Auswirkungen von Psychopharmaka auf das Mikrobiom


Emilia Picker*, Patricia Wallstein*, Carsten Culmsee# und Susanne Michels#, Marburg

Das Darm-Mikrobiom und sein Einfluss auf unsere Gesundheit stehen zunehmend im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen in einem schnell wachsenden Forschungsgebiet. Zahlreiche Studien belegen eindeutig den Zusammenhang von Veränderungen des Mikrobioms mit einer Vielzahl der sogenannten „Zivilisationskrankheiten“ unserer modernen Gesellschaft, darunter Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen, und kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS) wie Depressionen oder neurodegenerative Erkrankungen. Aus den Forschungsergebnissen ist abzuleiten, dass das Darm-Mikrobiom in einer engen Wechselbeziehung mit dem Immunsystem, dem Hormonhaushalt und auch dem ZNS steht und hier Funktion und Neurotransmittergleichgewicht erheblich beeinflussen kann. Umgekehrt gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass nichtantibiotische Wirkstoffe und hier insbesondere Wirkstoffe aus der Gruppe der Antipsychotika und Antidepressiva das Darm-Mikrobiom direkt beeinflussen. Aus den aktuellen Forschungsarbeiten zu den Mechanismen der pharmakologischen Effekte auf das Mikrobiom und neuen Erkenntnissen zu den Effekten der Darm-Hirn-Achse auf neuroimmunologische, neuropsychiatrische und neurodegenerative Erkrankungen sind künftig wichtige Impulse für effektivere Therapieansätze zu erwarten.
Schlüsselwörter: Darm-Mikrobiom, Darm-Hirn-Achse, Antipsychotika, Antidepressiva
Psychopharmakotherapie 2021;28:243–50.

Als Mikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit aller Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze), die den Menschen ab der Geburt vor allem im Darm, aber auch in Mund, Nase oder auf der Haut besiedeln. Das Mikrobiom erfüllt wichtige Aufgaben, so helfen Darmbakterien etwa bei der Verdauung und Verwertung von Nährstoffen. Insbesondere pflanzliche Ballaststoffe werden mit der Hilfe von Bakterien abgebaut und nur die Abbauprodukte können dann als Nährstoffe aufgenommen und verwertet werden. Zu weiteren zentralen Funktionen des Mikrobioms zählen die Synthese lebenswichtiger Vitamine und kurzkettiger Fettsäuren sowie der Schutz vor Krankheitserregern. Weiterhin trägt die Darmflora entscheidend zur Ausbildung und zum Training des Immunsystems bei. Die Mikrobiom-Zusammensetzung ist sehr dynamisch und variabel und neben weiteren Faktoren von der Ernährung, der Immunkompetenz und der Einnahme bestimmter Medikamente abhängig. Die meisten Bakterien des Darm-Mikrobioms gehören einem der folgenden vier Stämme an: Firmicutes, Bacteroidetes, Proteobacteria oder Actinobacteria. Veränderungen im gastrointestinalen Mikrobiom stehen unter anderem mit Krankheiten wie chronischen Entzündungen, Krebs, psychischen oder neurodegenerativen Erkrankungen in Zusammenhang. Die konkrete Zusammensetzung und die einzelnen Funktionen des Mikrobioms sind allerdings noch nicht genau bekannt und viele grundlegende Fragen, Zusammenhänge, Wechselwirkungen sowie mögliche Ansatzpunkte für neue Therapieformen oder spezifische Arzneistoffe sind noch offen. Die Erforschung des Darm-Mikrobioms und der entsprechenden Auswirkungen auf Erkrankungen und deren Therapie sind in den letzten Jahren zu einem eigenständigen Forschungsgebiet gewachsen. Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang zwischen Veränderungen des Mikrobioms und einer Vielzahl von Erkrankungen, darunter Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, Stoffwechselerkrankungen, aber auch kardiovaskuläre Erkrankungen und Erkrankungen des Zentralnervensystems. Immer bessere Untersuchungsmethoden ermöglichen die tiefgehende und systematische Analyse krankheitsassoziierter Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms. Damit könnten entsprechende Analysen des Mikrobioms wichtige Anhaltspunkte für das Erkrankungsrisiko und den Verlauf von Erkrankungen liefern sowie auch neue therapeutische Strategien hervorbringen.

