Johanna Seifert, Sermin Toto, Hannover, Dominik Dabbert, Bremen, Renate Grohmann, München, Stefan Bleich, Hannover, Gudrun Hefner, Eltville, und Gabriel Eckermann, Berlin
Die korrekte Handhabung von Clozapin ist komplex und bedarf einer umfassenden Aufmerksamkeit durch den Behandler. Die Voraussetzung hierfür ist eine grundlegende Kenntnis über die pharmakologischen Eigenschaften des Wirkstoffs. Diese lassen sich in pharmakokinetische und pharmakodynamische Effekte gliedern. Pharmakokinetik beschreibt dabei den Weg eines Wirkstoffs durch den menschlichen Körper, also seine Liberation, Resorption, Verteilung, Eiweißbindung, Biotransformation und Elimination. Die Biotransformation erfolgt insbesondere durch Enzyme des Cytochrom-P450(CYP)-Systems. Pharmakodynamik beinhaltet dahingegen die Wirkung eines Arzneistoffs an einer Zielstruktur, beispielsweise einen Antagonismus an Dopamin- und Serotonin-Rezeptoren [13]. Der nachfolgende Fall soll die klinische Relevanz der pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Eigenschaften des Clozapins und deren Veränderung unter besonderen Behandlungsbedingungen verdeutlichen.
Fallvorstellung
Ein circa 40-jähriger, an einer chronischen Schizophrenie erkrankter Patient befand sich bereits seit mehreren Monaten in stationär-psychiatrischer Behandlung. Der Patient war starker Raucher (mindestens 20 Zigaretten pro Tag), zudem war ein Ultrarapid-Metabolizer-Status für die beiden CYP-Isoenzyme 2C19 und 2D6 bekannt. Ansonsten lagen keine somatischen Auffälligkeiten vor. Die bisherige antipsychotische Einstellung gestaltete sich schwierig, da nur mit besonderem Aufwand eine Clozapin-Serumkonzentration im therapeutischen Referenzbereich (350–600 µg/l) erreicht werden konnte. Um Konzentrationsschwankungen zu minimieren, erfolgte die Gabe von 300 mg Clozapin alle acht Stunden, worunter eine Serumkonzentration von 355 µg/l erreicht werden konnte (Tag –13). Bei zwischenzeitlich schwerer Agitation und nach Güterabwägung bezüglich der additiven zentralen Dämpfung und des erhöhten Risikos für eine Atemdepression in Kombination mit Clozapin erfolgte die zusätzliche Gabe von Lorazepam.
Nach Erreichen einer dafür soweit ausreichenden Stabilisierung unter der Tabelle 1 entnehmbaren Psychopharmakotherapie konnte dem Patienten eine Belastungserprobung ermöglicht werden, aus welcher er jedoch nicht auf Station zurückkehrte (Tag –12). Eine Woche später erfolgte die Wiederaufnahme des Patienten über die Notaufnahme bei erneuter Exazerbation der psychotischen Symptomatik (Tag –7). Zwei Tage später (Tag –5) erfolgte eine erneute Bestimmung der Clozapin-Serumkonzentration, die bei 222 µg/l und somit unterhalb des therapeutischen Referenzbereichs lag. Die Medikation aus Tabelle 1 wurde unverändert fortgeführt.
Tab. 1. Medikationsplan zum Zeitpunkt der Entlassung (Tag –12)
Arzneistoff |
Dosierschema [mg] |
Clozapin |
300–300–300 (alle 8 Stunden) |
Amisulprid |
400–0–400–0 |
Pipamperon |
40–40–40–40 |
Lorazepam |
1–0–1–2,5 |
Fünf Tage nach Beginn der erneuten stationären Behandlung (Tag 0) kam es zu einem Sturz aus mehreren Metern Höhe in suizidaler Absicht, wobei sich der Patient multiple Frakturen zuzog. Die Verletzungen mussten unfallchirurgisch operativ versorgt werden, unter anderem unter Anlage eines Fixateurs externe. Anschließend war der Verbleib in der Klinik für Unfallchirurgie notwendig. In Antizipation einer veränderten postoperativen Pharmakokinetik bei verändertem Rauchverhalten und Immobilisierung des Patienten erfolgte bereits nach der ersten Operation die Reduktion der Clozapin-Dosis auf 600 mg/Tag (300–0–300 mg). Aufgrund von starken postoperativen Schmerzen wurde eine analgetische Medikation bestehend aus Hydromorphon verabreicht (Abb. 1).

