Parkinson-Krankheit

Antikörper gegen aggregiertes Alpha-Synuclein beim frühen M. Parkinson nicht wirksam


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Alpha-Synuclein-Aggregate im Gehirn sind ein wichtiges pathophysiologisches Agens bei Morbus Parkinson. Daher wurden Antikörper gegen Alpha-Synuclein zur Behandlung des Morbus Parkinson entwickelt. Zwei randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-II-Studien mit Cinpanemab und Prasinezumab zeigten allerdings keine Wirksamkeit. Es gibt also weiterhin keine kausale Therapie des M. Parkinson.

Aggregiertes Alpha-Synuclein spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Parkinson-Krankheit. Die derzeitige Annahme ist, dass es im Rahmen eines gestörten Mikrobioms im Darm zur Akkumulation von Alpha-Synuclein kommt, das dann über die Darmschleimhaut transportiert wird. Von dort kann es retrograd über den Nervus vagus ins Gehirn transportiert werden. Im Gehirn verhalten sich Alpha-Synuclein-Aggregate ähnlich wie ein infektiöses Agens und breiten sich in die Hirnstrukturen aus, die für die Pathophysiologie des M. Parkinson verantwortlich sind. Ein neuer Therapieansatz sind monoklonale Antikörper, die an Alpha-Synuclein binden und es neutralisieren.

SPARK (Cinpanemab)

Studiendesign

In einer 52-wöchigen, multizentrischen, doppelblinden Phase-II-Studie wurden Patienten mit M. Parkinson in einem frühen Krankheitsstadium nach dem Zufallsprinzip in einem Verhältnis von 2 : 1 : 2 : 2 Placebo oder Cinpanemab in einer Dosis von 250 mg, 1250 mg oder 3500 mg i. v. alle vier Wochen zugeteilt (Tab. 1), gefolgt von einer dosisverblindeten Verlängerungsphase der aktiven Behandlung für bis zu 112 Wochen. Die primären Endpunkte waren die Veränderungen der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale der Movement Disorder Society (MDS-UPDRS; Bereich 0–236, wobei höhere Werte eine schwerere Krankheit anzeigen) im Vergleich zum Ausgangswert in den Wochen 52 und 72. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die MDS-UPDRS-Subskalen. Außerdem wurde die Dopaminbindung anhand der Dopamin-Transporter-Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (DaT-SPECT) ermittelt.

Tab. 1. Studiendesigns von SPARK und PASADENA [ClinicalTrials.gov]

SPARK

PASADENA

Erkrankung

Früher Morbus Parkinson

Studienziel

Wirksamkeit, Sicherheit, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von BIIB054 (Cinpanemab)

Wirksamkeit von RO7046015/PRX002 (Prasinezumab)

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, Phase II

Eingeschlossene Patienten

357

316

Interventionen

  • Cinpanemab 250 mg i. v. (n = 55)
  • Cinpanemab 1250 mg i. v. (n = 102)
  • Cinpanemab 3500 mg i. v. (n = 100)
  • Placebo (n = 100)
  • Prasinezumab 1500 mg i. v. (n = 105)
  • Prasinezumab 4500 mg i. v. (n = 106)
  • Placebo (n = 105)

jeweils alle vier Wochen für 52 Wochen

Primärer Endpunkt

Veränderungen der Movement Disorder Society Revision der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS) im Vergleich zum Ausgangswert in Woche 52 (und Woche 72 in SPARK)

Sponsor

Biogen

Hoffmann-La Roche

Studienregister-Nr.

NCT03318523

NCT03100149

Ergebnisse Cinpanemab

Von den 357 Studienteilnehmern wurden 100 der Kontrollgruppe, 55 der 250-mg-Cinpanemab-Gruppe, 102 der 1250-mg-Gruppe und 100 der 3500-mg-Gruppe zugewiesen. Die Studie wurde nach der Zwischenanalyse in Woche 72 wegen mangelnder Wirksamkeit vorzeitig beendet.

Die Patienten hatten zu Beginn im Mittel einen MDS-UPDRS-Score von 32,4. Die Veränderung des MDS-UPDRS-Scores bis Woche 52 betrug

  • 10,8 Punkte in der Kontrollgruppe,
  • 10,5 Punkte unter 250 mg,
  • 11,3 Punkte unter 1250 mg und
  • 10,9 Punkte unter 3500 mg.

