Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart
Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist gekennzeichnet durch einen mit Parästhesien oder Dysästhesien gekoppelten Bewegungsdrang der Beine, der vor allem nachts auftritt; die unangenehmen Empfindungen werden durch Bewegung gebessert (Tab. 1). Da die Beschwerden vor allem nachts auftreten, bestehen Ein- und Durchschlafstörungen mit entsprechenden Auswirkungen auf das Befinden und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen tagsüber. Die Prävalenz des RLS wird mit bis zu 10% angegeben. Das Syndrom tritt im Alter häufiger auf und ist bei Frauen verbreiteter als bei Männern.
Tab. 1. Essenzielle Kriterien der International RLS Study Group zur Diagnose eines Restless-Legs-Syndroms [nach Trenkwalder]
Bewegungsdrang der Beine, gewöhnlich begleitet von einem unangenehmen Gefühl in den Beinen (manchmal sind zusätzlich auch die Arme oder andere Körperregionen betroffen) |
Der Bewegungsdrang oder die unangenehmen Gefühle beginnen oder verschlechtern sich bei Ruhe oder Inaktivität |
Der Bewegungsdrang oder die unangenehmen Gefühle werden durch Bewegung teilweise oder vollständig gebessert, zumindest so lange, wie die Aktivität andauert |
Die Beschwerden sind am Abend oder nachts schlimmer als tagsüber |
Durch dopaminerge Stimulation können die Beschwerden bei vielen Patienten gelindert werden. Als erster Wirkstoff zur Therapie des RLS war in Deutschland Levodopa (+ Benserazid; Restex®) zugelassen. Daneben gibt es Erfahrungen mit dem Off-Label-Einsatz von Dopamin-Agonisten. Die Wirkung des Dopamin-Agonisten Pramipexol (Sifrol®) wurde nun zur Vorbereitung eines Zulassungsantrags in einer multizentrischen randomisierten Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie untersucht. Die Patienten – durchschnittlich 55 Jahre alt und seit etwa fünf Jahren erkrankt, knapp 70% ohne medikamentöse Vorbehandlung – erhielten sechs Wochen lang etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen
Plazebo (n=115, Intention-to-treat-[ITT-]-Gruppe n=114), oder
Pramipexol; die Dosis war anfangs 0,125 mg Pramipexolhydrochlorid (entspr. 0,088 mg Pramipexol), sie konnte in wöchentlichen Abständen auf 0,25 mg, 0,5 mg bzw. 0,75 mg erhöht werden (n=230, ITT-Gruppe n=224)
Primäre Endpunkte waren der IRLS(International restless legs scale)-Score und der klinische Gesamteindruck (CGI-I). Die Patienten hatten zu Beginn einen IRLS-Score von durchschnittlich 24,7 (Pramipexol) bzw. 24,9 (Plazebo), das entspricht einem stark ausgeprägten RLS (die maximale Punktzahl ist 40).
Nach sechs Wochen war der IRLS-Score in der Plazebo-Gruppe um 5,7 Punkte gefallen, in der Pramipexol-Gruppe bei einer Dosis von durchschnittlich 0,34 mg/d um 12,3 Punkte (p<0,0001). Die Ansprechrate, definiert anhand einer mindestens 50%igen Reduktion des IRLS-Scores, betrug 28,9% bzw. 52,2% (p<0,0001). Eine starke oder sehr starke Verbesserung laut CGI-I erreichten 32,5% bzw. 62,9% der Patienten (p<0,0001).
Im Patientenurteil war eine starke oder sehr starke Besserung bei 30% der Verum-Patienten bereits nach einer Woche, also noch mit der niedrigsten Tagesdosis, festzustellen, aber nur bei 7% der Plazebo-Patienten. In Woche 6 gaben 62% bzw. 32% der Patienten dieses Urteil ab. Die Patienten empfanden eine deutliche Besserung der RLS-Symptome während des Einschlafens und in der Nacht, aber auch tagsüber, und eine verbesserte Schlafzufriedenheit (Tab. 2).
