Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart
In klinischen Studien zur Schizophrenie-Therapie wird als Psychopathologie-Skala in der Regel primär die PANSS verwendet. Für die Routinebehandlung erscheint diese Skala jedoch häufig als zu aufwendig. Immerhin muss der Therapeut 30 verschiedene Symptome beurteilen (Tab. 1). Jedem Symptom wird eine von sieben Schweregradstufen zugeordnet (1 = nicht vorhanden, 2 = minimal, 3 = leicht, 4 = mäßig, 5 = mäßig schwer, 6 = schwer, 7 = extrem schwer), so dass sich ein PANSS-Gesamtwert zwischen 30 und 210 Punkten ergibt. Was sagen nun diese Gesamtwerte über den Schweregrad der Erkrankung beziehungsweise über den Grad der Besserung aus?
Tab. 1. Beurteilungskriterien der PANSS [nach 1]
Positivsymptome (Items P1 bis P7) |
Wahnideen, formale Denkstörungen, Halluzinationen, Erregung, Größenideen, Misstrauen/Verfolgungsideen, Feindseligkeit |
Negativsymptome (Items N1 bis N7) |
Affektverflachung, emotionaler Rückzug, mangelnder affektiver Rapport, soziale Passivität und Apathie, Schwierigkeiten beim abstrakten Denken, Mangel and Spontaneität und Flüssigkeit der Sprache, stereotype Gedanken |
Allgemeine Psychopathologie |
Sorge um die Gesundheit, Angst, Schuldgefühle, Anspannung, Manierismen und unnatürliche Körperhaltung, Depression, motorische Verlangsamung, unkooperatives Verhalten, ungewöhnliche Denkinhalte, Desorientiertheit, mangelnde Aufmerksamkeit, Mangel an Urteilsfähigkeit und Einsicht, Willensschwäche, mangelnde Impulskontrolle, Selbstbezogenheit, aktives soziales Vermeidungsverhalten |
Intuitiv leichter zugänglich sind die Bewertungen der CGI-Skala (Tab. 2). Um PANSS-Werte in CGI-Werte zu „übersetzen“, wurden sieben randomisierte Doppelblindstudien mit insgesamt 4091 Patienten ausgewertet, aus denen PANSS- und CGI-Werte vorlagen. In den Studien waren Olanzapin oder Amisulprid mit Haloperidol, Risperidon oder Plazebo verglichen worden. Die Diagnose lautete Schizophrenie, schizoaffektive Störung oder schizophreniforme Störung. Der über alle Studien gemittelte PANSS-Ausgangswert betrug 94±19, der mittlere CGI-S-Wert 4,8±0,9. CGI-I-Werte lagen nur aus drei Studien (n=1432) vor.
Tab. 2. Kategorien der CGI-Skala [nach 1]
CGI-S (Schweregradbeurteilung) |
CGI-I (Zustandsänderung) |
|
1 |
Gar nicht krank |
Sehr viel besser |
2 |
Grenzfall psychiatrischer Erkrankung |
Viel besser |
3 |
Leicht krank |
Etwas besser |
4 |
Mäßig krank |
Unverändert |
5 |
Deutlich krank |
Etwas schlechter |
6 |
Schwer krank |
Viel schlechter |
7 |
Extrem schwer krank |
Sehr viel schlechter |
Für die Zeitpunkte 0 („baseline“), Woche 1, Woche 2, Woche 4 und Woche 6 wurden zunächst für die PANSS- und die CGI-Werte unabhängig voneinander Perzentil-Rangfunktionen berechnet, dann wurden die entsprechenden Perzentile beider Messwerte (Äquiperzentile) einander zugeordnet. Aus Tabelle 3 ist abzulesen, welche PANSS-Gesamtwerte welchem Krankheitsschweregrad laut CGI entsprachen. Die Werte wichen je nach Erhebungszeitpunkt geringfügig voneinander ab, wobei sich der höchste Wert in der Regel zu Beginn fand.
Tab. 3. PANSS-Gesamtwerte in Bezug zum Krankheitsschweregrad laut CGI-Wert [2]
CGI-S |
PANSS-Gesamtwert |
3 (leicht krank) |
57–61 |
4 (mäßig krank) |
73–78 |
5 (deutlich krank) |
93–96 |
6 (schwer krank) |
115–118 |
7 (extrem schwer krank) |
143–149* |
* Hier wurde der höchste Wert in Woche 6 ermittelt; Baseline-PANSS-Wert = 147
Ein deutlicherer Einfluss des Erhebungszeitpunkts war bei der Beurteilung des Behandlungserfolgs zu beobachten (Tab. 4). Hier genügten nach einer Woche geringere Veränderungen der PANSS-Werte gegenüber dem Ausgangswert für ein günstiges klinisches Gesamturteil (CGI) als zu späteren Zeitpunkten. Dabei mag eine Rolle spielen, dass die Erwartungen des Therapeuten zu dem frühen Zeitpunkt noch etwas verhaltener sind und daher leichter erfüllt werden. Das Verblassen der Erinnerung an den Ausgangszustand der Patienten ist wohl ebenfalls zu berücksichtigen.
Tab. 4. Prozentuale Besserung der PANSS-Gesamtwerte in Bezug zur Besserung laut CGI-Wert [2]
CGI-I |
Veränderung PANSS-Gesamtwert im Vergleich zum Ausgangswert |
|||
Woche 1 |
Woche 2 |
Woche 4 |
Woche 6 |
|
3 (etwas besser) |
–19 % |
–23 % |
–26 % |
–28 % |
2 (viel besser) |
–40 % |
–45 % |
–51 % |
–53 % |
1 (sehr viel besser) |
–71 % |
–73 % |
–82 % |
–81 % |
Deutlich wird hier auch, dass eine Besserung des PANSS-Gesamtwerts um 20% lediglich eine leichte Besserung widerspiegelt. Für therapieresistente Patienten kann das schon klinisch relevant sein, bei akut erkrankten Patienten sollte man aber, so die Autoren, eher eine 50%ige Besserung fordern, um eine Arzneistoffwirkung als klinisch relevant zu beurteilen.
Die vorgelegten Analysen gelten für Patienten mit anfangs florider psychotischer Symptomatik. Für Patienten mit vorherrschender Negativsymptomatik dürften andere Korrelationen gelten, da bei ihnen mangels ausgeprägter Positivsymptome der PANSS-Gesamtwert vergleichsweise gering ist, obwohl sie nach Einschätzung des Arztes schwer krank sein können.
Ärzte behandeln Patienten und keine Skalenwerte. Insofern ist es hilfreich, bei der Lektüre klinischer Studien eine „Übersetzungshilfe“ für die Interpretation der PANSS-Werte zu haben, die eine Einschätzung des Krankheitsschweregrads und -verlaufs nach griffigen Formeln wie „mäßig“ oder „deutlich krank“, „etwas“ oder „viel besser“ erlaubt. Für eine differenzierte Beurteilung der Wirkung eines Arzneistoffs kommt man aber an ausgeklügelten psychometrischen Skalen wie der PANSS sicher nicht vorbei.
Quellen
1. Collegium Internationale Psychiatriae Scalarum (Hrsg.). Internationale Skalen für Psychiatrie. 5. Aufl. Göttingen: Beltz, 2005.
2. Leucht S, et al. What does the PANSS mean? Schizophr Res 2005;79;231–8.
Psychopharmakotherapie 2006; 13(03)