Narkolepsie und obstruktive Schlafapnoe

Mehr als müde: Solriamfetol hilft bei exzessiver Tagesschläfrigkeit


Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Für erwachsene Patienten, die von Narkolepsie oder obstruktiver Schlafapnoe betroffen sind, ist seit Mai 2020 ein neues Medikament verfügbar. Der duale Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Solriamfetol kann die Wachheit verbessern und übermäßige Schläfrigkeit reduzieren. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) wurde der Wirkstoff bei einem von Jazz Pharmaceuticals veranstalteten Symposium vorgestellt.

Die Erkrankungen Narkolepsie und obstruktive Schlafapnoe (OSA) haben ein gemeinsames Syndrom: die exzessive Tagesschläfrigkeit (excessive daytime sleepiness, EDS). EDS ist mehr als die Müdigkeit, die Gesunde empfinden, wenn sie nachts schlecht geschlafen haben. Vielmehr fällt es Betroffenen schwer, wach und aufmerksam zu bleiben, unabhängig davon, wie kurz oder wie lang ihr Nachtschlaf war. Die überwältigende Müdigkeit am Tage wirkt sich häufig negativ auf ihre Beziehungen, die Arbeitsleistung und ihren Alltag aus. Denn EDS kann zu geringerer Produktivität, zu Fehlern am Arbeitsplatz und zu Unfällen führen. Ein Grund dafür ist, dass Betroffene häufig zu unangemessenen Zeiten schläfrig werden oder einschlafen, beispielsweise beim Autofahren.

Diagnostik ist schwierig

Die Dunkelziffer der EDS ist sehr hoch, da Betroffene die Beschwerden beim Arzt ungenau beschreiben oder sie als Bestandteil ihrer Erkrankung akzeptiert haben. Tatsächlich gehörten die EDS bei der Narkolepsie zu den Hauptsymptomen der Erkrankung, neben Schlafstörungen und -lähmungen, Kataplexie und beängstigenden Träumen beim Einschlafen oder Aufwachen. Auch bei der obstruktiven Schlafapnoe können trotz einer CPAP-Therapie (CPAP: continuous positive airway pressure) die EDS-Symptome weiter bestehen. Beispielsweise litten in einer Untersuchung zwischen 9 und 22 % der OSA-Patienten trotz adäquater CPAP-Therapie weiterhin unter EDS [2]. Zur Erfassung der EDS werden Skalen wie die Epworth Sleepiness Scale (ESS), der Multiple Sleep Latency Test (MSLT) oder der Maintenance of Wakefulness Test (MWT) eingesetzt.

Umfangreiches Studienprogramm

Der Wirkungsmechanismus von Solriamfetol (Sunosi®) ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Man vermutet, dass die Verbesserung der Wachheit auf einer Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung beruht. Diese beiden Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus [1].

Die Zulassung von Solriamfetol basiert auf vier randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien des Studienprogramms TONES (Treatment of obstructive sleep apnea and narcolepsy excessive sleepiness) [3–6].

In TONES 2 zeigten Patienten mit Narkolepsie, die randomisiert mit 150 mg Solriamfetol behandelt wurden, im Vergleich zur Placebo-Gruppe in der 12. Woche statistisch signifikante Verbesserungen beim MWT (Unterschied des Therapieeffekts: 7,7 Minuten) und bei der ESS (Unterschied im Behandlungseffekt: 3,8 Punkte). Diese Effekte traten bereits in der ersten Woche auf und stimmten mit den Ergebnissen der 12. Woche überein [6].

In TONES 3 zeigten Patienten mit OSA, die mit 37,5 mg, 75 mg und 150 mg Solriamfetol randomisiert behandelt wurden, im Vergleich zur Placebo-Gruppe statistisch signifikante Verbesserungen beim MWT (Unterschied des Therapieeffekts: 4,5 Minuten, 8,9 Minuten bzw. 10,7 Minuten) und bei der ESS (Unterschied des Therapieeffekts: 1,9 Punkte, 1,7 Punkte bzw. 4,5 Punkte) in Woche 12. Auch in dieser Studie waren die Wirkungen bereits in der ersten Woche erkennbar und stimmten mit den Ergebnissen der 12. Woche überein [4].

Bei obstruktiver Schlafapnoe in Kombination mit CPAP

Solriamfetol ist in den Dosierungen 75 mg und 150 mg zur Verbesserung der Wachheit und zur Verringerung der EDS bei Narkolepsie sowie in den Stärken 37,5 mg, 75 mg und 150 mg bei OSA zur Verringerung der EDS zugelassen. Bei OSA-Patienten darf der Wirkstoff nur zum Einsatz kommen, wenn die EDS durch die Primärtherapie CPAP nicht zufriedenstellend behandelt werden konnte; diese muss außerdem auch während der Behandlung mit Solriamfetol weitergeführt werden, denn Solriamfetol ist keine Behandlung für die zugrunde liegende Atemwegsobstruktion und soll keinen Ersatz für die Primärtherapie darstellen.

Solriamfetol wird einmal täglich morgens nach dem Aufwachen, zu oder unabhängig von den Mahlzeiten, eingenommen. Die Einnahme weniger als neun Stunden vor dem Zubettgehen ist zu vermeiden, da das den Nachtschlaf stören kann.

Die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen waren Kopfschmerz (11,1 %), Übelkeit (6,6 %) und verminderter Appetit (6,8 %). Bei Patienten mit anamnestisch bekannter oder gleichzeitig vorliegender Psychose oder bipolaren Störungen ist besondere Vorsicht geboten, da psychiatrische Nebenwirkungen auftreten können, die Symptome (z. B. manische Episoden) vorbestehender psychiatrischer Erkrankungen verschlimmern können. Auswertungen von Daten aus klinischen Prüfungen haben auch gezeigt, dass die Behandlung mit Solriamfetol zu dosisabhängigen Anstiegen des Blutdrucks und der Herzfrequenz führen kann. Diese Parameter sind deshalb vor Behandlungsbeginn mit Solriamfetol zu messen und während der Behandlung regelmäßig zu kontrollieren, vor allem nach einer Dosiserhöhung. Vorsicht geboten ist auch bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen [1].

Quelle

Prof. Dr. rer. physiol. Thomas Penzel, Berlin, Dr. med. Anna Heidbreder, Innsbruck, Prof. Dr. med. Georg Nilius, Essen; virtuelles Symposium „Wacher durch den Tag – eine neue Therapieoption für Patienten mit exzessiver Tagesschläfrigkeit“, veranstaltet von Jazz Pharmaceuticals im Rahmen der 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) e. V., 29. Oktober 2020.

Literatur

1. Fachinformation Sunosi® 75 mg/150 mg Filmtabletten, Stand 16. Januar 2020.

2. Gasa M, et al. Residual sleepiness in sleep apnea patients treated by continuous positive airway pressure. J Sleep Res 2013;22:389–97.

3. Malhotra A, et al. A long-term safety and maintenance of efficacy study of solriamfetol (JZP-110) in the treatment of excessive sleepiness in subjects with narcolepsy or obstructive sleep apnea. Sleep 2019;42(Suppl):1–474.

4. Schweitzer PK, et al. Solriamfetol for excessive sleepiness in obstructive sleep apnea (TONES 3). Am J Respir Crit Care Med 2019;199:1421–31.

5. Strollo PJ, et al. Solriamfetol for the treatment of excessive sleepiness in OSA. Chest 2019;155:364–74.

6. Thorpy MJ, et al. A randomized study of solriamfetol for excessive sleepiness in narcolepsy. Ann Neurol 2019;85:359–70.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(01):40-49