Nachruf auf Prof. Dr. med. Hanns Hippius (1925–2021)


Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller

Prof. Dr. med. Hanns Hippius

Hanns Hippius war langjähriger Ärztlicher Direktor (1971–1994) der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war ein herausragender Arzt und Wissenschaftler, der das Fach Psychiatrie mit seiner außerordentlichen Kompetenz und seinem beispielhaften Engagement in Deutschland, aber auch weltweit, prägte wie nur wenige deutsche Psychiater seiner Generation.

Hanns Hippius wurde am 18. April 1925 in Mühlhausen in Thüringen geboren. Er studierte Medizin und Chemie an den Universitäten Freiburg im Breisgau, Marburg an der Lahn und an der Freien Universität Berlin. 1950 promovierte er zum Doktor der Medizin (Dr. med.) an der Freien Universität Berlin und wurde anschließend Assistent am Institut für Experimentelle Therapie „Emil von Behring“ in Marburg an der Lahn. Aus der Verbindung seines ergänzend zum Medizinstudium durchgeführten Chemiestudiums und einer intensiven Befassung mit der Psychiatrie im Rahmen des Medizinstudiums erwuchs sein Interesse an neurobiochemischen Vorgängen bei psychischen Erkrankungen. Psychiatrie und Neurologie bildeten auch den Schwerpunkt seiner klinischen Tätigkeit, zunächst als wissenschaftlicher Assistent, später als Oberarzt in Berlin. Nach seiner Habilitation für Psychiatrie und Neurologie (1963) war er von 1968 bis 1970 ordentlicher Professor für Psychiatrie und Direktor der Psychiatrischen Klinik II der Freien Universität Berlin. Von 1971 bis 1994 war er Ordinarius für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik München.

Von 1972 bis 1974 war Hippius Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde (DGPN). Er war Gründungsmitglied (1957) und von 1972 bis 1974 Präsident des Collegium Internationale Neuropsychopharmacologicum (CINP). Zudem war er im Jahr 1983 Gründungsmitglied der Association of European Psychiatrists (AEP), heute European Psychiatric Association (EPA). Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und Ehrenmitglied vieler Fachgesellschaften. Zahlreiche weitere Ehrungen wurden ihm zuteil, unter anderem die Wilhelm-Griesinger-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde (DGPN), die Ernst-Jung-Medaille für Medizin, der Bayerische Verdienstorden und das Bundesverdienstkreuz.

In der Forschung setzte Hanns Hippius auf zwei wissenschaftliche Schwerpunktbereiche: psychopharmakologische Therapie und neurowissenschaftliche Psychiatrie. An der Psychiatrischen Klinik der LMU richtete er ein großes neurobiochemisches Labor unter der Leitung von Norbert Matussek ein und setzte damit wichtige Impulse für die sich daraus weiterentwickelnde biochemische und immunologische, später auch molekular-biologische und psychiatrisch-genetische Forschung. Zudem hat er schon sehr früh weitere wichtige wissenschaftliche Entwicklungen des Fachs Psychiatrie in die Wege geleitet: So förderte er Forschungsrichtungen wie die Elektrophysiologie und die kraniale Bildgebung (mit CT, SPECT und MRT) an der Psychiatrischen Klinik der LMU.

Als Autor/Mitautor zahlreicher bedeutender Veröffentlichungen zu den genannten Forschungsgebieten erwarb sich Hanns Hippius große nationale wie internationale Anerkennung als Wissenschaftler. Aus praktisch-klinischer Perspektive ist das mit seinem Schüler Otto Benkert in vielen Auflagen erschienene und dank fortwährender Revisionen auch heute noch aktuelle Kompendium „Psychiatrische Pharmakotherapie“ zu erwähnen. Von geradezu historischer Bedeutung ist auch sein Einsatz für das Antipsychotikum Clozapin, der verhinderte, dass dieses erste atypische Neuroleptikum wegen der seltenen, gegebenenfalls tödlichen, Agranulozytose von der Zulassungsbehörde verboten wurde. Hippius fand in Verhandlungen mit dem Bundesgesundheitsamt und der Herstellerfirma eine Lösung (Verschreibung unter Auflagen), dass dieses einzigartige Antipsychotikum weiterhin verschrieben werden kann.

All das gab der von ihm geleiteten Münchner Klinik in Deutschland und international eine hohe Reputation als universitäre psychiatrische Forschungs- und Versorgungseinrichtung. Von hier aus wirkte Hanns Hippius prägend auf die Entwicklung der Psychiatrie in Deutschland und hat dabei insbesondere die Psychopharmakotherapie und die neurowissenschaftliche Forschung als zentrale Bereiche der Psychiatrie vermittelt, und dies in einer Zeit, in der die meisten psychiatrischen Universitätskliniken Deutschlands noch vorrangig deskriptiv-psychopathologisch orientiert waren. Sein diesbezüglicher Einfluss ist unter anderem daran erkennbar, dass zunehmend Psychiater mit dieser wissenschaftlichen Spezialisierung auf Lehrstühle für Psychiatrie in Deutschland kamen und im weiteren Verlauf mehrere Lehrstühle durch eigene akademische Schüler übernommen wurden. Auch wurden zahlreiche Schüler zu ärztlichen Direktoren großer psychiatrischer Versorgungskrankenhäuser berufen.

Hanns Hippius ist am 21. August 2021 im Alter von 96 Jahren friedlich im Kreis seiner Familie in seinem Haus am Simssee verstorben. Wir werden Hanns Hippius als großartigen Forscher und Kliniker unseres Fachs, als Nestor der klinischen Psychopharmakologie in Deutschland und als internationalen Repräsentanten der Psychopharmakologie, im Gedächtnis behalten.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Hans-Jürgen Möller, Psychiatrische Universitätsklinik der LMU München, Nussbaumstr. 7, 80336 München, E-Mail: hans-juergen.moeller@med.uni-muenchen.de

Psychopharmakotherapie 2021; 28(06):269-270