Tab. 2. Besserung der RLS-Symptome und der Schlafzufriedenheit nach sechs Wochen, erhoben mit einer visuellen Analogskala (Mittelwerte, Angaben in mm); *p<0,0001
Plazebo (n=114) |
Pramipexol (n=224) |
|||
Studienbeginn |
Veränderung nach 6 Wochen |
Studienbeginn |
Veränderung nach 6 Wochen |
|
RLS-Symptome – während des Einschlafens – während der Nacht – tagsüber |
52,6 60,7 32,5 |
–13,8 –12,4 –1,5 |
56,8 57,2 32,1 |
–30,6* –32,3* –12,1* |
Schlafzufriedenheit |
60,4 |
–13,8 |
63,0 |
–29,9* |
Unter der Pramipexol-Behandlung traten keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen auf. Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit waren etwas häufiger als mit Plazebo (Tab. 3). Die Tagesmüdigkeit war laut der Epworth-Schläfrigkeitsskala nicht erhöht. Für die gute Verträglichkeit spricht auch, dass nur sieben Patienten der Plazebo-Gruppe und sechs Patienten der Pramipexol-Gruppe die Studie nicht protokollgemäß beendeten.
Langzeitbehandlung
Tab. 3. Unerwünschte Wirkungen (UAW; >5% in einer Behandlungsgruppe) in den ersten sechs Wochen
UAW |
Plazebo (n=115) |
Pramipexol (n=230) |
Kopfschmerzen |
9,6% |
13,0% |
Übelkeit |
6,1% |
12,2% |
Müdigkeit |
6,1% |
9,1% |
Nasopharyngitis |
7,8% |
4,3 % |
Benommenheit |
5,2% |
3,5% |
Patienten, die nach sechs Wochen nach eigenem Bekunden auf die Therapie angesprochen hatten, erhielten für weitere 46 Wochen doppelblind ihre Studienmedikation. Die anderen Patienten wurden 46 Wochen lang offen mit Pramipexol weiterbehandelt. Unter der fortgesetzten Doppelblindbehandlung zeigte sich eine weitere Verbesserung des IRLS-Scores und des klinischen Gesamteindrucks mit Pramipexol. Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit traten unter der doppelblinden Behandlung mit Pramipexol bei 10,6%, 8,5% bzw. 4,9% der Patienten auf, unter offener Behandlung bei 10,6%, 10,6% bzw. 14,1%. Eine Verstärkung der RLS-Symptome im Sinne eines früheren Auftretens im Tagesverlauf („Augmentation“) – wie unter der Therapie mit Levodopa beschrieben – wurde lediglich in einem Fall bei offener Pramipexol-Behandlung beobachtet.
Die Wirksamkeit von Pramipexol bei stark ausgeprägtem Restless-Legs-Syndrom wurde unter Doppelblindbedingungen nachgewiesen. Ein beträchtlicher Teil der Patienten sprach bereits auf die niedrigste Dosis (0,088 mg Pramipexol-Base abends) an. Anwender empfehlen bei Bedarf eine Dosissteigerung in dreitägigen Abständen bis auf die subjektiv wirksame Dosis zwischen 0,088 und 0,35 mg.
Quellen
Oertel W. Erfolgreiche Behandlung von RLS (Restless Legs Syndrome) mit Pramipexole (PPX) – Ergebnisse einer Placebo-kontrollierten 6-wöchigen Studie im Parallelgruppen-Design. 78. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Wiesbaden, 22. September 2005.
Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder, Kassel, Dr. med. Karin Stiasny-Kolster, Marburg, Satellitensymposium „Bewegung in der RLS-Therapie“, veranstaltet von Boehringer Ingelheim im Rahmen des 78. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Wiesbaden, 23. September 2005.
Psychopharmakotherapie 2006; 13(01)