Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Bei Patienten mit Demenz aufgrund einer neurodegenerativen Erkrankung wie Alzheimer- oder Parkinson-Krankheit kann es zu einer demenzbedingten Psychose kommen. Bei einigen Patienten sind klassische Neuroleptika schlecht wirksam. Bei Psychosen beim M. Parkinson oder bei der Lewy-Körper-Demenz können sie zu einer Symptomverstärkung führen. Pimavanserin ist ein oraler 5-HT2A-Rezeptorantagonist und inverser Agonist, der in den USA zur Behandlung von psychotischen Symptomen im Rahmen einer Parkinson-Krankheit zugelassen ist. Derzeit wird untersucht, ob Pimavanserin bei Psychosen im Zusammenhang mit verschiedenen Demenzursachen wirksam ist.
Studiendesign
Es handelte sich um eine doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie bei Patienten mit Psychosen in Zusammenhang mit einer Alzheimer-Erkrankung, Parkinson-Demenz, Demenz mit Lewy-Körperchen, einer frontotemporalen Demenz oder vaskulären Demenz (Tab. 1).
Tab. 1. Studiendesign [nach Tariot et al.]
Erkrankung |
Demenzbedingte Psychose |
Studienziel |
Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pimavanserin |
Studiendesign |
Multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Retentionsstudie, Phase III |
Eingeschlossene Patienten |
392 Patienten mit anhaltenden psychotischen Symptomen im Rahmen einer Demenzerkrankung unterschiedlicher Genese; |
Intervention |
Phase 1: 12 Wochen offene Behandlung mit 34 mg/Tag Pimavanserin (Anpassung auf 20 mg/Tag bis Woche 4 möglich); Phase 2: 26 Wochen Doppelblindphase
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Primäre Endpunkte |
Zeit ab Randomisierung bis zur erneuten Manifestation einer Psychose |
Sekundäre Endpunkte |
Zeit von der Randomisierung bis zum Therapieabbruch |
Sponsor |
Acadia Pharmaceuticals |
Studienregister-Nr. |
NCT03325556 (ClinicalTrials.gov) |
Die Patienten erhielten zunächst offen 12 Wochen lang Pimavanserin. An der anschließenden Doppelblindphase konnten Patienten teilnehmen, die in den Wochen 8 und 12
- eine Verringerung des SAPS-H+D-Scores gegenüber dem Ausgangswert um mindestens 30 % aufwiesen (SAPS-H+D ist eine Subskala der SAPS [Scale for the assessment of positive Symptoms] zur Bewertung von Halluzinationen [7 Items] und Wahnvorstellungen [13 Items] mit maximal 100 Punkten, wobei höhere Werte auf eine stärkere Psychose hinweisen) und
- eine Verbesserung des klinischen Gesamteindrucks, gemessen als CGI-I(Clinical global impression – improvement) von 1 (sehr stark verbessert) oder 2 (stark verbessert), zeigten.
Die Patienten wurden im Verhältnis 1 : 1 randomisiert und erhielten für bis zu 26 Wochen weiterhin Pimavanserin oder Placebo.
Der primäre Endpunkt war eine erneute Manifestation der Psychose, definiert durch eines der folgenden Kriterien: Anstieg des SAPS-H+D-Scores um mindestens 30 % gegenüber dem Ausgangswert bei Randomisierung und ein CGI-I-Score von 6 (viel schlechter) oder 7 (sehr viel schlechter), ein Krankenhausaufenthalt wegen demenzbedingter Psychose, Abbruch der Studie oder Ausstieg aus der Studie wegen mangelnder Wirksamkeit oder Verwendung von anderen Antipsychotika für demenzbedingte Psychosen.
Ergebnisse
In die offene Studienphase wurden 392 Patienten aufgenommen. Sie waren im Mittel 74 Jahre alt und 59 % waren Frauen. 66 % litten unter einer Alzheimer-Erkrankung (15 % Parkinson-Demenz, die weiteren Formen jeweils < 10 %). Der mittlere SAPS-H+D-Score bei Studieneinschluss betrug 24,4 und der CGI-Score 4,7.
Bei der geplanten Interimsanalyse nach Einschluss von 194 Patienten zeichnete sich eine bessere Wirksamkeit von Pimavanserin ab, weshalb die Studie dann abgebrochen wurde. Für 41 Patienten lagen bei Studienabbruch noch keine Ergebnisse der Evaluation in Woche 8 oder 12 der offenen Phase vor, deshalb wurden sie aus der Auswertung herausgenommen. Weitere 134 Patienten schieden bis zu diesem Zeitpunkt wegen unzureichender Wirkung (n = 70) oder aus anderen Gründen aus, sodass für die Doppelblindphase 217 Patienten randomisiert wurden.
Ein Rückfall der Psychose trat bei 12/95 Patienten (13 %) in der Pimavanserin-Gruppe auf und bei 28/99 (28 %) in der Placebo-Gruppe (Hazard-Ratio 0,35; 95%-Konfidenzintervall 0,17–0,73; p = 0,005).
Während der doppelblinden Phase traten unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei 43/105 Patienten (41,0 %) in der Pimavanserin-Gruppe und bei 41/112 (36,6 %) in der Placebo-Gruppe auf. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen (9,5 % vs. 4,5 %), Verstopfung, Harnwegsinfektionen (6,7 % vs. 3,6 %) und eine asymptomatische QT-Verlängerung (2,9 % vs. 0 %).
Kommentar
Die vorliegende Studie hatte ein ungewöhnliches Design, es handelt sich um eine Retentionsstudie. Dabei werden zunächst alle Patienten mit Verum behandelt und Patienten, die auf die Therapie ansprechen, werden dann auf eine Fortführung der Therapie oder eine Behandlung mit Placebo randomisiert. Der Abbruch der Studie ist das Zielkriterium, wobei dies entweder wegen mangelnder Wirksamkeit oder wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen erfolgen kann.
Die Studie zeigt über einen Zeitraum von bis zu 26 Wochen, dass Pimavanserin bei Patienten mit Psychosen im Rahmen einer Demenz-Erkrankung besser wirksam ist als Placebo. Eine Besonderheit der Substanz ist, dass sie nicht zu extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen führt und daher auch bei Patienten mit Morbus Parkinson eingesetzt werden kann. Die Untergruppen von Patienten mit den verschiedenen Demenzformen waren allerdings zu klein, um Aussagen darüber zu machen, welche Formen der Demenz besonders ansprechen und welche weniger ansprechen. Daher wäre es wünschenswert, dass diese relativ gut verträgliche Substanz gezielt bei den einzelnen Untergruppen einer Demenz untersucht wird.
Quelle
Tariot PN, et al. Trial of pimavanserin in dementia-related psychosis. N Engl J Med 2021;385:309–19.
Psychopharmakotherapie 2021; 28(05):216-226