Prof. Dr. med. H. C. Diener, Essen
Es gibt bisher keine kausale Behandlung der Alzheimer-Demenz. Alle medikamentösen Ansätze sind symptomatisch und verbessern lediglich vorübergehend die Symptome. Neuroprotektive Eigenschaften der Cholinesterasehemmer sind bisher nicht nachgewiesen.
Ein neuer kausaler Therapieansatz ist eine Impfung mit Beta-Amyloid (Aβ)1–42 (AN1792). Bei transgenen Mäusen führt diese Impfung zu einem Abbau von Amyloidplaques.
Nach einer Dosisfindungsstudie wurde eine doppelblinde, multizentrische, Plazebo-kontrollierte, randomisierte Phase-II-Studie mit 372 Patienten mit Alzheimer-Demenz initiiert, die allerdings vorzeitig abgebrochen werden musste, nachdem es bei 18 Patienten in der Behandlungsgruppe zu einer Meningoenzephalitis kam. Einschlusskriterium war ein Alter zwischen 50 und 85 Jahren, eine wahrscheinliche Alzheimer-Demenz und ein Befund in der Kernspintomographie, der mit der Diagnose vereinbar war.
Von den 372 in die Studie eingeschlossenen Patienten wurden 299 geimpft, 73 Patienten erhielten Plazebo.
Ursprünglich waren Impfungen am Tag 0 und Auffrischimpfungen nach 1, 3, 6, 9 und 12 Monaten geplant. Patienten, die keine Antikörper gegen AN1792 entwickelten, sollten nach 8 Monaten aus der Studie herausgenommen werden. Untersuchungen erfolgten nach einer Woche, 2 und 4 Wochen und danach einmal monatlich. Primärer Endpunkt der Studie waren die Anzahl schwerwiegender Nebenwirkungen. Sekundäre Endpunkte waren Ergebnisse in der kognitiven Subskala der Alzheimer’s Disease Assessment Scale (ADAS-Cog), Veränderungen in der Kernspintomographie, Ergebnisse einer neuropsychologischen Testbatterie, der Nachweis von Tau und Aβ42 im Liquor und der Nachweis von AN1792-Antikörpern von >1:1200.
Nachdem es bei 18 der geimpften Patienten zu einer Meningoenzephalitis gekommen war, wurde die Studie abgebrochen, die Patienten wurden aber in einem verblindeten Design weiterverfolgt. Insgesamt wurden 2 Patienten einmal geimpft, 274 zweimal und 24 Patienten dreimal. 20% der Patienten entwickelten Antikörper gegen AN1792. Statistisch ergaben sich keine Unterschiede für die hier verwendeten Messparameter zwischen den Patienten, die geimpft wurden, und der Plazebo-Gruppe. Es ergaben sich auch keine Unterschiede zwischen den Patienten, die Antikörper entwickelten, und den Patienten in der Plazebo-Gruppe. Nummerisch ergab sich allerdings ein Trend zugunsten der Patienten, die geimpft worden waren. Bei 10 Patienten in der Plazebo-Gruppe und 11 Patienten in der Verum-Gruppe konnte Tau im Liquor gemessen werden. Hier kam es zu einer signifikanten Abnahme von Tau bei den geimpften Patienten.
Kommentar
Dies war die erste Studie, in der eine Impfung gegen Beta-Amyloid bei Patienten mit Alzheimer-Demenz versucht wurde. Die Studie musste vorzeitig abgebrochen werden, da die Impfung bei 6% aller Patienten zu einer Meningoenzephalitis führte. Die Meningoenzephalitis war glücklicherweise bei den meisten Patienten nicht schwerwiegend. Zwei Patienten, die geimpft worden waren, starben aus anderer Ursache und wurden obduziert. Bei beiden Patienten fand sich überraschend wenig Beta-Amyloid im Gehirn, aber eindeutig Zeichen einer T-Zell-vermittelten Meningoenzephalitis. Die Fortführung der Beobachtung der Patienten nach Abbruch der Studie im doppelblinden Design war ethisch vertretbar und zeigte lediglich einen leichten Trend zugunsten der Patienten, die Antikörper gegen Beta-Amyloid entwickelten. Die Unterschiede sind aber nicht groß genug, um eine Wirksamkeit der Impfung bei Patienten mit Alzheimer-Demenz zu belegen. Dazu müsste eine neue Studie durchgeführt werden mit einem Impfstoff, der keine Meningoenzephalitis erzeugt. Die Chancen hierfür sind relativ gut, da spätere Untersuchungen zeigten, dass wahrscheinlich nicht Beta-Amyloid selbst zu einer Meningoenzephalitis führte, sondern ein Zusatzstoff, der hinzugefügt wurde, um ein Ausflocken der Substanz in Lösung zu verhindern.
Quelle
Gilman S, et al., for the AN1792 (QS-21)-201 Study Team. Clinical effects of Aβ immunization (AN1792) in patients with AD in an interrupted trial. Neurology 2005;64:1553–62.
Psychopharmakotherapie 2006; 13(01)