Abb. 1. Graphische Darstellung des Medikationsverlaufs Auf der Y-Achse werden die Clozapin-Dosis [mg], die Clozapin-Serumkonzentration [µg/l] und das C-reaktive Protein (CRP) [mg/dl] abgebildet. Für die übrigen Arzneistoffe werden die Dosen nicht abgebildet, sondern in der Legende mit aufgeführt. Zur Übersicht werden nur diejenigen Arzneistoffe abgebildet, die für diesen Fallbericht relevant erscheinen. Zusätzlich erfolgte die Gabe von Pantoprazol, Enoxaparin, Nikotinell®-Pflaster und phasenweise Paracetamol.
Nach seiner Rückverlegung in die Klinik für Psychiatrie (Tag 4) benötigte der Patient umfassende pflegerische Versorgung bei vollständiger Immobilität unter weiter einliegendem Fixateur externe. Der Tabakkonsum wurde vollständig eingestellt, stattdessen wurde er mit Nicotin-Pflastern versorgt. Der Patient fiel zunehmend als schläfrig und wesensverändert auf: Er zeigte sich zu keiner Qualität vollständig orientiert und imponierte psychomotorisch deutlich verlangsamt. Daneben wurden tachykarde Herzfrequenzen mit bis zu 113 Schlägen pro Minute, eine ausgeprägte Sialorrhö und im Verlauf Fieber mit Temperaturen bis zu 38,6 °C beobachtet (Tag 5). Auch das C-reaktive Protein (CRP) zeigte sich stark erhöht bei etwa 160 mg/dl. Mittels Röntgenaufnahme des Thorax konnte eine Aspirationspneumonie nachgewiesen, andere Infektquellen dahingegen ausgeschlossen werden. Zunächst wurde diese mit intravenösem Ceftriaxon behandelt (Tag 6). Bei unzureichender Wirksamkeit und weiterhin ansteigenden Entzündungsparametern erfolgte die Umstellung auf Piperacillin/Tazobactam (Tag 8). Aufgrund der potenziellen QTc-verlängernden Wirkung, insbesondere in Kombination mit der übrigen Psychopharmakotherapie, erfolgten tägliche EKG-Kontrollen, die jeweils dahingehend unauffällig verblieben. Die klinische Symptomatik des Patienten sowie die CRP-Werte zeigten sich hierunter rückläufig (Abb. 1).
Neben der Aspirationspneumonie ergab sich eine zusätzliche besorgniserregende Beobachtung: Der letzte Stuhlgang wurde durch die Kollegen der Unfallchirurgie am ersten postoperativen Tag (Tag 1) dokumentiert und lag mittlerweile mehr als eine Woche zurück. In der Untersuchung des Abdomens war eine große Walze im Unterbauch tastbar, daneben ergaben sich keine Auffälligkeiten, der Patient beklagte keine Schmerzen. Es erfolgte die tägliche Verabreichung von hohen Dosen Lactulose und Macrogol sowie die wiederholte Applikation von Klistieren und Klysmen. Als diese Maßnahmen nach fünf Tagen weiterhin erfolglos blieben, erfolgte die Gabe von Gastrografin® (Tag 10), einem Röntgenkontrastmittel zur Darstellung des Magen-Darm-Traktes mit den Wirkstoffen Natriumamidotrizoat und Megluminamidotrizoat, sowie die Applikation des peripher wirksamen Opioid-Rezeptorantagonisten Methylnaltrexon (Tag 12). Nach Mitbeurteilung durch die Viszeralchirurgen wurde eine notfallmäßige Computertomographie des Abdomens veranlasst, worin sich eine massive Koprostase mit einer stark gefüllten Rektumampulle (9 cm Durchmesser) darstellte (Tag 12). Hinweise auf einen Ileus ergaben sich nicht. Anschließend erfolgte die erneute Gabe von Gastrografin®, woraufhin der Patient im weiteren Verlauf des Abends massiv und schmerzhaft abführte, nachdem der Stuhlgang zu diesem Zeitpunkt für mindestens zwölf Tage ausgeblieben war.
