Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Beim Cluster-Kopfschmerz kommt es zu heftigsten halbseitigen Attacken von Kopf- und Gesichtsschmerzen mit vegetativen Begleiterscheinungen und autonomen Symptomen wie Augentränen, Augenrötung und Naselaufen, wobei die Attacken zwischen 30 Minuten und zwei Stunden anhalten können. Beim episodischen Cluster-Kopfschmerz treten diese Attacken in einer bestimmten Zeitperiode von Wochen bis Monaten auf, gefolgt von längeren beschwerdefreien Intervallen. Die Akuttherapie der Clusterattacken erfolgt durch die subkutane Gabe von Sumatriptan, die nasale Gabe von Sumatriptan oder Zolmitriptan und die Inhalation von 100%igem Sauerstoff. Die Prophylaxe des episodischen Cluster-Kopfschmerzes erfolgt mit Verapamil oder Lithium. Verapamil muss allerdings langsam eingeschlichen werden. Daher besteht die dringende Notwendigkeit, das Zeitintervall bis zum Wirkungseintritt von Verapamil zu überbrücken. Seit 30 Jahren wird in allen Lehrbüchern der Neurologie für diese Phase ein Glucocorticoid empfohlen, wobei es bisher keinen wissenschaftlichen Beweis für diesen Ansatz aus Placebo-kontrollierten Studien gab.
Studiendesign
Es handelte sich um eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie in zehn Kopfschmerzzentren in Deutschland, die vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBF) finanziert wurde. Eingeschlossen wurden Patienten mit episodischem Cluster-Kopfschmerz, bei denen eine neue Clusterperiode aufgetreten war, die weniger als 30 Tage bestand. Die Patienten erhielten entweder 100 mg Prednison oral für fünf Tage mit langsamer Dosisreduktion von jeweils 20 mg alle drei Tage oder Placebo. Die gesamte Behandlungszeit umfasste 17 Tage. Alle Patienten erhielten zusätzlich orales Verapamil für die Langzeitprävention, wobei dieses mit dreimal 40 mg begonnen und dann bis Tag 19 auf dreimal 120 mg aufdosiert wurde.
Der primäre Endpunkt der Studie war die mittlere Zahl der Clusterattacken in der ersten Woche der Behandlung.
Ergebnisse
Zwischen April 2013 und Januar 2018 wurden 118 Patienten in die Studie aufgenommen. Die eigentlich geplante Zahl von 144 Patienten wurde wegen Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Auslaufen der Förderung nicht erreicht. Die Patienten waren im Mittel 41 Jahre alt und 83 % waren Männer. Der episodische Cluster-Kopfschmerz bestand im Durchschnitt seit 7,8 Jahren. In der Baselineperiode (drei Tage vor Randomisierung) hatten die Patienten im Mittel 6,7 Clusterattacken (7,1 [Prednison-Gruppe] bzw. 6,2 [Placebo-Gruppe]). Zwei Patienten schieden initial aus und 116 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip randomisiert. 57 Patienten erhielten Prednison und 59 Patienten Placebo. 109 Patienten wurden in die modifizierte Intention-to-treat-(mITT-)Analyse einbezogen (53 Patienten mit Prednison und 56 Patienten mit Placebo).
Innerhalb der sieben Tage hatten die Patienten in der Prednison-Gruppe einen Mittelwert von 7,1 (SD 6,5) Clusterattacken im Vergleich mit 9,5 (6,0) Attacken in der Placebo-Gruppe (Differenz –2,4 Attacken; 95%-Konfidenzintervall [KI] –4,8 bis –0,03; p = 0,002). Bei 35 % der Patienten in der Prednison-Gruppe kam es bis Tag 7 zu einem Sistieren der Clusterattacken verglichen mit 7 % in der Placebo-Gruppe. Die Behandlung mit Prednison hatte auch einen signifikanten Effekt auf die Intensität der einzelnen Clusterattacken.
Insgesamt wurden 270 unerwünschte Arzneimittelwirkungen beobachtet: In der Prednison-Gruppe berichteten 37 (71 %) von 52 Patienten über 135 unerwünschte Ereignisse; am häufigsten waren Kopfschmerzen, Herzklopfen, Schwindel und Übelkeit. In der Placebo-Gruppe traten bei 39 (71 %) der 55 Patienten 135 unerwünschte Ereignisse auf; am häufigsten waren Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen.
Kommentar
Die vorliegende Untersuchung aus Deutschland ist die erste Studie, die wissenschaftlich eindeutig belegt, dass eine Behandlung mit Prednison bei Beginn einer Clusterattacke wirksam ist. Mit der Prednison-Behandlung kann die Zeit bis zum Wirkungseintritt der Prophylaxe mit Verapamil überbrückt werden. Mit den Ergebnissen dieser Studie ist jetzt auch eine Therapieempfehlung, die bisher nur auf Erfahrung beruhte, wissenschaftlich belegt. Die Studie zeigt außerdem, dass es in Deutschland möglich ist, hochwertige randomisierte Studien zur Indikation Kopfschmerz durchzuführen.
Quelle
Obermann M, et al. Safety and efficacy of prednisone versus placebo in short-term prevention of episodic cluster headache: a multicentre, double-blind, randomised controlled trial. Lancet Neurol published online November 24, 2020; https://doi.org/10.1016/S1474-4422(20)30363-X.
Psychopharmakotherapie 2021; 28(01):40-49