Das metabolische Syndrom und kardiovaskuläre Erkrankungen, die dominierenden Volkskrankheiten unserer modernen Gesellschaft, sind offenbar sehr eng mit Veränderungen des Darm-Mikrobioms verbunden. So konnten sowohl in Tierversuchen als auch beim Menschen Unterschiede in der Mikrobiom-Zusammensetzung bei hypertensiven im Vergleich zu normotensiven Individuen aufgezeigt werden. Auf funktioneller Ebene war dies mit einem verminderten Vorkommen von Acetat- und Butyrat-produzierenden Bakterien und signifikanten Effekten auf das Gefäßsystem verbunden [35]. Auch Fettleibigkeit als Risikofaktor für vielfältige kardiovaskuläre Erkrankungen, Stoffwechselstörungen bis hin zu Tumorerkrankungen wird in Zusammenhang mit Veränderungen im Mikrobiom gebracht. Durch die Transplantation des Darm-Mikrobioms von fettleibigen Mäusen in bis dahin normal entwickelte Mäuse konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und einer Gewichtszunahme hergestellt werden. Abhängig vom Mikrobiom veränderten sich die Kalorienaufnahme der Mäuse, das Körpergewicht und entsprechend auch das Risiko der Entwicklung entsprechender Stoffwechselstörungen [36]. Unabhängig von der Entwicklung des Körpergewichts werden zudem einige Krebserkrankungen mit Veränderungen des Mikrobioms in Verbindung gebracht. Hier sind es vor allem hormonabhängige Tumore wie bei Brustkrebs [3] und Prostatakrebs [29]. Neben Brustkrebs sind Frauen häufig von Osteoporose betroffen. Auch hier zeichnet sich ein geschlechtsspezifischer Einfluss des Mikrobioms auf die Knochengesundheit ab, da das Mikrobiom direkt auf die Bildung von Östrogenen einwirkt [15].

Einfluss des Mikrobioms auf die Darm-Hirn-Achse

Neben immunologischen und Stoffwechsel-Erkrankungen interessieren sich die Forscher auch zunehmend für die Wechselbeziehungen zwischen dem Darm-Mikrobiom und dem Gehirn (Abb. 1). Hier stehen insbesondere neurologische und psychische Erkrankungen, beispielsweise Depressionen, im Fokus der Forschung. So konnte gezeigt werden, dass Stimmungsschwankungen und Veränderungen im Mikrobiom des Darms in direktem Zusammenhang stehen [26]. Das Mikrobiom steht demnach in direkter Kommunikation mit dem Gehirn, beispielsweise über Stoffwechselprodukte der Darmbakterien sowie umgekehrt durch veränderte Neurotransmitterspiegel [39]. Hier entwickelt sich derzeit ein breites Forschungsfeld, um die Zusammenhänge zu ergründen, mögliche Risikofaktoren infolge von Mikrobiom-Veränderungen zu erkennen und gegebenenfalls neue Therapieansätze, beispielsweise durch die therapeutische Beeinflussung des Mikrobioms, zu erschließen. Ein Beispiel hierfür sind Versuche, über Stuhltransplantationen in den Darm das Neurotransmittergleichgewicht im Gehirn und darüber das Verhalten zu beeinflussen. Diese Studien befinden sich noch in einem frühen experimentellen Stadium, gelten aber als wegweisend für ganz neue Ansätze in der Therapie neurologischer und neuropsychiatrischer Erkrankungen.

Abb. 1. Darm-Hirn-Achse – strukturelle und funktionelle Zusammenhänge

Als Beispiel für den Einfluss des Mikrobioms auf neuroimmunologische Erkrankungen konnte für die multiple Sklerose (MS) in entsprechenden Tiermodellen ein Zusammenhang zwischen Mikrobiom-Zusammensetzung und Ausprägung der neurodegenerativen Autoimmunreaktion nachgewiesen werden [18, 25]. In den Studien wiesen keimfreie Mäuse im Vergleich zu konventionell gehaltenen Tieren ein Ungleichgewicht zwischen pro- und antiinflammatorischen Immunzellen auf, mit entsprechenden Auswirkungen auf die neuroinflammatorischen Prozesse in MS-Tiermodellen. Nach Behandlung der keimfreien Mäuse mit bestimmten Mikroben konnte das Gleichgewicht wiederhergestellt werden, mit einer günstigen Auswirkung auf die Nervenschädigung. Es ist demnach offensichtlich, dass das Mikrobiom bei der Immunzellreifung beteiligt ist und die Aktivierung des Immunsystems mit beeinflusst. Wahrscheinlich steht das Mikrobiom mit dem Immunsystem in einer engen wechselseitigen Beziehung und kann so das Risiko für Autoimmunerkrankungen, einschließlich neurologischer Erkrankungen wie MS, wesentlich mitbestimmen. Das Mikrobiom ist also auch in künftige therapeutische Entwicklungen mit einzubeziehen, wenn es um die Prävention und Behandlung von ZNS-Erkrankungen mit Beteiligung von Immunreaktionen geht [18].

Ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet ist die Suche nach Auswirkungen des Mikrobioms im alternden Menschen, insbesondere nach dem Einfluss des Mikrobioms auf die Entstehung einer Alzheimer-Demenz. Hier ist die Verbindung von Gehirn und Darm, auch als Darm-Hirn-Achse bezeichnet, ein zunehmend bedeutender Gegenstand der aktuellen Forschungsarbeiten. Im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe wurden beispielsweise bei Patienten, die an Alzheimer-Demenz erkrankt waren, Veränderungen im Mikrobiom nachgewiesen [13]. Als weitere bedeutende neurodegenerative Erkrankung wird das Parkinson-Syndrom mit der Darm-Hirn-Achse in Verbindung gebracht. Auch hier spielen Neurotransmitter, insbesondere Dopamin, eine entscheidende Rolle im Krankheitsverlauf. In diesem Zusammenhang sind jüngere Befunde zur Pathogenese der Parkinson-Erkrankung besonders interessant. Man geht inzwischen davon aus, dass die Alpha-Synuclein-Proteinaggregate, die sich im Laufe der Parkinson-Erkrankung im Gehirn ausbreiten und die Nervenzelldegeneration vorantreiben, in sehr frühen Phasen der Erkrankung zunächst im Darm gebildet werden. Über das Darmnervensystem und den Nervus vagus könnte das Alpha-Synuclein ins Gehirn gelangen und dort die dopaminergen Neurone quasi „infizieren“ und letztendlich zerstören [17]. Für diese Prion-ähnliche Infektions-Hypothese spricht auch, dass die Parkinson-Erkrankung bereits in der Frühphase durch eine Reihe von vegetativen Störungen wie Obstipation und Harninkontinenz sowie durch andere neurologische Störungen wie veränderte Schlafmuster und Riechstörungen gekennzeichnet ist, die zunächst nicht auf eine Degeneration der dopaminergen Neuronen zurückzuführen sind. Erst später treten im Verlauf der Erkrankung die klassischen Bewegungsstörungen in den Vordergrund, wenn bereits etwa 70 % der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra zerstört sind. Da die pathologische Aggregation der Alpha-Synuclein-Proteine im Darm beginnt, legt dies einen engen Bezug zwischen Pathophysiologie und Darm-Mikrobiom nahe. Die Forschung an Biomarkern, die über eine Analyse des Mikrobioms eine Risikoeinschätzung für diese und andere neurologische Erkrankungen liefern könnten, wird hier entsprechend intensiv vorangetrieben [32].

Ebenfalls interessant für die Forschung der Zukunft ist die Rolle des Mikrobioms und entsprechende Auswirkungen bei einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), da auch dieses Krankheitsbild durch ein Ungleichgewicht der Neurotransmitterhomöostase bedingt ist und somit möglicherweise durch die Darm-Hirn-Achse mitbestimmt wird [1].

Das Mikrobiom als Produzent von Neurotransmittern

Darmmikroben können nach neueren Erkenntnissen selbst auch Hormone und Neurotransmitter produzieren. Lactobacillus-Arten produzieren beispielsweise die Neurotransmitter Acetylcholin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Bifidobacterium-Spezies produzieren ebenfalls GABA und Escherichia-Stämme können Noradrenalin, Serotonin und Dopamin synthetisieren. Streptococcus- und Enterococcus-Stämme produzieren ebenfalls Serotonin und Bacillus-Spezies produzieren Adrenalin und Dopamin [11]. Adrenalin, das von Escherichia coli oder Proteobakterien produziert wird, kann einen direkten Einfluss auf das Entzündungsgeschehen nehmen. Dopamin, GABA und Serotonin sind Neurotransmitter mit großem Einfluss auf eine Vielzahl von Steuerungsprozessen und Funktionen des Nervensystems. GABA ist dabei der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Nervensystem.

Dopamin spielt eine zentrale Rolle in der Steuerung der Motorik, aktiviert das Belohnungssystem und kann beim Menschen euphorische Gefühle auslösen, weshalb es beim Suchtverhalten eine wichtige Rolle spielt. Zudem ist es an der Initiierung des Brechreizes und der hormonellen Regulation der Prolactin-Freisetzung beteiligt. Die Dopamin-Konzentration bestimmt im menschlichen Gehirn also ganz wesentlich Motorik und Verhalten und nimmt beispielsweise bei der Therapie von Morbus Parkinson und bei psychischen Erkrankungen eine zentrale Rolle ein. Ob und inwieweit die Produktion von Dopamin und seiner Vorstufen, beispielsweise L-Dopa, im Darm auch die Dopamin-Spiegel und entsprechende Funktionen der dopaminergen Neurotransmission im Gehirn beeinflussen, ist noch weitgehend unbekannt.

Serotonin wirkt als Neurotransmitter im Darm und im Gehirn. Es erhöht die Kontraktilität der Darmmuskulatur, löst durch die Erregung von Nozizeptoren Schmerz aus und greift in wichtige Funktionen des ZNS ein. Wie eingangs berichtet, können Stimmungsschwankungen durch Neurotransmitter beeinflusst werden, weshalb die Darmmikroben, die solche Neurotransmitter produzieren können, auch im Fokus der aktuellen Forschung zu neurobiologischen Grundlagen psychiatrischer Erkrankungen stehen. Wie genau die Kommunikation zwischen Gehirn und Darm funktioniert, ist bisher noch nicht vollständig aufgeklärt. Es sind jedoch schon mehrere Mechanismen beschrieben, die hier Einfluss nehmen [27].