Die Rolle des Clozapins
Was genau ist passiert während des postoperativen Verlaufs des Patienten, insbesondere im Hinblick auf die eingangs erwähnte Behandlung mit Clozapin? Der Patient hatte an Tag 2 einen erniedrigten Clozapin-Spiegel von 222 µg/l. Dies deutet darauf hin, dass er während seiner einwöchigen Abwesenheit von Station seine Psychopharmakotherapie, unter anderem bestehend aus Clozapin 900 mg/Tag, vermutlich nicht wie verordnet eingenommen hatte, was wahrscheinlich auch die zur Aufnahme führende psychotische Exazerbation begünstigt hatte. Entsprechend stellte der Wiederbeginn der Behandlung in der Dosierung von 900 mg/Tag retrospektiv gesehen eine zu hohe Einstiegsdosis dar. Zwar erfolgte unmittelbar nach der operativen Versorgung (Tag 0) die prophylaktische Dosisreduktion auf 600 mg/Tag, diese war jedoch unzureichend: Die Serumkonzentrationsbestimmung am siebten postoperativen Tag ergab einen Wert von 876 µg/l, der oberhalb des therapeutischen Referenzbereichs lag. Im weiteren Verlauf der Behandlung wurde die Dosis des Clozapins gesenkt (ab Tag 8), worunter sich im Weiteren Clozapin-Serumkonzentrationen innerhalb des therapeutischen Referenzbereichs darstellten (Abb. 1).
Somit sind die beobachteten psychopathologischen, als Delir imponierenden Merkmale mit Vigilanzminderung, Desorientierung und psychomotorischer Verlangsamung sowie auch die somatischen Auffälligkeiten (Tachykardie, Sialorrhö) am ehesten als Symptome einer Clozapin-Intoxikation zu werten. Diese hat aufgrund der Sedierung und der Sialorrhö die Entstehung der Aspirationspneumonie begünstigt. Daneben wurde der ohnehin bereits immobilisierte Patient noch mit einer Reihe weiterer Arzneistoffe behandelt, die die Sedierung – und somit das Risiko einer Pneumonie – begünstigt haben könnten, nämlich Pipamperon, Amisulprid sowie Hydromorphon.
Auch die schwerwiegende Obstipation ist zu wesentlichen Anteilen pharmakologisch mitverursacht, obgleich natürlich auch berücksichtigt werden muss, dass der postoperative Verlauf, die damit einhergehende Immobilisierung sowie auch der Wegfall des Tabakkonsums einen negativen Einfluss auf die Darmperistaltik gehabt haben können. Die starken antimuskarinergen Effekte des zu diesem Zeitpunkt auch überdosierten Clozapins sowie die Gabe von hochdosierten Opioiden haben zum Schweregrad der Symptomatik beigetragen. Auch können pharmakodynamische obstipierende Effekte von Pipamperon und Amisulprid einen gewissen Beitrag geleistet haben.
Diskussion
Insgesamt hatte der Patient in diesem Fall also drei unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) während des postoperativen Verlaufs: (1) Eine Clozapin-Intoxikation durch die veränderte Pharmakokinetik, (2) eine Aspirationspneumonie sowie (3) eine schwere Obstipation. Um zu verstehen, wie es hierzu kam, müssen die pharmakokinetischen Eigenschaften des Clozapins genauer betrachtet werden.
