Psychopharmaka-assoziierte Komplikationen bei stationären Demenzpatienten


Die Polypharmazie ist ein wichtiger Indikator für das kardiale Risiko und die Indikation von Antidepressiva muss bei Demenzkranken streng geprüft werden

Stefan Preuße, Mario Bartl und Almuth Franz, Göttingen

Bisherige Studien zu Risiken der medikamentösen Behandlung verhaltensauffälliger Demenzkranker beschäftigen sich vor allem mit relativen Risiken, also dem Vergleich verschiedener Wirkstoffe. Das lässt dem Kliniker nur wenig Vorstellung, wie hoch das absolute Risiko Psychopharmaka-assoziierter Komplikationen ist, um eine sinnvolle Risiko-Nutzen-Abschätzung vornehmen zu können. In einer Querschnittsstudie wurde deshalb nach der Diagnose „Demenz“ in einem großen psychiatrischen Fachklinikum der Pflichtversorgung selektiert und zum Entlassungszeitpunkt die Dauermedikation der Psychopharmaka und somatischen Medikamente erfasst, um eine Einsicht in das Risiko häufiger Komplikationen der Demenzbehandlung mit Psychopharmaka zu erhalten und gegebenenfalls eine „Negativauswahl“ vornehmen zu können.
Ob Polypharmazie oder die zugrunde liegende Multimorbidität die Ursache für die Komplikationen ist, kann auch durch bisherige Studien nicht eindeutig beantwortet werden. Daher diente in dieser Studie die Polypharmazie als Indikator für mögliche Komplikationen. Unter Pharmaka-assoziierten Komplikationen wurden alle Komplikationen verstanden, die durch die verabreichte Medikation ausgelöst worden sein können.
Die häufigsten Komplikationen aus 999 ausgewerteten Aufenthalten waren schwere pulmonale Infekte (2,6 %), schwerwiegende Sturzfolgen (2,1 %), sowie kardiale (1,5 %) und gastrointestinale Ereignisse (1,5 %).
Der wichtigste Indikator für Komplikationsrisiken in der stationären Akutbehandlung ist nach den vorliegenden Ergebnissen die Polypharmazie. Dies ließ sich in Bezug auf pulmonale Infekte und vor allem für kardiale Ereignisse darstellen, wobei sich ab drei Psychopharmaka das kardiale Komplikationsrisiko signifikant zum Behandlungsdurchschnitt erhöhte. Die Gesamtmedikamentenzahl sollte acht verschiedene Wirkstoffe nicht überschreiten. Vereinfacht würde sich die Faustregel 2 + 6 anbieten. Dabei sind niedrige Dosierungen zu wählen und eine antidepressive Medikation in therapeutischer Dosis in Kombination mit weiterer Psychopharmazie zu vermeiden, insbesondere mit Antipsychotika. Die Kombination aus Antidepressivum und Antipsychotikum erhöhte deutlich das kardiale Risiko. Zudem zeigte sich die dosisabhängige Risikoerhöhung für Lorazepam bei schwerwiegenden Sturzfolgen bei fester Dosierung von über 1 mg/Tag.
Schlüsselwörter: Antidepressiva, Antipsychotika, Benzodiazepine, Polypharmazie, pulmonale Infektionen, schwerwiegende Sturzfolgen, kardiale Ereignisse, gastrointestinale Ereignisse, Demenz
Psychopharmakotherapie 2020;27:278–87.

Eine große Zahl an Studien beschäftigt sich mit den Risiken bei der medikamentösen Behandlung von verhaltensauffälligen Demenzpatienten. Dabei erhalten insbesondere Antipsychotika und Benzodiazepine eine besondere Aufmerksamkeit aufgrund der von ihnen zumindest mitverursachten Komplikationen. Trotzdem ist die Verwendung von Psychopharmaka bei der Behandlung von verhaltensauffälligen Demenzpatienten weit verbreitet [8]. Die bisherigen Studien stellen die Risiken in der Regel als relatives Risiko dar. Es werden also verschiedene Medikamentenrisiken miteinander verglichen. Das absolute Risiko bleibt dem Kliniker damit oft verborgen. Die Kenntnis des absoluten Risikos ist aber für eine Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig, wenn zum Psychopharmaka-Einsatz keine Alternativen bestehen [15]. Zudem werden in Studien aufgrund der üblichen Stichprobenauswahl andere Patientenkollektive erstellt, als sie wahrscheinlich im klinischen Alltag zu beobachten sind. Außerdem ist im klinischen Alltag oft unbekannt, seit wann Vormedikationen bestehen bzw. ob diese zuverlässig eingenommen wurden und welche Vorerkrankungen in welchem Schweregrad vorliegen.

