Migräne

Schnellere Symptomfreiheit mit frühzeitiger Eptinezumab-Infusion


Dipl. oec.-troph. Saskia Fechte, Stuttgart

Eptinezumab aus der Klasse der monoklonalen Antikörper ist in den USA für die Migräneprävention bei Erwachsenen zugelassen. Die intravenöse Verabreichung zu Beginn einer Migräneattacke erreichte im Vergleich zu Placebo eine schnellere Linderung und größere Episodenabstände.

Migräne ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Erkrankungsphasen mit teilweise sehr starkem und bis zu 72 Stunden anhaltendem Kopfschmerz. Zusätzlich treten häufig Begleitsymptome wie Übelkeit und Empfindungsstörungen auf, beispielsweise eine ausgeprägte Licht- und Geräuschsensibilität [1]. Eine aktuelle Untersuchung ergab, dass 34,3 % der Migränepatienten keine zufriedenstellende Besserung durch ihre bestehende Behandlung erfahren [2]. So führen die akuten Episoden wiederholt zu starken Beeinträchtigungen und belastenden Beschwerden. Zudem bestehen bei einer unzureichenden Therapie die Gefahr einer Überdosierung von Akutmedikamenten und das Risiko einer Chronifizierung [3, 4]. Neben verschiedenen Mitteln der Akutbehandlung können präventive Maßnahmen die Migränetherapie unterstützen. Untersuchungen zur Wirkung verschiedener Migräneprophylaktika ergaben nicht immer zufriedenstellende Ergebnisse [5]. Da dem Neuropeptid CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) eine entscheidende Rolle bei der Migräneentstehung zugeschrieben wird, scheinen Antagonisten, die hier und an dessen Rezeptor ansetzen, effektive Wirkstoffe zu sein. Hier könnte Eptinezumab aus der Klasse der IgG1-Antikörper eine Lücke schließen. In der vorliegenden Studie wurde die akute Wirkung von Eptinezumab bei Behandlungsbeginn während einer Migräneattacke untersucht.

Studiendesign

In die randomisierte, Placebo-kontrollierte und doppelblinde Phase-III-Multicenterstudie aus den USA waren 480 Patienten eingeschlossen, die seit mehr als einem Jahr unter Migräne litten. Bei allen Teilnehmern traten während der letzten drei Monate an vier bis 15 Tagen im Monat Symptome einer mittelschweren bis schweren Migräne auf. Mit 238 Patienten erhielt knapp die Hälfte der Studienteilnehmer 100 mg Eptinezumab intravenös binnen ein bis sechs Stunden nach den ersten Anzeichen einer entsprechenden Migräneattacke. Die Vergleichsgruppe bekam ein Placebo. 24 Stunden vor und zwei Stunden nach Beginn der dreißigminütigen Behandlung kam keine Akutmedikation zum Einsatz. Teilnehmer, die zwei Stunden nach der Infusion noch keine Besserung verspürten, konnten ihre individuelle Akutmedikation verwenden.

Studienergebnisse

Bei den primären Endpunkten, der Dauer bis zur Schmerzfreiheit sowie der Linderung der hauptsächlichen Begleiterscheinungen, zeigte sich unter Eptinezumab eine signifikante Besserung gegenüber Placebo. Dabei ließ der Kopfschmerz bei den Patienten, die den Antikörper erhielten, nach vier Stunden nach, die Placebo-Gruppe erreichte erst nach neun Stunden Schmerzfreiheit (Tab. 1). Typische Nebenerscheinungen wie Übelkeit und sensorische Missempfindungen verschwanden nach zwei vs. drei Stunden. Einer der sekundären Studienendpunkte war die Symptomfreiheit zwei Stunden nach Beginn der Infusion. Hier wurde unter Eptinezumab häufiger eine Besserung verzeichnet (23,5 % vs. 12 %). Ähnliches galt für Übelkeit und Licht- oder Geräuschüberempfindlichkeit nach zwei Stunden (55,5 % vs. 35,8 %). Auch hinsichtlich typischer Begleitsymptome war der CGRP-Inhibitor nach vier Stunden wirksam (65,1 % vs. 37,5 %). Darüber hinaus stand ein ergänzender, eigenständiger Einsatz von Akutmitteln im Blickpunkt der Studie. Innerhalb von 24 Stunden griffen weniger Eptinezumab-Patienten zu weiteren Medikamenten als die Placebo-Gruppe (31,1 % vs. 59,9 %). Der beschwerdefreie Zeitraum bis zur nächsten Migräneattacke konnte mit der Infusion auf zehn Tage im Vergleich zu fünf Tagen bei der Vergleichsgruppe verlängert werden. Dabei war die Rate relevanter unerwünschter Nebenwirkungen mit 2,1 %, hauptsächlich allergische Reaktionen, sehr niedrig. Detaillierte Ergebnisse sind in Tabelle 1 ersichtlich.