Der Einfluss von Arzneistoffen auf das Mikrobiom

Nicht nur das Mikrobiom hat einen Einfluss auf unsere Gesundheit, auch wir nehmen mit der Ernährungsweise und insbesondere mit der Einnahme von Medikamenten erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung unserer Darmmikroben. In welchem Ausmaß dies geschieht und welche Auswirkungen diese Effekte auf unterschiedliche Erkrankungsrisiken haben, ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Einige Arzneistoffgruppen wie Antibiotika und Chemotherapeutika, aber auch Antipsychotika, Protonenpumpenhemmer und das Antidiabetikum Metformin sind inzwischen gut untersucht und ein direkter Effekt auf das Mikrobiom ist hier eindeutig nachgewiesen [8, 16, 37]. Unter den Antibiotika ist insbesondere das Tetracyclinderivat Minocyclin hinsichtlich der Auswirkungen auf die Darm-Hirn-Achse und neuer therapeutischer Anwendungsgebiete in tierexperimentellen und klinischen Studien intensiv erforscht worden. Dieses Breitspektrum-Antibiotikum zeigte beispielsweise signifikante neuroprotektive Effekte in Schlaganfallmodellen und hemmte hier wie auch in anderen Modellen neurodegenerativer Erkrankungen (M. Alzheimer, M. Parkinson) die neuroinflammatorische Aktivität der Mikroglia, also der Immunzellen des Gehirns [7, 41, 42]. Infolge der ausgeprägten Auswirkungen auf neuroinflammatorische Prozesse und das Darm-Mikrobiom wurde Minocyclin auch für die Behandlung von Angststörungen und bei affektiven Störungen wie der Depression vorgeschlagen [34, 40]. In klinischen Studien wurde inzwischen auch an Patienten vielfach bestätigt, dass Minocyclin die Effekte von Antidepressiva verstärken kann [30]. Tierstudien belegen ebenfalls, dass Minocyclin stress- oder entzündungsbedingtes depressives Verhalten sowie ängstliches Verhalten günstig beeinflussen kann [14 22, 23, 43], und diese Effekte auf das Verhalten gehen mit Veränderungen des Darm-Mikrobioms und der Mikroglia-Aktivierung im Gehirn einher [6, 33]. Diese Ergebnisse aus klinischen Studien und Versuchen am Tier weisen somit auf eine mögliche Augmentation von antidepressiven Effekten durch Minocyclin über die Darm-Hirn-Achse hin. Andererseits unterdrückten die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Escitalopram und Fluoxetin die antidepressiven Effekte von Minocyclin im Tierversuch, sodass noch nicht abschließend geklärt ist, wie und unter welchen therapeutischen Bedingungen eine solche Augmentation zu erreichen ist [22, 23, 33].

Eine groß angelegte systematische In-vitro-Studie hat kürzlich gezeigt, dass 24 % aller nicht-antibiotischen Arzneistoffe einen Einfluss auf das Wachstum von Darmmikroben ausüben [20]. Tatsächlich entfalten insbesondere Arzneistoffe aus der Gruppe der Psychopharmaka direkte bakteriostatische und sogar bakterizide Wirkungen, die das Gleichgewicht im Mikrobiom deutlich verschieben. Das ist sowohl für Antidepressiva als auch für Antipsychotika in Patienten nachgewiesen worden und hat teilweise Auswirkungen auf die Nährstoffaufnahme und die Gewichtsentwicklung [2, 5]. In diesem Zusammenhang wird inzwischen diskutiert, inwieweit auch solche nicht-antibiotischen Arzneistoffe zur Ausbildung von Antibiotika-Resistenzen von Bakterien beitragen können [20]. Jedoch sind die Mechanismen der spezifischen antibiotischen Wirkung nicht-antibiotischer Wirkstoffe weitgehend ungeklärt und es ist noch viel Forschungsarbeit nötig, um die Zusammenhänge zwischen Arzneistoffeinnahme und Veränderungen im Mikrobiom vollständig aufzuklären. Außerdem wirken sich viele Arzneistoffgruppen möglicherweise auch indirekt auf unser Darm-Mikrobiom aus, indem sie unerwünschte gastrointestinale Wirkungen wie Diarrhö, Obstipation, gastrointestinale Blutungen oder auch Gewichtsveränderungen hervorrufen. Eine mögliche Bewertung zur Relevanz der gastrointestinalen Nebenwirkung eines Arzneistoffs für die Verschiebung des Mikrobioms ergibt sich aus der Häufigkeit, mit der eine solche Nebenwirkung auftritt. In Tabelle 1 sind verschiedene Arzneistoffklassen hinsichtlich bereits bekannter direkter Wirkungen und in Tabelle 2 hinsichtlich möglicher indirekter Wirkungen auf das Mikrobiom zusammengestellt.

