medikament sollte einschleichend dosiert werden, weil durch die Alpha-1-Rezeptor-blockierende Aktivität orthostatische Symptome auftreten können.
Herz verkraftet Sertindol
Sertindol stand unter Verdacht, eine QT-Zeit-Verlängerung und dadurch bedingte Torsades de Pointes (relative Häufigkeit 1 auf 200000 Patienten) hervorzurufen.
In sechs Studien mit insgesamt 17004 Patienten wies Sertindol im Vergleich mit Risperidon und Olanzapin die absolut niedrigste Sterblichkeitsrate auf. Somit gibt es keinen Hinweis darauf, dass Sertindol die Sterblichkeit erhöht. Doch sollte das Medikament – nach der Fachinformation – nur bei Patienten angewendet werden, die zumindest ein anderes Antipsychotikum nicht vertragen haben. Sertindol kann das QT-Intervall im EKG verlängern und deshalb sollten sich die Patienten einer regelmäßigen EKG-Kontrolle unterziehen. Natürlich sollte auch die zusätzliche Gabe von Medikamenten unbedingt vermieden werden, die ebenfalls die QT-Strecke verlängern.
Quelle
Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Möller, München, Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Werneck, Prof. Dr. med. Wilhelm Haverkamp, Berlin. Einführungs-Symposium „Serdolect® – ein Antipsychotikum kehrt zurück“, veranstaltet von Lundbeck GmbH, Frankfurt/Main, 30. Mai 2006.
Psychopharmakotherapie 2006; 13(04)