Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Die Alzheimer-Krankheit (AD), eine neurodegenerative Erkrankung, ist durch Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Proteinablagerungen im Gehirn gekennzeichnet. Bisher gibt es keine zugelassene medikamentöse Therapie zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Ziel der beiden Studien CREAD und CREAD2 war die Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit von Crenezumab, einem humanisierten monoklonalen Immunglobulin-G4-Antikörper, der auf Beta-Amyloid-Oligomere abzielt, bei Patienten mit prodromaler oder leichter (früher) Alzheimer-Krankheit.
Studiendesign
Es handelte sich um zwei randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudien, die an 194 Standorten in 30 Ländern (CREAD) bzw. 209 Standorten in 27 Ländern (CREAD2) durchgeführt wurden. Die Studien wurden 2016 bzw. 2017 initiiert. An den beiden Studien nahmen Personen im Alter von 50 bis 85 Jahren mit M. Alzheimer im Frühstadium teil. Zu den Ausschlusskriterien gehörten verschiedene Erkrankungen in der Anamnese, die mit einem neurologischen Defizit einhergehen können, Anzeichen eines ischämischen Schlaganfalls oder mehr als vier Mikroblutungen oder leptomeningeale Hämosiderinablagerungen in der Magnetresonanztomographie.
Insgesamt wurden 3736 bzw. 3664 Teilnehmer gescreent. Nach dem Ausschluss von 2923 bzw. 2858 Teilnehmern wurden 813 Teilnehmer in CREAD und 806 in CREAD2 nach dem Zufallsprinzip in einem Verhältnis von 1 : 1 der Behandlung mit Placebo oder Crenezumab zugeteilt. Die Teilnehmer erhielten Placebo oder 60 mg/kg Crenezumab intravenös alle vier Wochen für bis zu 100 Wochen.
Der primäre Endpunkt war die Veränderung des CDR-SB-Scores (Clinical Dementia Rating-Sum of Boxes) vom Ausgangswert bis Woche 105.
Ergebnisse
An CREAD nahmen 483 Frauen und 330 Männer mit einem mittleren Alter von 70,7 Jahren teil. In CREAD2 waren es 456 Frauen und 350 Männer mit einem mittleren Alter von 70,9 Jahren. Die Ausgangscharakteristika waren in beiden Gruppen ausgewogen.
In einer geplanten Zwischenanalyse der CREAD-Studie mit Daten von 88 Placebo- und 86 Crenezumab-behandelten Teilnehmern ergab sich für die mittlere Veränderung des CDR-SB-Scores in Woche 105 eine Placebo-Verum-Differenz von –0,17 (95%-Konfidenzintervall –0,86 bis 0,53; p = 0,63). Daraus wurde geschlossen, dass die CREAD-Studie den primären Endpunkt wahrscheinlich nicht erreichen würde. In der CREAD2-Studie hatte zu diesem Zeitpunkt noch kein Teilnehmer die volle Studiendauer von 105 Wochen erreicht. Beide Studien wurden nach dieser Zwischenanalyse abgebrochen.
Im Vergleich zu früheren Studien wurden in den CREAD-Studien keine neuen Sicherheitssignale festgestellt. Amyloidbedingte Bildgebungsanomalien mit einem Hirnödem waren selten, leicht und vorübergehend. Es wurden keine bedeutsamen Veränderungen der Alzheimer-assoziierten Biomarker beobachtet.
Kommentar
Es besteht nach wie vor ein großes Interesse an der Erforschung von Anti-Amyloid-beta-(Aβ-)Behandlungen in frühen Stadien der Alzheimer-Erkrankung. Bei symptomatischen Erkrankungen wurden Wirksamkeitssignale für Anti-Aβ-Antikörper berichtet, die sowohl gegen Monomere (Solanezumab) als auch auf aggregiertes Aβ (Gantenerumab, Aducanumab, Lecanemab, Donanemab) gerichtet sind. Die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat eine Zulassung für den Anti-Aβ-Antikörper Aducanumab für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit erteilt, nachdem Studien eine Verringerung der Aβ-Plaques gezeigt hatten. Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat die Zulassung abgelehnt, da klinische Endpunkte durch Aducanumab nicht verbessert wurden. Klinische Studien mit Beta-Sekretase-Inhibitoren wurden hingegen aufgrund von fehlender Wirksamkeit oder Sicherheitsbedenken, einschließlich einer Verschlechterung der Kognition in den aktiven Behandlungsgruppen, nicht weiterentwickelt.
Crenezumab wurde entwickelt, um an Aβ-Oligomere zu binden, von denen man annimmt, dass sie ursächlich für die Neurotoxizität sind. Crenezumab bindet auch an Aβ-Monomere, allerdings mit etwa 10-fach geringerer Affinität. Leider waren die beiden CREAD-Studien negativ.
Nach über 160 gescheiterten Placebo-kontrollierten Studien zur kausalen Therapie des Morbus Alzheimer ist im Moment eine erhebliche Ernüchterung eingetreten. Es gibt viele Hinweise dafür, dass Beta-Amyloid nur ein Biomarker für die Erkrankung ist, aber nicht das eigentlich pathogene Agens. Für diese Annahme spricht, dass in einigen der Studien ein Rückgang der Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn gefunden wurde, die Krankheit selbst aber weiter fortschritt.
Quelle
Ostrowitzki S, et al. Evaluating the safety and efficacy of crenezumab vs placebo in adults with early Alzheimer disease: Two phase 3 randomized placebo-controlled trials. JAMA Neurol. Published online September 19, 2022. DOI :10.1001/jamaneurol.2022.2909.
Psychopharmakotherapie 2022; 29(06):230-239