Daher wurde in der hiesigen Studie eines großen psychiatrischen Fachklinikums der Pflichtversorgung nur nach der Diagnose „Demenz“ selektiert und zum Entlassungszeitpunkt die Dauermedikation der Psychopharmaka sowie der somatischen Arzneimittel erfasst, um eine Einsicht in häufige Komplikationen der Demenzbehandlung mit Psychopharmaka zu erhalten und gegebenenfalls eine „Negativauswahl“ vornehmen zu können.

Methode

Erfassung von Komplikationen

Über das Krankenhausinformationssystem wurden alle Aufenthalte aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 aus stationärer Behandlung erfasst, die mit der Hauptbehandlungsdiagnose „Demenz“ entlassen wurden. Die einzelnen Demenzdiagnosen waren: F01.0, F00.1, F01.2, F01.3, F03, F04, F05.1, F05.8, F05.9, G30.0, G30.1, G30.8, G31.0, G31.82, G31.9. Die Namen wurden über eine Fallnummer pseudonymisiert. Aus den Arztberichten zu den einzelnen Behandlungen wurden dann folgende Items erfasst: das Geschlecht, das Alter, die Medikamentenempfehlung bei Entlassung, die stationäre Behandlungsdauer, Sterbeereignisse während des stationären Aufenthalts und der Grund für Verlegungen in somatische Krankenhäuser. Als Komplikation wurde die Verlegung in ein anderes Krankenhaus definiert. Wenn Wiederaufnahmen in der psychiatrischen Klinik zu einer geplanten Verlegung in ein somatisches Krankenhaus führten, wurden sie als eine Verlegung erfasst (wurde einmal notwendig). Eine mögliche Signifikanz wurde durch die Binomialobergrenze (Alpha > 0,95) ermittelt.

Als Kontrollgruppe dienten die Aufenthalte bei der gleichen Komplikation innerhalb der 999 insgesamt erfassten Fälle, die keine Medikation mit entsprechend untersuchtem Risikoprofil hatten.

Um ein Risiko für bestimmte Ereignisse darstellen zu können, wurden die erfassten Ereignisse in Relation zu den erfassten Gesamtaufenthalten gestellt und somit jeweils das absolute Risiko erfasst. Es wurde nur die Dauermedikation erfasst, da regelmäßige Bedarfsarzneien konsequent in Dauerarzneien umgewandelt wurden.

Einfluss der Medikation

Unter Polypharmazie wird die gleichzeitige und andauernde Einnahme mehrerer Wirkstoffe verstanden. Eine einheitliche Definition gibt es nicht [10]. Die Autoren dieser Studie definieren die Einnahme von fünf und mehr Wirkstoffen als Polypharmazie, dazu zählen auch frei verkäufliche und nicht verschreibungspflichtige Medikamente, soweit sie am Ende der stationären Behandlung ärztlich verordnet wurden.

Für die Untersuchung des Einflusses der Polypharmazie wurde der Behandlungsdurchschnitt als Referenzgröße benutzt, da zum einen nur sehr wenige Entlassungen ohne Polypharmazie erfolgten; in diesen Fällen ließen sich zudem keine Komplikationsereignisse beobachten, weshalb dann das Vergleichsrisiko bei 0,00 % gelegen hätte. Der Behandlungsdurchschnitt wurde aus allen mit mindestens einem psychopharmakologischen Medikament und mit mindestens einem weiteren (somatischen) Medikament therapierten Behandlungsfällen gebildet und zu der Anzahl der verschiedenen Ereignisse ins Verhältnis gesetzt. Vergleichsgruppen wurden dann aufsteigend in derselben Weise gebildet und mit dem Behandlungsdurchschnitt verglichen.

