Therapierefraktäre fokale Epilepsie

Sequenzielle Monotherapie oder Kombination?


Bettina Polk, Stuttgart

Ein direkter Vergleich von sequenzieller Monotherapie mit Kombinationstherapie bei therapierefraktären Epileptikern zeigte keine Überlegenheit für eine der Optionen. Ein direkter Vergleich möglicher Kombinationen existiert nicht. Auf einem von der Firma Pfizer unterstützten Symposium beim internationalen Epilepsiekongress in Paris Ende August 2005 wurde über diese Situation genauer berichtet.

Wenn bei Epilepsie die initiale Monotherapie nicht zur gewünschten Anfallsfreiheit führt, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:

Wechsel auf eine andere Monotherapie

Versuch einer Kombinationstherapie

Prospektive Vergleichsstudien dazu gibt es kaum. Eine, die wegen der geringen Patientenzahlen allerdings nur eine geringe Aussagekraft hat, kommt zu dem Ergebnis, dass beide Vorgehensweisen ähnlich wirksam und verträglich sind: In dieser offenen multizentrischen Studie wurden 157 Epilepsie-Patienten mit fokalen Anfällen, bei denen mindestens eine Monotherapie erfolglos war, randomisiert entweder erneut mit einer Monotherapie behandelt (n = 76) oder sie bekamen eine Kombinationstherapie (n = 81). Die Substanzen wurden vom betreuenden Arzt ausgewählt. Die Patienten wurden für ein Jahr oder bis zu einem erneuten Therapiewechsel beobachtet. Nach einem Jahr bekamen noch 55% mit sequenzieller Monotherapie und 65% mit Kombinationstherapie die gleiche Medikation (p = 0,74). Anfallsfrei waren nach einem Jahr noch 14% mit Monotherapie und 16% mit Kombinationstherapie (p = 0,74). Die Nebenwirkungsraten waren ähnlich, die Inzidenz von unerwünschten Wirkungen war sogar in der Monotherapie-Gruppe höher (51 vs. 37%, nicht signifikant). Häufigste unerwünschte Wirkungen waren Müdigkeit, kognitive und körperliche Leistungseinbußen, Angst oder Aggressivität, Kopfschmerzen sowie Übelkeit und andere gastrointestinale Symptome.

Die Daten zeigen, dass sowohl mit einer sequenziellen Monotherapie als auch mit einer „Add-on-Therapie“ ein gewisser Anteil von Patienten anfallsfrei werden kann. Welches die bessere Strategie ist, kann man bisher nicht ableiten. Wegen der Vielzahl von Antiepileptika gibt es beinahe unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten. Interessant wäre, ob bestimmte Kombinationen anderen überlegen sind.

Da direkte Vergleichsstudien verschiedener Kombinationen nicht existieren, können für die Entscheidung nur indirekte Vergleiche herangezogen werden. In einer Metaanalyse von 41 randomisierten Plazebo-kontrollierten Studien, in denen insgesamt 7858 Patienten mit therapierefraktärer Epilepsie eine „Add-on-Therapie“ bekamen, wurden die Ansprechraten der verschiedenen Substanzen verglichen.

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse. Signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen gab es nicht. Tendenziell waren Levetiracetam und Pregabalin am besten wirksam (RR für 50%-Ansprechrate: 3,59 und 3,44 im Vergleich zu 1,62 mit Remacemid oder 2,04 mit Lamotrigin). Die Verträglichkeit war bei allen Therapien vergleichbar, die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen war mit Levetiracetam am geringsten und mit Vigabatrin am höchsten – auch hier waren aber die Unterschiede nicht signifikant.

Abb. 1. Add-on-Therapie bei therapieresistenter Epilepsie – Ergebnisse einer Metaanalyse. Angegeben ist das „relative Risiko“ (RR, mit 95%-Konfidenzintervall) einer Ansprechrate von 50% [nach Ryvlin et al.]

Bei der Therapieentscheidung können neben indirekten Vergleichen auch patientenindividuelle Kriterien oder andere Substanzunterschiede herangezogen werden, zum Beispiel:

Effektivität und Nebenwirkungsprofil der Antiepileptika

Pharmakokinetik

Komorbidität des Patienten

Wirkungsmechanismus der Antiepileptika

Es ist anzunehmen, dass Antiepileptika mit unterschiedlichem Wirkungsmechanismus für eine Kombinationstherapie besonders geeignet sind. Pregabalin (Lyrica®) bindet als einzige Substanz an die α2δ-Untereinheit spannungsabhängiger Calciumionen-Kanäle im ZNS und moduliert den Einstrom von Calciumionen in die Nervenzellen. In drei bisher veröffentlichten klinischen Studien über jeweils 12 Wochen zeigte Pregabalin als Zusatzmedikation zur bestehenden antiepileptischen Therapie – meist Carbamazepin (Tegretal®) und/oder Lamotrigin (Lamictal®) eine dosisabhängige Wirkung. Untersucht wurden drei Dosierungen, die 600-mg-Dosierung war am besten wirksam, gefolgt von der 300-mg- und 150-mg-Dosierung. In der Studie von Arroyo et al. lag die Ansprechrate in der 600-mg-Pregabalin-Gruppe bei 43,5%, in der Plazebo-Gruppe bei 6,2%. Eine Reduktion der Anfallshäufigkeit wurde innerhalb der ersten Woche beobachtet.

Häufigste unerwünschte Wirkungen von Pregabalin sind Benommenheit und Schläfrigkeit, oberhalb einer Dosis von 150 mg/d nehmen die Nebenwirkungen auf das zentralvenöse System zu.

Die Frage, ob eine sequenzielle Monotherapie oder eine Kombinationstherapie bei therapierefraktärer Epilpesie besser ist, kann nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht beantwortet werden. Es sind weitere Studien nötig, auch solche, in denen die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten direkt verglichen werden.

Quellen

Prof. Dr. Dr. Emilio Perucca, Pavia, Italien, Dr. Blaise FD Bourgeois, Boston, USA, Prof. Dr. Dr. Torbjörn Thomson, Stockholm, Schweden. Satellitensymposium „Progress in the treatment of drug-resistant partial epilepsy: established and envolving therapies“, veranstaltet von der Firma Pfizer im Rahmen des 26. Internationalen Epilepsie-Kongresses, Paris, 29. August 2005.

Ryvlin P, et al. Meta-Analysis of add-on treatmant in drug resistant epilepsy: a comprehensive study of 41 adult randomised controlled trials among 10 AEDs. [Poster] beim 26. Internationalen Epilepsie-Kongresses, Paris, 29. August 2005.

Beghi E, et al. Adjunctive therapy versus alternative monotherapy in patients with partial epilepsy failing on a single drug: a multicentre, randomised, pragmatic controlled trial. Epilepsy Res 2003;57:1–13.

Beydoun A, et al. Pregabalin 1008-009 Study Group. Safety and efficacy of two pregabalin regimens for add-on treatment of partial epilepsy. Neurology 2005;64:475–80.

Arroyo S, et al. Pregabalin 1008-011 International Study Group. Pregabalin add-on treatment: a randomized, double-blind, placebo-controlled, dose-response study in adults with partial seizures. Epilepsia 2004;45:20–7.

French JA, et al. Dose-response trial of pregabalin adjunctive therapy in patients with partial seizures. Neurology 2003;60:1631–7.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(01)