Tab. 1. Arzneistoffe mit direkter Wirkung auf das Mikrobiom

Arzneistoffklasse

Arzneistoffe

Betroffene Bakterienstämme

Literatur

Klassische

Antipsychotika

Chlorprothixen, Flupentixol, Levomepromazin, Perazin, Promethazin, Zuclopenthixol

Acinetobacter baumannii, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus

[24]

Atypische Antipsychotika

Aripiprazol, Asenapin, Clozapin, Lurasidon, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon, Ziprasidon

Akkermansia, Lachnospiraceae, Sutterella

[10]

Trizyklische Antidepressiva

Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Nortriptylin, Opipramol, Trimipramin

Alle: Clostridium leptum

Amitriptylin: Bacillus spp., Salmonella typhimurium, Staphylococcus spp., Vibrio cholerae

[8, 38]

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Escitalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin

Alle: Brucellae, Escherichia coli, Eubacterium ramulus, Streptococcus salivarius

Escitalopram: Adlercreutzia, Alphaproteobacteria, Coriobacteriaceae, Ruminococcus flavefaciens

Fluoxetin: Lactobacillus rhamnosus, Prevotella, Succinivibrio

Sertralin: Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus

[8, 9, 19, 38]

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Duloxetin, Venlafaxin

Adlercreutzia, Alphaproteobacteria, Coriobacteriaceae, Ruminococcus flavefaciens

[19]

Antipsychotika bipolare Störung

Lithium

Ruminococcaceae, Bacteroides, Ruminococcus

[8, 9]

Tab. 2. Arzneistoffe mit indirekter Wirkung auf das Mikrobiom

Arzneistoffklasse

Arzneistoffe

Art der gastrointestinalen Nebenwirkung

Klassische Antipsychotika, niederpotent

Chlorprothixen, Levomepromazin, Melperon, Promethazin, Prothipendyl

Obstipation (außer Prothipendyl), Gewichtszunahme (außer Melperon)

Klassische Antipsychotika, hochpotent

Bromperidol, Flupentixol, Haloperidol, Zuclopenthixol

Obstipation, Gewichtszunahme

Atypische Antipsychotika

Amisulprid, Aripiprazol, Asenapin, Clozapin, Lurasidon, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon, Sertindol, Sulpirid, Ziprasidon

Obstipation (außer Asenapin, Sertindol), Gewichtszunahme (außer Aripiprazol)

Trizyklische Antidepressiva

Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Nortriptylin, Trimipramin

Obstipation, Gewichtszunahme

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Citalopram, Escitalopram, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin

Diarrhö, Obstipation, Gewichtszunahme (außer Citalopram, Fluvoxamin)

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Duloxetin, Milnacipran, Venlafaxin

Diarrhö, Obstipation

Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Reboxetin

Obstipation

Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer

Bupropion

Obstipation

Antidepressiva, andere

Agomelatin, Mirtazapin

Diarrhö, Obstipation, Gewichtszunahme

Mianserin

Gewichtszunahme

Tianeptin, Trazodon

Diarrhö

Vortioxetin

Diarrhö, Obstipation

MAO-Hemmer

Tranylcypromin

Gewichtszunahme, Gewichtsabnahme

Antipsychotika bipolare Störung

Lithium

Diarrhö, Gewichtszunahme (insbesondere in den ersten zwei Behandlungsjahren)

Informationen zur Art der gastrointestinalen Nebenwirkungen wurden den Fachinformationen der jeweiligen Arzneistoffe entnommen [31]. Sehr häufig (≥ 1/10) und häufig (≥ 1/100, < 1/10) auftretende Nebenwirkungen wurden berücksichtigt.

Diese Übersichten zeigen, welche Arzneistoffe bei Patienten eine Auswirkung auf das Mikrobiom haben können. Dies wird im klinischen Alltag meist nicht weiter beachtet. Auswirkungen von Medikamenten auf das Mikrobiom können aber sehr wohl auch einen Beitrag zum therapeutischen Erfolg beisteuern. Es ist beispielsweise in mehreren Studien zur Therapie des Typ-2-Diabetes eindeutig nachgewiesen worden, dass Metformin die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern kann. Die Darmbakterien produzieren nach der Einnahme von Metformin vermehrt die kurzkettigen Fettsäuren Butyrat und Propionat. Diese sind für einen Anstieg der intestinalen Gluconeogenese verantwortlich, die sich positiv auf die Energiehomöostase, das Körpergewicht, die hepatische Gluconeogenese und den Appetit auswirkt [37]. Die Veränderung des Mikrobioms könnte somit an der antidiabetischen Wirkung von Metformin beteiligt sein. In klinischen Studien sind solche Effekte insbesondere auch dann von Bedeutung, wenn gezielt Veränderungen des Mikrobioms zur Beurteilung von Erkrankungsrisiken und Behandlungserfolgen untersucht und von nicht-antibiotischen Arzneimittel-induzierten Veränderungen abgegrenzt werden sollen.