Es wurden nur Wirkstoffe mit einer Mindestanzahl von 100 Fällen untersucht. Entsprechend der Binomialverteilung mit einem Alpha von > 0,95 würde eine Wahrscheinlichkeit von 1,5 % (entsprechend den kardialen Ereignissen in dieser Studie) eine Untergrenzwahrscheinlichkeit von vier Ereignissen ergeben. Also müssten mindestens fünf Ereignisse beobachtet werden, um ein signifikantes Ergebnis darzustellen, was nach Ansicht der Autoren vertretbar erscheint.

Ergebnisse

Es wurden 999 Aufenthalte mit der Behandlungsdiagnose „Demenz“ erfasst, wobei in 53 Fällen keine psychopharmakologische Medikation bei Entlassung bestand. Die Patienten waren im Mittel 2,6 Wochen in stationärer Behandlung. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Behandlungsdauern der Gesamtgruppe und der Patienten, die aufgrund von Komplikationen verlegt wurden. Die Altersverteilung war in beiden Gruppen ähnlich (Tab. 2), der Mittelwert lag bei 82,1 Jahren.

Tab. 1. Behandlungsdauer

Behandlungsdauer

Gesamtgruppe

(n = 999)

Verlegungsgruppe

(n = 145)

Bis 1 Woche

15 %

50 %

1–2 Wochen

22 %

29 %

2–3 Wochen

30 %

16 %

3–4 Wochen

19 %

4 %

Über 4 Wochen

14 %

1 %

Tab. 2. Altersverteilung

Alter

Gesamtgruppe

(n = 999)

Verlegungsgruppe

(n = 145)

Bis 75 Jahre

16 %

15 %

75–80 Jahre

21 %

17 %

80–85 Jahre

25 %

25 %

85–90 Jahre

21 %

29 %

90–95 Jahre

13 %

10 %

Über 95 Jahre

4 %

3 %

Erfasste Wirkstoffe

Zum Entlassungszeitpunkt erhielten die Patienten durchschnittlich 8,5 Medikamente. Die häufigsten Psychopharmaka-Anwendungen betrafen acht Wirkstoffe (Tab. 3); alle anderen Wirkstoffe waren unter 100-mal vertreten und werden daher nicht berücksichtigt.

Tab. 3. Verordnete Psychopharmaka zum Entlassungszeitpunkt (n 100)

Patienten

[n]

Durchschnittsalter

[Jahre]

Durchschnittstagesdosis

Durchschnitt der Medikamentenzahl

Antipsychotika

Prothipendyl

451

82,0

66,0 mg

8,6

Quetiapin

187

82,5

89,1 mg

8,6

Tiaprid

147

79,7

236,8 mg

7,7

Risperidon

135

83,3

1,7 mg

9,3

Pipamperon

102

81,6

88,4 mg

8,7

Benzodiazepine

Lorazepam

284

81,9

1,4 mg

8,8

Z-Substanzen

Zolpidem

194

81,9

8,2 mg

9,2

Antidepressiva

Mirtazapin

217

82,4

19,5 mg

9,1

Komplikationsereignisse

Die Verlegung in ein somatisches Krankenhaus erfolgte in den meisten Fällen wegen potenziell Psychopharmaka-assoziierter Komplikationsereignisse (Tab. 4), die wie folgt gruppiert wurden:

  • Pulmonale Infektionen (n = 26): Pneumonie, atypische Pneumonie, Bronchopneumonie, starke pulmonale Sekretbildung mit Entzündungszeichen, schwere pulmonale Infekte ohne weitere Angaben, die zur Verlegung und antibiotischen Behandlung führten
  • Schwerwiegende Sturzfolgen (n = 21): Schenkelhalsfrakturen, pertrochantäre Femurfraktur, Radiusfraktur, Radius- und Ulnafraktur, Humerusschaftfraktur, Schwellung und Hämatom am Bein, Nasenbeinfraktur, großes Hämatom der Stirn, Schulter-Distorsion, Notfallvorstellungen zum Frakturausschluss
  • Kardiale Ereignisse (n = 15): Herzinsuffizienz, Tachyarrhythmia absoluta, AV-Block, Tachykardie, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt, Troponin-Erhöhung, Angina pectoris, Endokarditis
  • Gastrointestinale Ereignisse (n = 15): Rektale Blutung, schmerzhafter gelblicher Durchfall, Hämatinerbrechen, akutes Abdomen, Stuhlerbrechen, massives Erbrechen, Ileus, Blutung, Leberwerterhöhung, ikterisches Hautkolorit

