Schizophrenie und Brustkrebs

Brustkrebsrisiko unter Prolactin-erhöhenden Antipsychotika


Sonja Zikeli, Stuttgart

Das Mamma-Karzinom ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Im Falle einer vorliegenden Schizophrenie erhöht sich das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zusätzlich. In einer finnischen Fall-Kontroll-Studie wurde untersucht, ob die Behandlung mit Antipsychotika in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Potenzial, die Prolactinkonzentration zu erhöhen, das Brustkrebsrisiko zusätzlich erhöht.

An der Regulation der Prolactinsynthese ist das dopaminerge System beteiligt. Antipsychotika, die den D2-Rezeptor blockieren und folglich zu einer Hyperprolaktinämie führen, werden mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko assoziiert. Neben gesteigerten Prolactin-Konzentrationen tragen zahlreiche weitere Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes mellitus, Rauchverhalten, Anzahl der Kinder und eine niedrigere Stillrate dazu bei, dass das Brustkrebsrisiko bei an Schizophrenie erkrankten Frauen weiter steigt. In der Fall-Kontroll-Studie wurde der Hypothese nachgegangen, dass Prolactinspiegel-erhöhende Antipsychotika ein dosisabhängiges erhöhtes Risiko für das Mamma-Karzinom darstellen, wohingegen Arzneistoffe, die die Prolactinkonzentration nicht beeinflussen, keine Steigerung des Brustkrebsrisikos zur Folge haben.

Methoden

Für die Datenerhebung wurden landesweite finnische Behandlungs-, Verschreibungs- und Krebsdiagnoseregister herangezogen. Das jeweilige Krankheitsbild der Probandinnen wurde anhand des ICD-Codes identifiziert, wobei nur histologisch gesicherte Krebsdiagnosen eingeschlossen wurden. Für die primäre Expositionsmessung wurden die untersuchten Antipsychotika folgendermaßen klassifiziert: Antipsychotika, die den Prolactinspiegel steigern, nicht erhöhen oder keinen eindeutigen Effekt haben. Diese Gruppen wurden anschließend hinsichtlich ihrer Expositionsdauer weiter eingeteilt (< 1 Jahr, 1–4 Jahre, ≥ 5 Jahre). Als sekundäre Expositionsmessung wurde die Summe der Tagesdosen (DDD [defined daily dose]) aller Antipsychotika herangezogen, die von einer Person bis zu dem Zeitpunkt der Brustkrebsdiagnose angewendet wurden.

Studiendesign und Studienteilnehmerinnen

Aus einer Kohorte von 30 785 Patientinnen im Alter von 18 bis 85 Jahren, die im Zeitraum 1972 bis 2014 die Diagnose Schizophrenie erhalten hatten, wurden diejenigen Patientinnen identifiziert, die zwischen 2000 und 2017 zusätzlich Brustkrebs entwickelt hatten. Zu den Ausschlusskriterien gehörten jede vorausgegangene Krebsdiagnose mit Ausnahme des weißen Hautkrebs, der Erhalt eines Spenderorgans, eine Brustamputation oder HIV-Diagnose. Der Fallgruppe von 1069 Frauen mit einer Erstdiagnose von invasivem Brustkrebs nach der Erstdiagnose Schizophrenie wurde eine Kontrollgruppe aus 5339 Patientinnen ohne Brustkrebserkrankung gegenübergestellt, die den Patientinnen der Fallgruppe nach Alter und Krankheitsdauer entsprachen. Für alle Fallpatientinnen lagen Medikationsdaten für mindestens fünf Jahre vor der Krebsdiagnose vor.

Ergebnisse

Das Durchschnittsalter der untersuchten Frauen lag bei 62 Jahren, die durchschnittliche Zeit seit der ersten Diagnose Schizophrenie betrug 24 Jahre. Die Auswahl der verwendeten Antipsychotika war in Fall- und Kontrollgruppe vergleichbar (Tab. 1).

Tab. 1. Häufigste verwendete Antipsychotika bei Patientinnen mit Schizophrenie und Brustkrebs (Fallgruppe) und an Schizophrenie erkrankten Frauen ohne Mamma-Karzinom (Kontrollgruppe)

Antipsychotika

Kontrollgruppe (n = 5339)

Fallgruppe

(n = 1069)

Risperidon

1557 (29,2 %)

347 (32,5 %)

Perphenazin

1573 (29,5 %)

340 (31,8 %)

Thioridazin

1426 (26,7 %)

286 (26,8 %)

Olanzapin

1303 (24,4 %)

264 (24,7 %)

Levomepromazin

1273 (23,8 %)

260 (24,3 %)

Chlorprothixen

1088 (20,4 %)

237 (22,2 %)

Chlorpromazin

765 (14,3 %)

190 (17,8 %)

Quetiapin*

860 (16,1 %)

170 (15,9 %)

Haloperidol

731 (13,7 %)