Gastrointestinale Nebenwirkungen und indirekte Auswirkungen auf das Darm-Mikrobiom

Unerwünschte gastrointestinale Arzneimittelwirkungen können bei einer Vielzahl von Arzneistoffen auftreten und so mögliche indirekte Auswirkungen auf das Mikrobiom ausüben. Es ist dabei zunächst schwer zu beurteilen, ob die von vielen Arzneistoffen hervorgerufenen gastrointestinalen Nebenwirkungen tatsächlich auch einen Einfluss auf das Mikrobiom haben oder ob man diese Effekte vernachlässigen kann. In klinischen Studien zeigte sich, dass sich Stuhlkonsistenz und -frequenz als Parameter für die Charakterisierung des Mikrobioms eignen, da sie Aufschluss über den Wassergehalt im Darmlumen und somit über die Lebensbedingungen der Mikroben geben [44]. Es ist also davon auszugehen, dass sich die Zusammensetzung des Mikrobioms bei Obstipation und Diarrhö aufgrund der veränderten Lebensbedingungen signifikant verschiebt. Ebenso verhält es sich mit Arzneistoffen, die mit einer erheblichen Änderung des Körpergewichts einhergehen [28]. Kommt es im Rahmen der Arzneimitteltherapie zu Ulzerationen der Schleimhaut oder sogar zu gastrointestinalen Blutungen, muss ebenfalls mit einer veränderten Zusammensetzung des Mikrobioms gerechnet werden, da der Lebensraum der Mikroben beschädigt wird. Übelkeit und Erbrechen scheinen jedoch keinen Einfluss auf das Mikrobiom zu haben. Da die beschriebenen gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht bei jedem Patienten und nicht über den gesamten Therapieverlauf hinweg bestehen, sollten die Patienten beispielsweise im Rahmen von klinischen Studien vor der Stuhlprobenentnahme befragt werden, ob Beschwerden wie Diarrhö oder Obstipation vorliegen. Außerdem sollten die Patienten zu Gewichtsveränderungen und gastrointestinalen Beschwerden in der letzten Zeit befragt werden. Nur falls die Befragung positiv ausfällt, sollte dies für die Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden bzw. der jeweilige Patient von einer Studie zu Veränderungen des Mikrobioms als Marker für Erkrankungsrisiko und/oder Therapieverlauf ausgeschlossen werden.

Auswirkungen von Psychopharmaka auf das Mikrobiom

Unter den Wirkstoffen mit direkter Auswirkung auf das Mikrobiom fallen einige nicht-antibiotische Wirkstoffgruppen auf, für deren Indikationsgebiete ein signifikanter Bezug zum Mikrobiom bereits als gesichert gilt. Hier sind beispielhaft Arzneistoffe aus der Gruppe der Psychopharmaka und hier insbesondere der Antipsychotika und Antidepressiva hervorzuheben.

Antipsychotika

Aus der Gruppe der klassischen Neuroleptika wirken Phenothiazine und Thioxanthene in vitro antimikrobiell und könnten sich so negativ auf die Biodiversität des Mikrobioms auswirken [24]. Zudem bestehen mögliche indirekte Wirkungen auf das Mikrobiom. Vor allem niederpotente Neuroleptika (Chlorprothixen, Levomepromazin, Melperon, Promethazin) bewirken eine Blockade am M1-Muskarin-Rezeptor und können vielfältige anticholinerge Nebenwirkungen wie verzögerte Magenentleerung, Obstipation und Appetitlosigkeit verursachen. Einige hochpotente Neuroleptika (Bromperidol, Flupentixol, Haloperidol, Zuclopenthixol) führen über eine Blockade des 5-HT2-Serotonin-Rezeptors und des H1-Histamin-Rezeptors zu einer Gewichtszunahme. Für diese Gruppe der Neuroleptika ist allgemein festzuhalten, dass die Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt insgesamt häufig auftreten und dadurch eine indirekte Beeinflussung des Mikrobioms stattfinden kann.

Atypische Antipsychotika (Amisulprid, Aripiprazol, Asenapin, Clozapin, Lurasidon, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon, Sertindol, Sulpirid, Ziprasidon) können ebenfalls das Wachstum von Darmmikroben hemmen [20]. In einer klinischen Studie mit Patienten, die Aripiprazol, Asenapin, Clozapin, Lurasidon, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon oder Ziprasidon einnahmen, konnte zudem eine signifikante Verringerung der Biodiversität der Mikrobiom-Bakterien festgestellt werden [10]. Bei den weiblichen Studienteilnehmerinnen war dieser Effekt stärker ausgeprägt. In der Therapie mit atypischen Antipsychotika sind auch indirekte Auswirkungen auf das Mikrobiom wahrscheinlich. Vor allem Clozapin, aber auch Risperidon, Olanzapin und Ziprasidon verursachen Übelkeit und Obstipation bis hin zum Ileus. Diese Nebenwirkungen sind sehr häufig (≥ 1/10) bis häufig (≥ 1/100, < 1/10). Außerdem führen die meisten atypischen Antipsychotika mit Ausnahme von Aripiprazol häufig zu einer Gewichtszunahme. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei der Einnahme von Olanzapin, wo zum Teil extreme Gewichtszunahmen beschrieben sind [12].