Tab 4. Komplikationsereignisse (n = 145) bezogen auf die Gesamtaufenthalte (n = 999)

Komplikationen

Häufigkeit

Potenziell Psychopharmaka-assoziierte Ereignisse

Pulmonale Infektionen

2,6 %

Schwerwiegende Sturzfolgen

2,1 %

Gastrointestinale Ereignisse

1,5 %

Kardiale Ereignisse

1,5 %

Niereninsuffizienz

0,8 %

Unklare Infektionen

0,7 %

Urologische Ereignisse

0,5 %

Unklare Bewusstseinsstörung

0,5 %

Epileptische Ereignisse

0,5 %

Unklare Dyspnoe

0,5 %

Venöse Thrombosen

0,4 %

Verschlechterung des Allgemeinzustands

0,3 %

Zerebrovaskuläre Ereignisse

0,2 %

Reanimation

0,1 %

Anaphylaktischer Schock

0,1 %

Dekubitus

0,1 %

Elektrolytverschiebung

0,1 %

Synkope

0,1 %

Aplastische Anämie

0,1 %

Andere Ereignisse

Hämato-onkologische Erkrankungen

0,4 %

Alte orthopädische Verletzung

0,3 %

Diagnostik

0,2 %

Geriatrische Rehabilitationsbehandlung

0,2 %

Schrittmacheranlage

0,1 %

CVI

0,1 %

Shuntanlage

0,1 %

Unklarer Hb-Abfall

0,1 %

Medikamentenüberdosierung, nichtpsychiatrisch

0,1 %

Hyperglykämie

0,1 %

Palliative Behandlung

0,1 %

Erysipel

0,1 %

Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Zeitpunkte der Verlegungen für die Gesamtgruppe und für die Hauptkomplikationen.

Abb. 1. Zeitpunkte der Verlegungen

Vor allem bei den Patienten mit kardialen und pulmonalen Komplikationen lagen entsprechende Vorerkrankungen vor. Es bestanden:

  • 67 % pulmonale Vorerkrankungen bei Fällen mit schweren pulmonalen Infektionen
  • 40 % gastrointestinale Vorerkrankungen bei Fällen mit gastrointestinalen Ereignissen
  • 87 % kardiale Vorerkrankungen bei Fällen mit kardialen Ereignissen
  • 100 % kardial relevante Vorerkrankungen (inkl. Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie) bei Fällen mit kardialen Ereignissen

Vergleich mit den Kontrollgruppen

Die Charakteristika der Kontrollgruppen für die Hauptkomplikationen sind in Tabelle 5 zusammengefasst.

Tab. 5. Übersicht über die Kontrollgruppen der Hauptkomplikationen

Kontrollgruppe

Patienten

[n]

Ereignisse

Wahrscheinlichkeit

Definition

Durchschnittsalter

[Jahre]

Durchschnittliche Medikamentenzahl

Gesamtgruppe

Mit Ereignis

Gesamtgruppe

Mit Ereignis

Pulmonale Infektionen

108

2

1,9 %

Ohne Antipsychotika, Benzodiazepine, Z-Substanzen

80,7

82,7

7,3

10,4

Kardiale Ereignisse

200

1

0,5 %

Ohne Antipsychotika

81,9

84,4

7,9

10,9

Schwerwiegende Sturzfolgen

108

2

1,9 %

Ohne Antipsychotika, Benzodiazepine, Z-Substanzen

80,7

85,8

7,3

8,8

Gastrointestinale Ereignisse

157

3

1,9 %

Ohne Antipsychotika, Z-Substanzen

82,0

80,1

7,7

9,7

Bei gastrointestinalen Ereignissen wurde Lorazepam nicht in die Kontrollgruppe für gastrointestinale Ereignisse aufgenommen, da erst ab 1000 Behandlungen laut Fachinformation [6] Übelkeit und andere gastrointestinale Ereignisse (Verstopfung, Bilirubin-Anstieg, Gelbsucht, Anstieg der Lebertransaminasen) in unbekannter Häufigkeit zu erwarten sind.