Clozapin-Metabolismus
Clozapin wird durch mehrere CYP-Enzyme metabolisiert. Hierbei sind insbesondere CYP1A2, aber auch CYP2C19, CYP3A4 und zu einem geringen Anteil CYP2D6 beteiligt [14]. Die pharmakogenetischen Auffälligkeiten des Patienten im Sinne eines Ultrarapid-Metabolizer-Status von CYP2C19 und CYP2D6 und der Raucherstatus (starke CYP1A2-Induktion bei über 10 Zigaretten pro Tag) haben dazu beigetragen, dass der Patient präoperativ mit 900 mg/Tag besonders hohe Dosen Clozapin benötigte. Für CYP1A2 sind aktuell keine pharmakogenetischen Varianten zuverlässig beschrieben [11], allerdings weist es eine starke Induzierbarkeit durch diverse exogene und endogene Einflüsse auf. Einer der Einflussfaktoren mit besonders hoher Relevanz ist Tabakrauch [7, 16] (Abb. 2).

Abb. 2. Einfluss von Entzündungsmediatoren und Zigarettenrauch auf die Metabolisierung von Clozapin durch das Cytochrom-P450-Isoenzym 1A2 Entzündungsmediatoren führen zu einer Hemmung des Abbaus über CYP1A2. Diese Effekte führen innerhalb von wenigen Tagen zu einem verminderten Abbau von Clozapin. Hierdurch steigt die Clozapin-Konzentration im Serum, was eine Intoxikation zur Folge haben kann. Daneben ist CYP1A2 durch die im Zigarettenrauch vorhandenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) induzierbar. Die maximale Induktion ist bei einem Konsum von circa 10 Zigaretten pro Tag erreicht. Die Induktion bedingt die Synthese neuer CYP-Enzyme, wodurch es innerhalb von Tagen bis Wochen zu einem vermehrten Abbau von Clozapin mit einer nachfolgend verminderten Serumkonzentration kommt. Durch Wegfall des Rauchens kommt es nach drei bis sieben Tagen zur Deinduktion von CYP1A2. So wird Clozapin wieder vermindert abgebaut und es besteht die Gefahr einer Intoxikation unter Beibehalt der ursprünglichen Dosierung. (Adaptiert nach [16].)
Postoperative Veränderung der Pharmakokinetik
Bei dem Patienten kamen postoperativ zwei Effekte zum Tragen. Der Rauchstopp und die postoperative Entzündungsreaktion haben eine so starke Veränderung der Pharmakokinetik bedingt, dass es trotz der Dosisreduktion des Clozapins auf 600 mg/Tag zu einer Intoxikation kam. Diverse Entzündungsmediatoren, darunter Interleukin 1, Interleukin 6 und Tumornekrosefaktor alpha, können eine inhibitorische Wirkung auf CYP1A2 ausüben. Die Effekte werden nach wenigen Tagen relevant [16]. Zwar werden diese Interleukine im Regelfall nicht direkt laborchemisch bestimmt, als Orientierung kann hier aber die standardmäßig erfolgte CRP-Messung dienen, da CRP-Werte als unspezifische Entzündungsmarker ebenfalls Serumkonzentrationsveränderungen von Clozapin prädizieren können [8]. Dies impliziert, dass bei erhöhten CRP-Werten besondere Vorsicht bei mit Clozapin behandelten Patienten geboten ist. Einheitliche Empfehlungen für eine prophylaktische Dosisreduktion, beispielsweise bei einer Pneumonie, sind derzeit nicht verfügbar. Es wird jedoch von einigen Experten empfohlen, diese im Falle einer Infektion durchzuführen und die Clozapin-Dosis auf ein Drittel der Ausgangsdosierung zu reduzieren oder die Behandlung sogar gänzlich zu pausieren [5]. Es sollte allerdings nicht grundsätzlich immer bei einer Inflammation reflexartig die Clozapin-Dosis gesenkt werden – einige Patienten bleiben während einer Entzündung und stark erhöhten Clozapin-Serumkonzentrationen asymptomatisch, da Clozapin eine hohe Affinität zu dem Akute-Phase-Protein Alpha-1-Glykoprotein besitzt und von diesem gebunden wird. Da nur die freie Fraktion pharmakologisch aktiv ist, die Serumkonzentration jedoch die freie und die gebundene Fraktion von Clozapin darstellt, ist auch bei erhöhten Clozapin-Konzentrationen in manchen Fällen keine Dosisreduktion vonnöten [17]. In jedem Fall ist in diesem Zusammenhang eine sorgfältige Güterabwägung unerlässlich, um andererseits das Risiko einer psychotischen Exazerbation möglichst