Dr. Barbara Kreutzkamp, München
Die persistierende pulmonale Hypertonie bei Neugeborenen (PPHN) ist mit einer Inzidenz von ein bis zwei Kindern pro 1000 Lebendgeburten relativ selten. Die betroffenen Kinder haben eine deutlich erhöhte Morbidität und Letalität – etwa 10 bis 20% der Babys sterben, bei den Überlebenden stellen sich häufig trotz mechanischer Beatmung eine kognitive Entwicklungsverzögerung, schwerwiegende neurologische Schäden sowie Hörverlust ein.
Die PPHN findet sich meist bei reif geborenen Kindern ohne weitere kongenitale Defekte. Sie ist pathophysiologisch auf einen gestörten Übergang der Blutdruckverhältnisse im Lungenkreislauf vom Ungeborenen mit plazentarer Sauerstoffversorgung durch die Mutter zum Neugeborenen mit eigener Atemtätigkeit zurückzuführen.
In einer kleinen Kohortenstudie ergaben sich Hinweise, dass unter der Einnahme von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) wie Fluoxetin in der Spätschwangerschaft das Risiko für eine PPHN erhöht sein könnte. In einer größeren Fall-Kontroll-Studie sollte diese Hypothese überprüft werden. Dazu wurden zwischen 1998 und 2003 im Rahmen der Birth Defects Study of the Slone Epidemiology Center 377 Frauen, die ein Kind mit PPHN geborenen hatten, und 836 Frauen mit einem gesunden Baby als Kontrolle rekrutiert. Die jungen Mütter wurden einer umfangreichen strukturierten Befragung per Telefon unterzogen, durchgeführt von spezialisierten Krankenschwestern, denen das Studienziel nicht bekannt war.
14 der Kinder mit einer PPHN waren nach der 20. Schwangerschaftswoche einem SSRI ausgesetzt gewesen im Vergleich zu 6 Kindern aus der Kontrollgruppe (adjustiertes Odds-Ratio 6,1; 95%-Konfidenzintervall 2,2 bis 16,8). Die Einnahme eines SSRI vor der 20. Schwangerschaftswoche oder die Einnahme eines Nicht-SSRI-Antidepressivums zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft war dagegen mit keinem erhöhten PPHN-Risiko assoziiert.
Fazit und Diskussion
Die Einnahme eines SSRI in der Spätschwangerschaft erhöht den Daten der großen Fall-Kontroll-Studie zufolge das PPHN-Risiko für das Neugeborene auf das 5- bis 6fache. Dies bedeutet angesichts des seltenen Vorkommens dieser Erkrankung eine Rate von etwa 1 pro 100 Geburten SSRI-exponierter Kinder. Diese geringe Zahl dürfte ein Grund sein, warum bisher ein Zusammenhang zwischen einer PPHN und der SSRI-Einnahme bei Schwangeren noch nicht berichtet wurde.
Eine SSRI-Exposition liegt einer schwedischen Schätzung zufolge bei 0,097 % aller Schwangeren vor. Übertragen auf US-amerikanische Zahlen würde dies 40 SSRI-bedingte Fälle von Neugeborenen mit einer PPHN pro Jahr bedeuten – unter Voraussetzung eines tatsächlich vorhandenen Kausalzusammenhangs. Ein solcher Kausalzusammenhang lässt sich aber trotz einer hohen Konsistenz der Daten aus dieser Studie zusammen mit den Daten einer vorangegangenen kleineren Studie nicht ableiten. Dies liegt zum einen an der Methodik einer Fall-Kontroll-Studie, zum anderen ist die Fallzahl insgesamt sehr klein. Auch die wissenschaftlichen Erklärungen des Zusammenhangs – beispielsweise dass eine Serotonin-Erhöhung den Pulmonalwiderstand erhöht oder die Aktivität des vasodilatierend wirkenden NO nach der Geburt unterdrückt – müssen überprüft werden.
So kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung für die Beratung der 10 % Schwangeren gegeben werden, die unter Depressionen leiden. Zwar wird man versuchen, eine Antidepressiva-Gabe während der Schwangerschaft zu vermeiden, in schweren Fällen sollte aber auch das Risiko einer Nicht-Behandlung beachtet werden: Es gibt Hinweise, dass Kinder von depressiven Müttern häufiger ein niedriges Geburtsgewicht haben oder Entwicklungsstörungen aufweisen. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung sollte daher bei jeder Schwangeren individuell vorgenommen werden.
Quellen
Chambers CD, et al. Selective serotonin-reuptake inhibitors and risk of persistent pulmonary hypertension of the newborn. N Engl J Med 2006;354:579–87.
Mills JL. Depressing observations on the use of selective serotonin-reuptake inhibitors during pregnancy. N Engl J Med 2006;354:636–8.
Psychopharmakotherapie 2006; 13(04)