Signifikante Risikoerhöhungen von Einzelwirkstoffen im Vergleich zu den Kontrollgruppen

Pulmonale Infektionen traten in der Kontrollgruppe bei 1,9 % auf. Ein signifikant höheres Risiko ergab sich für Quetiapin (4,8 %). Unter Lorazepam war das Risiko insgesamt nicht signifikant erhöht (1,8 %), innerhalb der Lorazepam-Behandlungsgruppe zeigte sich aber ein dosisabhängiges Risiko (Abb. 2).

Abb. 2. Risiko für pulmonale Infektionen unter Lorazepam; die rot gestrichelte Linie stellt die Signifikanzobergrenze im Vergleich zwischen Patienten mit einer Lorazepam-Dosis von unter zu über 1 mg/Tag dar

Kardiale Ereignisse traten in der Kontrollgruppe bei 0,5 % auf. Ein signifikant höheres Risiko ergab sich für Prothipendyl (1,8 %), Quetiapin (2,7 %) und Mirtazapin (2,3 %).

Schwerwiegende Sturzfolgen (Kontrollgruppe: 1,9 %) kamen unter Lorazepam bei einer Tagesdosis über 1 mg signifikant häufiger vor (Abb. 3).

Abb. 3. Risiko für schwerwiegende Sturzfolgen unter Lorazepam; die rot gestrichelten Linien stellen die Signifikanzobergrenze im Vergleich zwischen der Kontrollgruppe und Patienten mit einer Lorazepam-Dosis von unter bzw. über 1 mg/Tag und allen Lorazepam-Patienten dar. AP: Antipsychotika; BZD: Benzodiazepine

Gastrointestinale Ereignisse traten in der Kontrollgruppe bei 1,9 % auf. Es ergaben sich keine signifikant erhöhten Werte für einzelne hier untersuchte Wirkstoffe und auch nicht in den folgenden Betrachtungen zur Polypharmazie.

Ergebnisse zur Polypharmazie

Signifikante Zusammenhänge mit der Polypharmazie ergaben sich in Bezug auf kardiale Ereignisse (Abb. 4) und schwere pulmonale Infektionen (Abb. 5), aber nicht zu gastrointestinalen Ereignissen und Sturzereignissen.

Abb. 4. Darstellung der kardialen Ereignisse unter Polypharmazie und Psychopolypharmazie bezogen auf alle ausgewerteten Aufenthalte. Die Linie „1 Psychopharmakon und mehr“ diente als Behandlungsdurchschnitt, um weitere Polypharmaziegruppen zu vergleichen.

Abb. 5. Darstellung der pulmonalen Infektionen unter Polypharmazie und Psychopolypharmazie bezogen auf alle ausgewerteten Aufenthalte. Die Linie „1 Psychopharmakon und mehr“ dient als Behandlungsdurchschnitt, um weitere Polypharmaziegruppen zu vergleichen. Da pulmonale Infektionen bei vier Psychopharmaka und mehr nur einmal vorkamen, ist auf diese Darstellung verzichtet worden

Todesfälle

Unter den 999 ausgewerteten Aufenthalten gab es 13 Todesfälle. Die Betroffenen waren im Mittel 88,02 Jahre alt (beide Geschlechter) und zeigten folgende Altersverteilung:

  • Über 90 Jahre: 53,8 %
  • Über 85 Jahre: 69,2 %
  • Über 80 Jahre: 84,6 %
  • Über 74 Jahre: 100,0 %

Nur für Risperidon ergab sich ein Wert, der sich genau auf der Signifikanzobergrenze bezüglich Mortalität befand. Von den fünf Todesfällen unter Risperidon betrafen drei Patienten, die über 90 Jahre alt waren, ein Fall über 85 und ein Fall über 80 Jahre.