Die mittlere Differenz versus Kontrollgruppe betrug –0,3 Punkte (95%-Konfidenzintervall [KI] –4,9 bis 4,3; p = 0,90); 0,5 Punkte (95%-KI –3,3 bis 4,3; p = 0,80) und 0,1 Punkte (95%-KI –3,8 bis 4,0; p = 0,97). Der mittlere Unterschied nach 72 Wochen zwischen den Teilnehmern, die Cinpanemab bis zu 72 Wochen erhielten, und der gepoolten Gruppe derjenigen, die nach 52 Wochen mit Cinpanemab begannen, betrug –0,9 Punkte (95%-KI –5,6 bis 3,8) für die 250-mg-Dosis, 0,6 Punkte (95%-KI –3,3 bis 4,4) für die 1250-mg-Dosis und –0,8 Punkte (95%-KI –4,6 bis 3,0) für die 3500-mg-Dosis. Die Ergebnisse für die sekundären Endpunkte ähnelten denen der primären Endpunkte. Die DaT-SPECT-Bildgebung in Woche 52 zeigte keine Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe und den Cinpanemab-Gruppen. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter Cinpanemab waren Kopfschmerzen, Nasopharyngitis und Stürze.

PASADENA (Prasinezumab)

Studiendesign

In dieser Phase-II-Studie erhielten Patienten mit M. Parkinson im Frühstadium nach dem Zufallsprinzip in einem Verhältnis von 1 : 1 : 1 Placebo oder Prasinezumab in einer Dosis von 1500 mg oder 4500 mg i. v. alle vier Wochen über 52 Wochen (Tab. 1). Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Summe der Punktzahlen in den Teilen I, II und III der MDS-UPDRS vom Ausgangswert bis zur Woche 52. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Dopamin-Transporterwerte im Putamen der Hemisphäre ipsilateral zur klinisch stärker betroffenen Körperseite, die mittels 123Iod-Ioflupan-Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (SPECT) gemessen wurden.

Ergebnisse Prasinezumab

Insgesamt wurden 316 Patienten eingeschlossen; 105 erhielten Placebo, 105 erhielten 1500 mg Prasinezumab und 106 erhielten 4500 mg Prasinezumab. Die mittleren MDS-UPDRS-Scores zu Studienbeginn betrugen 32,0 in der Placebo-Gruppe, 31,5 in der 1500-mg-Gruppe und 30,8 in der 4500-mg-Gruppe.

Die mittleren Veränderungen von Studienbeginn bis 52 Wochen betrugen

  • 9,4 in der Placebo-Gruppe,
  • 7,4 in der 1500-mg-Gruppe (Differenz zu Placebo –2,0; 80%-KI –4,2 bis 0,2; p = 0,24) und
  • 8,8 in der 4500-mg-Gruppe (Differenz zu Placebo –0,6; 80%-KI –2,8 bis 1,6; p = 0,72).

Bei den SPECT-Werten für den Dopamin-Transporter gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen mit aktiver Behandlung und der Placebo-Gruppe. Die Ergebnisse waren für die meisten klinischen sekundären Endpunkte in den Gruppen mit aktiver Behandlung und in der Placebo-Gruppe ähnlich. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 6,7 % der Teilnehmer in der 1500-mg-Gruppe und bei 7,5 % der Teilnehmer in der 4500-mg-Gruppe auf; Infusionsreaktionen traten bei 19,0 % bzw. 34,0 % der Patienten auf.

Kommentar

Die Ergebnisse der beiden hier referierten Studien haben die hohen Erwartungen von Klinikern und Wissenschaftlern bezüglich der krankheitsmodifizierenden Therapie bei M. Parkinson enttäuscht. Präklinische Modelle hatten nahegelegt, dass eine Immuntherapie mit Blockade von Alpha-Synuclein durch Antikörper möglicherweise den Krankheitsfortschritt hemmt. Beide Studien waren für die primären und sekundären Endpunkte negativ. Dies gilt auch für die SPECT-Untersuchungen. Prinzipiell gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten:

  1. Alpha-Synuclein ist nur ein Biomarker, aber nicht das eigentlich pathologische Agens.
  2. Die Behandlungsdauer war zu kurz, um einem biologischen Effekt zu sehen. Dazu müssten jetzt die Ergebnisse der noch laufenden offenen Langzeitstudie abgewartet werden.

Quellen

Lang AE, et al. Trial of cinpanemab in early Parkinson’s disease. N Engl J Med 2022;387:408–20.

Pagano G, et al. Trial of prasinezumab in early-stage Parkinson’s disease. N Engl J Med 2022;387: 421–32.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(06):230-239