Antidepressiva

Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Nortriptylin, Opipramol und Trimipramin zeigen vielfach direkte Auswirkungen auf das Mikrobiom. Für Amitriptylin konnte in vitro gezeigt werden, dass es je nach Dosierung 185 von 254 getesteten Bakterienstämmen hemmen kann [21]. Dabei zeigten sich die größten Auswirkungen auf die Stämme Staphylococcus spp. oder Bacillus spp. Im Tierversuch konnte in Mäusen ein Schutz vor dem Bakterium Salmonella typhimurium bei Dosierungen von 25 µg/g und 30 µg/g nachgewiesen werden [8]. Probanden, die mit trizyklischen Antidepressiva therapiert wurden, wiesen zudem ein höheres Aufkommen von Clostridium leptum auf [38]. Anhand dieser Beispiele ist davon auszugehen, dass trizyklische Antidepressiva das Darm-Mikrobiom in einem signifikanten Ausmaß direkt beeinflussen. Aufgrund der antagonistischen Wirkung am Muskarin-Rezeptor kommt es zudem sehr häufig bis häufig über anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit und Obstipation zu indirekten Effekten auf das Mikrobiom. Inhibierende Effekte am zentralen H1-Histamin-Rezeptor und eine damit verbundene Appetitsteigerung begünstigen zudem eine erhöhte Kalorien-Auf- und Gewichtszunahme.

Auch für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin sind direkte Auswirkungen auf das Mikrobiom nachgewiesen worden. Sowohl Escitalopram als auch Fluoxetin zeigten in vivo Effekte auf Escherichia coli. Bei Fluoxetin waren diese Effekte dosisabhängig und zusätzlich wurden hier Effekte auf Lactobacillus rhamnosus, Prevotella und Succinivibrio nachgewiesen [9]. Sertralin zeigt antimikrobielle Effekte gegenüber Escherichia coli und beeinflusst ebenso das Wachstum von Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa [4]. Auch in einer weiteren Untersuchung konnte ein Effekt von SSRI auf das Mikrobiom gezeigt werden. Besonders ist dieser Zusammenhang für Paroxetin und seine Wirkung auf Eubacterium ramulus herzustellen. Insgesamt wurden zehn Substanzen aus dieser Substanzklasse untersucht, die alle einen nachweisbaren Effekt aufwiesen [38]. Auffällig ist zudem, dass in der Probandengruppe, die unter dem Reizdarmsyndrom litt, die Gruppe der SSRI unter den Top 10 der meist verwendeten Arzneimittel zu finden war [38]. Eine Auswirkung von SSRI auf das Mikrobiom kann somit als Klasseneffekt angesehen werden. Indirekte Wirkungen von SSRI auf das Mikrobiom ergeben sich häufig über Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, welche auf die erhöhte gastrointestinale Motilität infolge der Aktivierung der Serotonin-Rezeptoren 5-HT3 und 5-HT4 zurückzuführen sind. Übelkeit und Gewichtszunahme werden mit der Aktivierung zentraler 5-HT2c-Rezeptoren in Verbindung gebracht.

Ähnlich wie für die SSRI sind auch für die selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) Duloxetin und Venlafaxin direkte Auswirkungen auf das Darm-Mikrobiom nachgewiesen [19] und auch SSNRI verursachen sehr häufig bis häufig Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Appetitminderung und Mundtrockenheit. Für den Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI/NARI) Reboxetin sind dagegen bislang keine direkten Auswirkungen auf das Mikrobiom nachgewiesen. Sehr häufige unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation und Übelkeit sind beschrieben, sodass ein indirekter Einfluss von Reboxetin über verminderten Appetit und Erbrechen möglich ist.

Für die weiteren Arzneistoffe aus der Gruppe der Antidepressiva wie Bupropion oder Mirtazapin sind eher indirekte Einflüsse auf das Mikrobiom, ebenfalls über Mundtrockenheit und Obstipation (Bupropion) oder Appetit- und Gewichtszunahme (Mirtazapin) denkbar. Für den Monoaminoxidase(MAO)-Hemmstoff Tranylcypromin liegen bislang keine Daten über einen Einfluss auf das Mikrobiom vor. Indirekt kann sich die Einnahme von Tranylcypromin auf das Körpergewicht auswirken. Tianeptin und Trazodon zeigen keine ausgeprägten anticholinergen Eigenschaften, weisen jedoch Durchfall als häufige gastrointestinale Nebenwirkung auf. Ähnlich verhält es sich mit Agomelatin, wo gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhö, Obstipation und Gewichtszunahme ebenfalls zum Nebenwirkungsprofil zählen und auch für Vortioxetin (in Deutschland außer Vertrieb) werden Übelkeit, Diarrhö und Obstipation als häufige Nebenwirkungen genannt.