zu minimieren. In dem hier vorgestellten Fall hätte die oben genannte Empfehlung zur Dosisanpassung eine Reduktion von 900 mg auf 300 mg täglich bedeutet; möglicherweise wäre es hierunter tatsächlich nicht zu einer Clozapin-Intoxikation gekommen. Die in diesem Fall beobachtete sehr frühe CRP-Erhöhung auf 160 mg/dl, die bereits am zweiten postoperativen Tag nachweisbar war, spricht dafür, dass schon zu diesem frühen postoperativen Zeitpunkt eine Infektion vorlag. Da der Patient bis zum vierten postoperativen Tag in der Abteilung für Unfallchirurgie in Behandlung war, ist der Verlauf dieses Behandlungsabschnitts leider nicht gänzlich nachvollziehbar, allerdings scheint keine weiterführende Diagnostik oder Behandlung stattgefunden zu haben.
Einfluss des Rauchverhaltens
Daneben beeinflusste in diesem Fall auch das veränderte Rauchverhalten des Patienten die Verstoffwechslung von Clozapin über CYP1A2 auf eine entscheidende Art und Weise. Die im Tabakrauch enthaltenen polyzyklischen Kohlenwasserstoffe – also explizit nicht das Nicotin – induzieren CYP1A2. Der maximal induzierbare Effekt wird nach dem Konsum von sieben bis zwölf Zigaretten am Tag erreicht [19]; eine weitere Steigerung des Rauchverhaltens macht demnach keinen Unterschied. Durch Wegfall des Rauchens im hier beschriebenen Fall kam es zu einer Deinduktion von CYP1A2, deren Effekt mit einer einwöchigen Latenz zu antizipieren war [1]. So können Wirkstoffkonzentrationen von CYP1A2-Substraten wie Clozapin um durchschnittlich 30 % [19] bis zu 70 % ansteigen [15]. Es gibt Fälle, bei denen nach Rauchstopp sogar ein über 250%iger Anstieg der Clozapin-Serumkonzentration beschrieben wurde [15]. Bei einem Rauchstopp wird eine Reduktion der Clozapin-Dosis um 30 % empfohlen, wobei dies durch ein engmaschiges TDM begleitet werden sollte [19]. Die Verwendung von Nicotin-Ersatzprodukten (zum Beispiel Pflaster) kann diesen Effekt nicht ausgleichen, Nicotin hat nämlich keinen Einfluss auf CYP1A2.
Manifestierung der Obstipation
Die bei einer Clozapin-Intoxikation zu erwartenden Symptome entsprechen den pharmakodynamischen Eigenschaften von Clozapin an seinen Zielstrukturen, zum Beispiel an muskarinergen Acetylcholin-Rezeptoren, Histamin-Rezeptoren, Alpha-1-Rezeptoren und diversen Subtypen von Serotonin- und Dopamin-Rezeptoren. So entstehen zahlreiche periphere und zentrale Manifestationen, wie Tachykardie, Obstipation, arterielle Hypo- oder Hypertension, Sialorrhö, epileptische Anfälle, extrapyramidal-motorische Symptome, Vigilanzminderung und Delir [12]. Ein Teil dieser Symptome (Obstipation, Tachykardie, Sialorrhö, Vigilanzminderung, Delir) konnte auch in unserem Fallbericht beobachtet werden, wobei bei einigen dieser Symptome neben Clozapin auch andere Arzneistoffe und nichtpharmakologische Faktoren zur Ausprägung der Symptomatik einen Beitrag geleistet haben. Insbesondere die schwere Obstipation des Patienten war, wie bereits erwähnt, nicht nur medikamentös bedingt. Erfreulicherweise konnte diese nach zahlreichen, zum Teil frustranen medikamentösen Behandlungsversuchen gelöst werden. Grundsätzlich hätte in einem solchen Fall aber auch die manuelle beziehungsweise digitale Ausräumung als einfache, aber dennoch effektive Methode der Obstipationsbehandlung zur Anwendung kommen können [2]. Die Gabe von Opioiden geht per se immer mit einem hohen Risiko für Obstipation einher, sodass auch bereits ohne zusätzliche Gabe von Arzneistoffen mit obstipierenden Effekten (z. B. antimuskarinerg wirksame Arzneistoffe wie Clozapin) auf eine adäquate Prophylaxe geachtet werden sollte. Kombinationspräparate mit zusätzlicher Opioid-antagonistischer Wirkkomponente (z. B. Tilidin/Naloxon) können das Risiko für eine Obstipation ebenfalls verringern [9], sodass deren Einsatz bei entsprechenden Risikokonstellationen wie in diesem Fall möglicherweise günstiger gewesen wäre.
