Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Für die Behandlung akuter Migräneattacken stehen neben Analgetika und nichtsteroidalen Antirheumatika insgesamt sieben Triptane (Serotonin-5-HT1B/1D-Agonisten) zur Verfügung. In absehbarer Zukunft werden in Deutschland in der Gruppe der 5-HT1F-Rezeptor-Agonisten (Ditane) Lasmiditan und in der Gruppe der Calcitonin-Gene-Related-Peptide-Rezeptor-Antagonisten (Gepante) Ubrogepant und Rimegepant hinzukommen. Ziel der Metaanalyse war es, die Wirksamkeit der Medikamente im Vergleich zu Placebo zu untersuchen.
Methodik
Ausgewertet wurden randomisierte klinische Studien und systematische Reviews, in denen die Wirksamkeit der Akuttherapie bei Migräneanfällen untersucht worden war. Unabhängige Reviewer wählten die Studien aus und extrahierten die Daten. Die Endpunkte umfassten Schmerzfreiheit nach zwei Stunden, Schmerzlinderung nach zwei und 24 Stunden, anhaltende Schmerzfreiheit, anhaltende Schmerzlinderung und unerwünschte Ereignisse. Die Stärke der Evidenz (SOE [strength of evidence]) wurde anhand des Methodenleitfadens der US-amerikanischen Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) für die Beurteilung von Wirksamkeitsstudien (Methods guide for effectiveness and comparative effectiveness reviews) erfasst.
Ergebnisse
Die Ergebnisse für die Triptane und die nichtsteroidalen Antirheumatika wurden aus 15 systematischen Übersichten zusammengefasst. Für die anderen Therapien wurden 115 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 28 803 Patienten eingeschlossen. Im Vergleich zu Placebo waren Triptane und nichtsteroidale Antirheumatika signifikant mit einer Schmerzfreiheit und Schmerzreduktion nach zwei Stunden und einem Tag (moderate bis hohe SOE) assoziiert (Tab. 1).
Tab. 1. Ausgewählte Ergebnisse der Metaanalyse
Medikament |
RR für Schmerzfreiheit nach 2 Stunden |
N |
Sumatriptan 100 mg |
3,20 |
6571 |
Sumatriptan 6 mg s. c. |
3,85 |
2522 |
Rizatriptan 10 mg* |
2,43 |
3328 |
Acetylsalicylsäure |
2,08 |
2027 |
Zolmitriptan 2,5 mg |
2,06 (Schmerzlinderung) |
4904 |
Ibuprofen 400 mg |
1,91 |
2575 |
Paracetamol |
1,89 |
729 |
Lasmiditan |
1,95 |
7355 |
Rimegepant |
1,80 |
3428 |
Ubrogepant |
1,58 |
4172 |
RR: relatives Risiko im Verhältnis zu Placebo; * in der Metaanalyse kein RR-Wert genannt (nur Ansprechraten)
Signifikante Effekte fanden sich für die Gepante (niedrige bis hohe SOE), Lasmiditan (hohe SOE) und Paracetamol (mäßige SOE) (Tab. 1), für Dihydroergotamin (mäßige bis hohe SOE), Ergotamin plus Coffein (mäßige SOE), Antiemetika (geringe SOE), für das Opioid Butorphanol (niedrige SOE) und Tramadol in Kombination mit Paracetamol (niedrige SOE). Die Ergebnisse für weitere Opioide basierten auf einer niedrigen oder unzureichenden SOE. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf unerwünschte Ereignisse zwischen den Medikamenten und Placebo gefunden.
Kommentar
Diese Metaanalyse ist ein gutes Beispiel dafür was passiert, wenn Metaanalysen von Autoren gemacht werden, die reine Methodiker sind. Es hat Sinn, den Endpunkt „Schmerzfrei nach zwei Stunden“ zu analysieren. Dies ist ein robuster Endpunkt, bei dem auch in der Beurteilung durch die Patienten in der Regel keine Unsicherheit besteht. Völlig unbrauchbar ist der Endpunkt Schmerzfreiheit und Schmerzlinderung nach 24 Stunden, da dieser in allen Studien durch Rettungsmedikation (rescue medication) kontaminiert ist. Rescue medication wird aus ethischen Gründen erlaubt, wenn Patienten nach zwei Stunden keine befriedigende Kopfschmerzreduktion haben.
In indirekten Vergleichen zeigt sich ganz eindeutig, dass die Triptane die wirksamsten Medikamente zur Behandlung akuter Migräneattacken sind. Lasmiditan und Rimegepant bewegen sich bezüglich der Wirksamkeit im Bereich der Analgetika und nichtsteroidalen Antirheumatika, und die Gepante sind weniger wirksam als die Triptane. Die Autoren haben leider zwei wichtige Therapieoptionen nicht untersucht, nämlich die Kombination aus Acetylsalicylsäure plus Paracetamol plus Coffein (RR 2,2) und Eletriptan 40 mg (RR 3,35) (nach Daten aus [1–3]. Opioide werden generell nicht zur Behandlung von Migräneattacken empfohlen. Sie sind kaum wirksam, haben viele Nebenwirkungen und ein hohes Suchtpotenzial.
Quelle
VanderPluym JH, et al. Acute treatments for episodic migraine in adults: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2021;325:2357–69.
Literatur
1. Diener HC, et al. Aspirin, paracetamol (acetaminophen) and caffeine for the treatment of acute migraine attacks: A systemic review and meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. Eur J Neurol 2021, Sep 14. doi: 10.1111/ene.15103. Online ahead of print.
2. Thorlund K, et al. Comparative efficacy of triptans for the abortive treatment of migraine: A multiple treatment comparison meta-analysis. Cephalalgia 2014;34:258–67.
3. Cameron C, et al. Triptans in the acute treatment of migraine: A systematic review and network meta-analysis. Headache 2015;55(Suppl 4):221–35.
Psychopharmakotherapie 2021; 28(06):274-285