Tab. 1. Ausgewählte Studienergebnisse [nach Winner et al.]

Endpunkte

Eptinezumab
(n = 238)

Placebo
(n = 242)

Differenz [Prozentpunkte (95%-KI)]

Kopfschmerzfreiheit [h]

4,0 (2,5–12,0)

9,0 (3,0–48,0)

Abwesenheit der wichtigsten Begleitsymptome [h]

2,0 (1,0–3,5)

3,0 (1,5–12,0)

Kopfschmerzfreiheit nach 2 Stunden [n (%)]

56 (23,5)

29 (12,0)

11,6 (4,78–18,31)

Abwesenheit der wichtigsten Begleitsymptome nach 2 Stunden [n (%)]

132 (55,5)

86/240 (35,8)

19,6 (10,87–28,39)

Kopfschmerzfreiheit nach 4 Stunden [n (%)]

111 (46,6)

64 (26,4)

20,0 (11,76–28,62)

Abwesenheit der wichtigsten Begleitsymptome nach 4 Stunden [n (%)]

155 (65,1)

90/240 (37,5)

27,6 (19,01–36,24)

Einsatz von Akutmedikamenten innerhalb 24 Stunden [n (%)]

75 (31,5)

145 (59,9)

–28,4 (–36,96; –19,86)

KI: Konfidenzintervall

Fazit

Bei frühzeitiger Anwendung zu Beginn einer Migräneattacke fiel die Dauer der Beschwerden unter Eptinezemab signifikant kürzer aus als unter Placebo. Sowohl das Grundsymptom Kopfschmerz als auch typische Begleiterscheinungen wie Übelkeit und sensorische Missempfindungen wie eine erhöhte Licht- und Geräuschsensibilität, ließen mithilfe des intravenös verabreichten IgG1-Antikörpers schneller nach. Ein Großteil der Patienten konnte auf zusätzliche Akutmedikation verzichten und erlangte eine längere beschwerdefreie Phase bis zur nächsten Migräneattacke. Eptinezumab intravenös und zeitnah anzuwenden, kann demnach belastende Erkrankungsphasen mildern. Diese zusätzliche Therapieoption schlägt eine Brücke zwischen Prävention und Therapie und besitzt das Potenzial, sowohl Überdosierungen als auch Besuchen in der Notaufnahme entgegenzuwirken. Inwieweit die beschriebene Eptinezumab-Behandlung in der Praxis umsetzbar ist und wie sie im Vergleich mit alternativen Behandlungen abschneidet, bleibt noch zu eruieren.

Quelle

Winner PK, et al. Effects of intravenous eptinezumab vs placebo on headache pain and most bothersome symptom when initiated during a migraine attack, A randomized clinical trial. JAMA 2021;325:2348–56.

Literatur

1. Headache classification committee of the international headache society. The international classification of headache disorders, 3rd edition. Cephalalgia 2018;38:1–211.

2. Lombard L, et al. A real-world analysis of patient characteristics, treatment patterns, and level of impairment in patients with migraine who are insufficient responders vs responders to acute treatment. Headache 2020;60:1325–39.

3. Buse DC, et al. Migraine progression: a systematic review. Headache 2019;59:306–38.

4. Torres-Ferrús M, et al. School of advanced studies of european headache federation. From transformation to chronification of migraine: pathophysiological and clinical aspects. J Headache Pain 2020;21:42.

5. Silberstein SD. Preventive migraine treatment. Continuum (Minneap Minn). 2015;21:973–89.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(04):172-183