Therapie der Aspirationspneumonie
Neben der Clozapin-Intoxikation wurde durch ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren in diesem Fall auch die Entstehung der Aspirationspneumonie begünstigt. Insgesamt ist ein ohnehin erhöhtes Risiko für Pneumonien bei mit Clozapin behandelten Patienten beschrieben, zusätzlich verlaufen die Infektionen häufiger tödlich. Clozapin hat eine proinflammatorische Wirkung, sodass insbesondere bei schneller Eindosierung ein stark erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Pneumonie besteht [4, 18]. Es kann angenommen werden, dass hohe Einstiegsdosen, wie in hiesigem Fall, die proinflammatorische Wirkung ebenfalls begünstigen. Neben dieser Eigenschaft des Clozapins können andere UAW, die die Entstehung einer Lungenentzündung begünstigen (Sialorrhö, Sedierung), sowie weitere patientenbezogene Faktoren (Rauchverhalten bei Patienten mit therapieresistenter Schizophrenie mit höherem Risiko für Lungenerkrankungen) zum erhöhten Pneumonierisiko beitragen [6]. Die durch eine Lungenentzündung notwendig werdende antibiotische Behandlung kann ebenfalls diverse Arzneimittelinteraktionen nach sich ziehen. In unserem Fall stellte die in erster Instanz getroffene Entscheidung zu einer Behandlung mit Ceftriaxon diesbezüglich eine eher interaktionsarme Wahl dar, denn für diese Kombination sind keine relevanten pharmakodynamischen oder -kinetischen Interaktionen beschrieben (gemäß Interaktionscheck auf psiac.de am 15.12.2023). Leider zeigte sich hierunter aber auch keine ausreichende Besserung der Pneumonie und es kam zu einem weiteren CRP-Anstieg. Die darauffolgende Umstellung auf Piperacillin/Tazobactam stellte dahingegen ein höheres Risiko für (pharmakodynamische) Interaktionen dar, denn Clozapin, Piperacillin und Tazobactam können jeweils QTc-Verlängerungen begünstigen. Die QTc-Verlängerung unter Clozapin ist ein dosisabhängiger Effekt [10], sodass die Gefahr hierfür bei einer Intoxikation besonders hoch erscheint. Zwar war zum Zeitpunkt des Beginns mit der antibiotischen Therapie noch nicht bekannt, dass eine Clozapin- Intoxikation vorliegt, die vorsorglichen EKG-Kontrollen erfolgten dennoch, allerdings ohne Hinweise auf QTc-Verlängerungen. Für andere antimikrobielle Arzneistoffe, die allerdings in diesem Fall keinen Einsatz fanden, sind zudem pharmakokinetische Arzneimittelinteraktionen mit Clozapin zu erwarten, die eine Hemmung des Clozapin-Abbaus bedingen und das Risiko für eine Clozapin-Intoxikation weiter erhöhen können. Zu diesbezüglich bedenklichen Kombinationspartnern gehören beispielsweise Ciprofloxacin, ein potenter Hemmstoff von CYP1A2 und CYP3A4, und die beiden Makrolide Clarithromycin und Erythromycin, die jeweils eine starke beziehungsweise moderate Hemmung von CYP3A4 verursachen [3].
