Chronische Schmerzen

Intrathekale Analgesie als Alternative zur Behandlung starker chronischer Schmerzen


Leoni Burggraf, Hamburg

Starke chronische Schmerzen stellen Patienten und Behandler gleichermaßen vor große Herausforderungen. Denn trotz eines umfangreichen Arsenals konventioneller Interventionen können nicht bei allen Betroffenen zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden. Bei unkontrollierten chronischen Schmerzen können die Patienten von einer intrathekalen Analgesie mit Ziconotid profitieren. Die Rolle dieser Therapie wurde bei einem von Esteve Pharmaceuticals veranstalteten Symposium im Rahmen des Deutschen Schmerz- und Palliativtags diskutiert.

Die Lebensqualität von Patienten mit chronischen Schmerzen ist erheblich eingeschränkt. Daher empfiehlt das WHO-Stufenschema je nach Schmerzintensität die alleinige oder kombinierte Gabe von Nicht-Opioid-Analgetika, Opioiden, nichtsteroidalen Antiphlogistika, Antidepressiva oder Antikonvulsiva [4]. Das Behandlungsziel ist die Reduktion der Schmerzen sowie die Verbesserung der Lebensqualität. Nicht immer können diese Ziele mithilfe einer oralen oder systemischen Behandlung erreicht werden. In diesen Fällen steht eine intrathekale Analgesie zur Verfügung, die in Deutschland nach wie vor nur sehr zurückhaltend eingesetzt wird. Zu Unrecht, wie Dr. med. Michael Küster, Bad Godesberg, aufzeigte. Denn auch in späten Stadien können Schmerzen auf diese Weise noch effektiv gelindert werden. Eingesetzt werden können Morphin, Ziconotid und Baclofen. Der N-Typ-Calciumkanalblocker Ziconotid (Prialt®), ein Nichtopioid, gilt dabei als erste Alternative zu Morphin. Er inhibiert im Hinterhorn des Rückenmarks präsynaptisch den spannungsabhängigen Calciumeinstrom in primäre nozizeptive afferente Nerven. So kann die Freisetzung von Neurotransmittern gehemmt werden, die im Rückenmark für die Weiterleitung von Schmerzsignalen verantwortlich zeichnen [3]. Im Vergleich zu Morphin tritt die Wirkung zwar langsamer ein, dafür besteht aber kein Toleranzrisiko und es sind keine Entzugserscheinungen zu befürchten, wie Dr. med. Thorsten Luecke, Linz-Remagen, erläuterte. In Studien hat Ziconotid zudem als First-in-pump-Analgetikum, also als First-Line-Präparat vor Morphin, eine bessere Wirksamkeit gezeigt als in späteren Therapielinien [2].

Bei der Anwendung von Ziconotid ist auf unerwünschte kognitive und neuropsychiatrische Wirkungen zu achten. Um diese möglichst zu vermeiden und eine bestmögliche Wirkung zu erzielen, sollte das Analgetikum niedrig ein dosiert und die Dosis dann in enger Absprache mit dem Betroffenen langsam gesteigert werden.

Internationale Leitlinien empfehlen invasive Schmerztherapie

Durch die Umgehung der Blut-Hirn-Schranke und des First-Pass-Effekts ist die intrathekale Analgesie aus Sicht von Priv.-Doz. Dr. med. Dirk Rasche, Lübeck, eine wichtige Ergänzung in der Behandlung von starken chronischen Schmerzen – unabhängig davon, ob es sich um nozizeptive und/oder neuropathische Tumor- oder Nicht-Tumorschmerzen handelt. Dies unterstreichen auch die Empfehlungen internationaler Leitlinien, die in Ziconotid einen wichtigen Bestandteil der modernen interventionellen Analgesie zur Behandlung schwerer chronischer Schmerzen sehen – vielfach in der Erstlinientherapie, wenn keine psychiatrischen oder signifikanten renalen Komorbiditäten vorliegen [1]. Die aktuellen deutschen Praxis-Leitlinien haben hingegen die intrathekale Analgesie noch nicht in ihre Empfehlungen mit aufgenommen. Aus Sicht der Experten wäre es wünschenswert, die aktuell bestehenden Versorgungslücken zu schließen und daher alle Therapieoptionen für starke, chronische Schmerzen in eine Handlungsempfehlung zu überführen.

Quelle

Symposium „SCS und Pumpen: Wohin mit den Schmerzen“, veranstaltet von Esteve Pharmaceuticals GmbH, im Rahmen des Deutschen Schmerz- und Palliativtags 2023 – Online, am 17. März 2023

Literatur

1. Deer TR, et al. The Polyanalgesic Consensus Conference (PACC): Recommendations on intrathecal drug infusion systems – Best practices and guidelines. Neuromodulation. 2017;20:96–132.

2. Fachinformation Prialt® 100 Mikrogramm/ml Infusionslösung. Stand: 08/2022.

3. Matis G et al. Intrathecal pain management with ziconotide: Time for consensus? Brain Behav 2021;11(Suppl 1):e02055.

4. Vargas-Schaffer G, et al. Is the WHO analgesic ladder still valid? Twenty-four years of experience. Can Fam Physican 2010;56:514–7.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(03):100-105