Im Gegensatz dazu ändert Lithium, das zur Behandlung von bipolaren Störungen und in der Augmentation der Therapie mit Antidepressiva eingesetzt wird, die Zusammensetzung der Darmmikroben signifikant [9]. Zudem sind indirekte Wirkungen durch Lithium auf das Mikrobiom möglich, da die Einnahme von Lithium Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö hervorrufen kann. Eine Gewichtszunahme kann insbesondere in den ersten zwei Behandlungsjahren auftreten.

Fazit

Die ausgewählten Beispiele aus der Gruppe der Antipsychotika und Antidepressiva zeigen, dass diese nicht-antibiotischen Wirkstoffe das Mikrobiom über vielfältige Effekte auf die Magen-Darm-Funktion, aber auch über Appetitsteigerung oder aber Übelkeit und Mundtrockenheit indirekt beeinflussen können. Für einige Wirkstoffgruppen sind auch klare direkte Effekte auf die Zusammensetzung des Mikrobioms beschrieben, sodass sich hier für einige Wirkstoffe signifikante Klasseneffekte ergeben, die für den Therapieverlauf durchaus Bedeutung haben können. Das bessere Verständnis der Mechanismen, die diesen Veränderungen des Mikrobioms zugrunde liegen, und vor allem deren Auswirkungen auf die Darm-Hirn-Achse können zu neuen therapeutischen Ansätzen und zu einem völlig neuen Verständnis neuropsychiatrischer Erkrankungen führen. Aus der aktuellen Forschung zum Mikrobiom und seinen Auswirkungen auf die (psychische) Gesundheit ist heute schon klar abzuleiten, dass das Darm-Mikrobiom ein komplexes Ökosystem ist, das in konstanter wechselseitiger Beziehung zum Immunsystem, zum Hormonhaushalt und zum ZNS steht und darüber die Homöostase sowie die Pathogenese verschiedener Erkrankungen wesentlich mit beeinflusst. Wie hier aufgezeigt, greift eine Pharmakotherapie mit Antipsychotika und Antidepressiva sehr vielfältig in das Gleichgewicht des Mikrobioms ein und beeinflusst so auch die Darm-Hirn-Achse. Wir beginnen gerade, diese pharmakologisch herbeigeführten Veränderungen des Mikrobioms und die entsprechenden Auswirkungen auf ZNS-Erkrankungen besser zu verstehen. Aus den Forschungsarbeiten zur Darm-Hirn-Achse sind also künftig auch wichtige Impulse für das Verständnis und effektivere Therapieansätze in der Behandlung neurodegenerativer und neuropsychiatrischer Erkrankungen zu erwarten.

Interessenkonflikterklärung

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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*gleichrangiger Beitrag

#gefördert durch die DFG-Forschungsgruppe 2107 „Neurobiologie affektiver Erkrankungen“ zur Erforschung von Gen x Umweltinteraktionen als Risikofaktoren für psychiatrische Erkrankungen, wo unter anderem Veränderungen des Mikrobioms im Zusammenhang mit dem Risiko für psychiatrische Erkrankungen untersucht werden (https://for2107.de).


Emilia Picker, Patricia Wallstein, Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie, Fachbereich Pharmazie, Philipps-Universität Marburg, 35032 Marburg

Univ.-Prof. Dr. Carsten Culmsee, Dr. Susanne Michels, Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie, Biochemisch-Pharmakologisches Centrum Marburg, Fachbereich Pharmazie, Philipps-Universität Marburg, Karl-von-Frisch-Straße 2 / K03, 35032 Marburg; Center for Mind Brain and Behavior – CMBB, Philipps-Universität Marburg, 35032 Marburg, E-Mail: susanne.michels@pharmazie.uni-marburg.de

Effects of antipsychotic and antidepressant drugs on the gut microbiome

The gut microbiome and its central importance for health and disease are a fast emerging and exciting field of research. Many studies already proved a close inter-relation between alterations of the gut microbiome and a plethora of important diseases of our modern societies worldwide, such as metabolic and cardiovascular diseases, but also neuropsychiatric and neurological diseases such as depression, schizophrenia and age-related neurodegenerative diseases, respectively. The current literature in this research field clearly shows a close interaction between the microbiome and the immune system, the hormonal homeostasis and also the central nervous system, where neurotransmitter balance and function are significantly affected by alterations in the gut microbiome. In addition, there is increasing evidence for direct effects of non-antibiotic drugs on the gut microbiome, and in particular of drugs applied in the treatment of major depression and schizophrenia. A huge impact is expected from the results of current studies on particular mechanisms of pharmacological effects on the microbiome and corresponding effects on the gut-brain axis with respective consequences for our understanding of the neurobiology, new biomarkers and future treatment strategies of neuro-immunological, neuropsychiatric and neurodegenerative diseases.

Key words: gut microbiome, gut-brain axis, antipsychotics, antidepressants

Psychopharmakotherapie 2021; 28(06):243-250