Fazit für die Praxis
- Die Kombination von Clozapin mit einem Opioid stellt eine besondere klinische Risikosituation dar, in welcher größte Vorsicht durch den Behandler erfolgen muss. Mitunter ist das Risiko für eine schwerwiegende Obstipation erhöht.
- Die Verstoffwechslung von Clozapin erfolgt überwiegend über CYP1A2, welches durch diverse endogene und exogene Faktoren beeinflusst werden kann, hierzu zählen Tabakrauch und Entzündungsmediatoren.
- Die Eindosierung des proinflammatorischen Clozapins sollte in kleinen Schritten über einen längeren Zeitraum erfolgen, da ansonsten das Risiko für entzündliche Reaktionen erhöht ist.
- Veränderungen des Rauchverhaltens oder entzündliche Geschehen im Rahmen von Infektionen oder nach Operationen können die Serumkonzentration von Clozapin beeinflussen. Bei Rauchstopp und Infektionen drohen Intoxikationen.
- Bei mit Clozapin behandelten Patienten sollte unter diesen Umständen ein besonders sorgfältiges Monitoring auf Zeichen einer Clozapin-Intoxikation (z. B. Delir, antimuskarinerge Wirkungen) erfolgen. Hochfrequente Serumkonzentrationsbestimmungen und gegebenenfalls eine prophylaktische Dosisreduktion um ein Drittel bis zwei Drittel der Ausgangsdosis sollten erwogen werden.
Interessenkonflikterklärung
JS: Teilnahme an zwei von Otsuka/Lundbeck gesponsorten Weiterbildungsveranstaltungen.
SB, RG: Keine.
ST: Vortragshonorare Janssen-Cilag GmbH, Otsuka/Lundbeck, Recordati Pharma GmbH und Servier, Advisory Board Otsuka und Janssen-Cilag GmbH.
DD: Vortragshonorar von Aristo Pharma GmbH.
GH: Vortragstätigkeit ROVI GmbH.
GE: Vortragshonorar von Pfizer Pharma GmbH.
Literatur
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Priv.-Doz. Dr. med. Johanna Seifert, Priv.-Doz. Dr. med. Sermin Toto, Prof. Dr. med. Stefan Bleich, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover, E-Mail: seifert.johanna@mh-hannover.de
Dr. med. Dominik Dabbert, Klinik für Forensische Psychiatrie, Klinikum Bremen-Ost, Züricher Straße 40, 28235 Bremen
Dr. Renate Grohmann, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München, Nußbaumstraße 7, 80336 München
Dr. Gudrun Hefner, Vitos Klinik für forensische Psychiatrie, Kloster-Eberbach-Straße 4, 65346 Eltville
Dr. Gabriel Eckermann, Berlin
A complicated postoperative course in a patient treated with clozapine. Case Report from the pharmacovigilance project “Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie”
Due to its distinctive pharmacokinetic and pharmacodynamic properties, clozapine is among the psychotropic drugs with the most complex handling. The involvement of the cytochrome P450 (CYP) isoenzyme 1A2 renders clozapine’s metabolism particularly susceptible to disruptive influences, for example due to tobacco smoke and infections. In the following, we present the case of a patient treated with clozapine who experienced a series of postoperative complications including delirium, aspiration pneumonia, and severe constipation. These clinical presentations were the result of a clozapine intoxication with a serum concentration of 876 μg/l, which manifested due to postoperative altered pharmacokinetic properties. This case report underscores the paramount significance of therapeutic drug monitoring (TDM) in ensuring the safety of postoperative pharmacotherapy in patients treated with clozapine.
Key words: Drug safety, pharmacokinetics, pharmacodynamics, intoxication, smoking, inflammation, surgery, therapeutic drug monitoring, CYP-enzymes
Psychopharmakotherapie 2024; 31(02):56-61