Therapie von Migräneattacken

Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Zavegepant 10 mg als Nasenspray


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer doppelblinden, randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie war Zavegepant, in einer Dosierung von 10 mg als Nasenspray angewendet, in der Behandlung von Migräneattacken wirksamer als Placebo und wurde gut vertragen.

Akute Migräneattacken werden üblicherweise mit Analgetika, nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Triptanen als Tabletten und in Ausnahmefällen mit subkutanem Sumatriptan behandelt. Schon seit Langem gibt es einzelne Triptane auch als Nasenspray für Patienten, die früh erbrechen und daher keine Tablette einnehmen können. Zavegepant ist ein intranasal verabreichter, niedermolekularer Calcitonin-Gene-Related-Peptide(CGRP)-Rezeptor-Antagonist, der sich in einer Phase-II/III-Studie in Dosierungen von 10 mg und 20 mg wirksam gezeigt hatte [1]. Ziel der vorliegenden Phase-III-Studie war es, die Wirksamkeit, Verträglichkeit, Sicherheit und den zeitlichen Verlauf des Ansprechens von Zavegepant-Nasenspray bei der Behandlung von Migräneattacken mit Placebo zu vergleichen.

Studiendesign

Die doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie wurde an 90 akademischen medizinischen Zentren, Kopfschmerzkliniken und unabhängigen Forschungseinrichtungen in den USA durchgeführt. Für die Studie wurden Erwachsene mit einer Vorgeschichte von zwei bis acht mittelschweren oder schweren Migräneattacken pro Monat rekrutiert. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip (1 : 1) zu Zavegepant-Nasenspray (10 mg) oder Placebo-Nasenspray randomisiert und behandelten eine einzelne Migräneattacke von mittlerer oder schwerer Schmerzintensität. Die Teilnehmer dokumentierten die Schmerzintensität, Begleitsymptome und den Grad der funktionellen Einschränkung auf einem speziellen Handheld, und zwar unmittelbar vor der Anwendung des Nasensprays sowie 15, 30, 45, 60 und 90 Minuten und 2, 3, 4, 6, 8, 24 und 48 Stunden danach. Innerhalb von sieben Tagen suchten sie ihr Studienzentrum auf, wo auch Sicherheits- und Verträglichkeitsparameter erhoben wurden. Alle Studienteilnehmer, Prüfer und der Sponsor waren hinsichtlich der Gruppenzuordnung maskiert.

Die beiden primären Wirksamkeits-Endpunkte waren Schmerzfreiheit und Freiheit vom störendsten Begleitsymptom der Migräneattacke zwei Stunden nach der Behandlungsdosis. In die Auswertung gingen alle protokollgemäß behandelten Patienten ein, für die mindestens ein Wirksamkeitsdatensatz vorlag. Die Sicherheit und Verträglichkeit wurde bei allen Teilnehmern untersucht, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation anwendeten.

Ergebnisse

Zwischen Oktober 2020 und August 2021 wurden 1978 Personen auf ihre Eignung überprüft. 1405 Teilnehmer kamen für die Studie infrage. Die Patienten waren im Mittel 41 Jahre alt und 83 % waren Frauen. Bei 66 % bestand eine Migräne ohne Aura. Die durchschnittliche Dauer unbehandelter Migräneattacken betrug 24 Stunden. Das am häufigsten geklagte besonders störende Begleitsymptom der Migräne war Lichtempfindlichkeit mit 60 % gefolgt von Übelkeit mit 25 %.

Für die Wirksamkeitsanalyse standen Ergebnisse von 1269 Patienten zur Verfügung. Zwei Stunden nach der Behandlung waren 147 (24 %) von 623 Teilnehmern in der Zavegepant-Gruppe und 96 (15 %) von 646 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe schmerzfrei. Dies entspricht einer Risikodifferenz von 8,8 Prozentpunkten (95%-Konfidenzintervall [KI] 4,5–13,1; p < 0,0001). Die Abwesenheit des störendsten Symptom der Migräneattacke fand sich bei 247 Patienten (40 %) mit Zavegepant gegenüber 201 (31 %) bei Placebo. Die Risikodifferenz betrug 8,7 Prozentpunkte (95%-KI 3,4–13,9; p = 0,0012).

Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in beiden Behandlungsgruppen (≥ 2 %) waren Dysgeusie mit 129 (21 %) von 629 in der Zavegepant-Gruppe gegenüber 31 (5 %) von 653 in der Placebo-Gruppe, „nasale Beschwerden“ mit 23 (4 %) gegenüber 5 (1 %) und Übelkeit mit 20 (3 %) gegenüber 7 (1 %). Es gab keine Hinweise auf eine mögliche Hepatotoxizität durch Zavegepant.

Kommentar

Diese große Studie aus den Vereinigten Staaten zeigt eine Überlegenheit von Zavegepant-Nasenspray im Vergleich zu einem Placebo-Nasenspray. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind typisch für die Applikation eines Nasensprays, wobei hier Geschmacksstörungen im Vordergrund stehen. Die Wirksamkeit des Zavegepant-Nasensprays ist in etwa vergleichbar mit der oralen Gabe von Rimegepant, einem oralen CGRP-Rezeptorantagonisten [2]. Gepante werden wahrscheinlich eingesetzt werden bei Patienten, die Kontraindikationen gegen den Einsatz von Triptanen haben. Entsprechende Vergleichsstudien zwischen Gepanten in dieser Patientenpopulation gibt es allerdings bisher nicht. In der Vergangenheit war bei einzelnen CGRP-Rezeptorantagonisten eine mögliche Hepatotoxizität beobachtet worden [3]. Dies war in der hier durchgeführten Studie mit Zavegepant-Nasenspray nicht der Fall.

Es gab in der Vergangenheit in Deutschland Sumatriptan und Zolmitriptan als Nasenspray zur Behandlung von akuten Migräneattacken. Beide Anwendungsformen haben sich allerdings am Markt nie durchgesetzt. Der am häufigsten angegebene Grund von Patienten, warum sie den Nasenspray nicht anwenden wollten, waren der bittere Geschmack bei schon bestehender Übelkeit. Im Moment ist noch unklar ob Zavegepant in Europa zugelassen wird und wie der Preis für die Behandlung einer Migräneattacke sein wird.

Quelle

Lipton RB, et al. Safety, tolerability, and efficacy of zavegepant 10 mg nasal spray for the acute treatment of migraine in the USA: a phase 3, double-blind, randomized, placebo-controlled multicentre trial. Lancet Neurol 2023;22:209–17.

Literatur

1. Croop R, et al. Zavegepant nasal spray for the acute treatment of migraine: A Phase 2/3 double-blind, randomized, placebo-controlled, dose-ranging trial. Headache 2022;62:1153–63.

2. Lipton RB, et al. Rimegepant, an oral calcitonin gene-related peptide receptor antagonist, for migraine. N Engl J Med 2019;381:142–9.

3. Woodhead JL, et al. Comparing the liver safety profiles of 4 next-generation CGRP receptor antagonists to the hepatotoxic CGRP inhibitor telcagepant using quantitative systems toxicology modeling. Toxicol Sci 2022;188:108–16.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(03):100-105