145 (13,6 %)

Clozapin*

620 (11,6 %)

141 (13,2 %)

Zuclopenthixol

601 (11,3 %)

113 (10,6 %)

Die Patientinnen konnten mehrere Antipsychotika eingenommen haben; *Antipsychotika ohne Einfluss auf den Prolactinspiegel

Eine Langzeitexposition gegenüber Prolactinspiegel-erhöhenden Antipsychotika von mindestens fünf Jahren konnte in signifikantem Ausmaß mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko in Verbindung gebracht werden, verglichen mit einer Exposition von unter einem Jahr bzw. zwischen einem und vier Jahren (Tab. 2). Dieser Unterschied wird von den Studienautoren als klinisch relevant erachtet. Ein höheres Brustkrebsrisiko konnte ebenfalls mit einer höheren Anzahl kumulativer Dosen der eingesetzten Prolactin-erhöhenden Antipsychotika assoziiert werden.

Tab. 2. Zusammenhang zwischen Expositionsdauer gegenüber jeglichen Antipsychotika, den Prolactinspiegel-erhöhenden Antipsychotika sowie solchen, die die Prolactinkonzentration nicht beeinflussen und dem Brustkrebsrisiko [Taipale H, et al.]

Brustkrebsfälle [n (%)]

Bereinigtes Odds-Ratio (95%-KI)#

Kontrollgruppe

(N = 5339)

Fallgruppe

(N = 1069)

Dauer des Gebrauchs jeglicher Antipsychotika

< 1 Jahr

917 (17,2 %)

131 (12,3 %)

1–4 Jahre

646 (12,1 %)

108 (10,1 %)

1,18 (0,86–1,62)

≥ 5 Jahre

3776 (70,7 %)

830 (77,6 %)

1,74 (1,38–2,21)

Dauer des Gebrauchs von Antipsychotika, die den Prolactinspiegel erhöhen

< 1 Jahr

1134 (21,2 %)

179 (16,7 %)

1–4 Jahre

772 (14,5 %)

127 (11,9 %)

1,04 (0,79–1,36)

≥ 5 Jahre

3433 (64,3)

763 (71,4 %)

1,56 (1,27–1,92)

Dauer des Gebrauchs von Antipsychotika, die keinen Einfluss auf den Prolactinspiegel haben

< 1 Jahr

4521 (84,7 %)

907 (84,8 %)

1–4 Jahre

382 (7,2 %)

73 (6,8 %)

0,95 (0,73–1,25)

≥ 5 Jahre

436 (8,2 %)

89 (8,3 %)

1,19 (0,90–1,58)

N/n = Anzahl der Patientinnen, KI = Konfidenzintervall, # bereinigt von Einflussfaktoren (unsachgemäßer Gebrauch, vorheriger Suizidversuch, kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, Anzahl der Kinder, Dauer einer systemischen Hormonersatztherapie [HRT])

Im Gegensatz dazu hatte die längerfristige Einnahme von Antipsychotika ohne Einfluss auf den Prolactinspiegel keine Erhöhung der Brustkrebsrate zur Folge (Tab. 2).

Unter Berücksichtigung der Brustkrebsart war das Risiko für die Entwicklung eines lobulären Adenokarzinoms bei einer Expositionsdauer von fünf oder mehr Jahren höher als die eines duktalen Brustdrüsenkrebs, allerdings konnte eine Risikozunahme für beide Krebsarten detektiert werden.

Fazit der Studienautoren

Nach Angabe der Studienautoren handelt es sich um die erste Studie dieser Art mit einem Langzeit-Follow-up, die bei an Schizophrenie erkrankten Frauen durchgeführt wurde und bei der Antipsychotika nach ihrer Prolactin-erhöhenden Potenz differenziert wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das erhöhte Brustkrebsrisiko durch die Einnahme Prolactin-erhöhender Antipsychotika mit der daraus folgenden Hyperprolaktinämie in Verbindung gebracht werden kann. Da in der Studie allerdings keine direkten Prolactinkonzentrationen gemessen wurden, fehlt bislang die Evidenz für diese durchaus plausible Annahme. Aus diesem Grund werden weitere Studien dringend benötigt. Als Erstlinien-Langzeittherapie bei Frauen sollten nach Meinung der Studienautoren Antipsychotika, die die Prolactinkonzentration nicht erhöhen, bevorzugt werden. Andernfalls ist das therapeutische Monitoring der Prolactinspiegel von höchster Bedeutung, um bei einer Hyperprolaktinämie Maßnahmen wie den Wechsel des Antipsychotikums ergreifen zu können.

Quelle

Taipale H, et al. Antipsychotic use and risk of breast cancer in women with schizophrenia: a nationwide nested case-control study in Finland. Lancet Psychiatry 2021;8 : 883–91; https://doi.org/10.1016/S2215-0366(21)00241-8.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(06):274-285