Diskussion

Allgemeine Wahrscheinlichkeiten Psychopharmaka-assoziierter Komplikationen

Fast 13 % aller Aufenthalte waren von Psychopharmaka-assoziierten Komplikationen betroffen. Über 60 % davon waren:

  • Schwere pulmonale Infektionen (2,6 % aller Aufenthalte)
  • Schwerwiegende Sturzfolgen (2,1 % aller Aufenthalte)
  • Gastrointestinale und kardiale Ereignisse (jeweils 1,5 % aller Aufenthalte)

Die Pneumonie ist allgemein die häufigste Todesursache bei Demenzerkrankungen; in einer langjährigen Autopsiestudie wurde sie in 38,4 % der Fälle als Todesursache ermittelt [2]. Entsprechend ist in der vorliegenden Studie die häufigste Komplikation in der stationären Akutbehandlung der schwere pulmonale Infekt. Der pathophysiologische Mechanismus ist unbekannt, wird aber in Zusammenhang mit der erschwerten Nahrungszufuhr bei Demenzpatienten und einem damit einhergehenden Aspirationsrisiko gebracht [2]. Kardiale Ereignisse waren in der Studie von Brunnström und Englund mit 23,1 % die zweithäufigste Todesursache bei Demenzerkrankungen [2]. In Übereinstimmung damit findet sich in der vorliegenden Studie als zweithäufigste potenziell tödliche Komplikation in der stationären Akutbehandlung das kardiale Ereignis. Auch ist das Auftreten schwerer Stürze bei älteren Menschen bekannt [23] und dementsprechend auch hier als zweithäufigste Komplikation zu finden.

Ungewöhnlich sind die häufigen gastrointestinalen Ereignisse. Gastrointestinale Erkrankungen haben keine herausragende Bedeutung im Bezug auf die Todesursachenstatistik in Deutschland [19]. Auch werden gastrointestinale Komplikationen in anderen Publikationen zu Komplikationen bzw. Todesursachen von Demenzerkrankungen nicht erwähnt [1–3].

Möglicherweise sind die hier in der Gruppe der „gastrointestinalen Ereignisse“ erfassten Erkrankungen zu heterogen und betreffen zu viele verschiedene Organe, sodass hier möglicherweise nur eine statistische Verzerrung dargestellt wurde.

Zum zeitlichen Verlauf der Komplikationen in der stationären Akutbehandlung ist anzumerken, dass die meisten Komplikationen innerhalb der ersten sieben Tage der stationären Behandlung auftraten. Bemerkenswert ist, dass bereits 12 % aller Komplikationen der Stichprobe innerhalb von 24 Stunden zur Verlegung in ein anderes Krankenhaus führten. Aus den vier häufigsten Verlegungsgründen hatten alle innerhalb der ersten Woche ihren höchsten Verlegungsanteil, außer den schwerwiegenden Sturzfolgen.

Dass 12 % der Komplikationen innerhalb von 24 Stunden zur Verlegung führten, spricht sehr dafür, dass diese Patienten in bereits schwer körperlich erkranktem Zustand in die stationäre Behandlung kamen und dass Verhaltensauffälligkeiten bei Demenzpatienten auch auf nichtzerebrale körperliche Ursachen zu prüfen sind.

Polypharmazie als Indikator für zu erwartende Komplikationen

Die Prävalenz komplikationsrelevanter Vorerkrankungen bei älteren Menschen ist sehr hoch. Das betrifft insbesondere Erkrankungen, die für kardiale Ereignisse relevant sind. So sind beispielsweise zwischen 80 und 90 % der über 65 Jährigen wegen arterieller Hypertonie vorbehandelt [13]. Betrachtet man in dieser Studie die Gruppe der Patienten mit den drei Komplikationen „pulmonale Infekte“, „kardiale“ und „gastrointestinale Ereignisse“, ist eine hohe relevante Vorerkrankungsquote feststellbar. Diese liegt zwischen 40 und 100 %. Zudem müsste allein aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Studienpatienten mit 82,1 Jahren auch von einer Reihe noch nicht bekannter Vorerkrankungen ausgegangen werden. Daher scheint die Unterscheidung der Ursache der Komplikation zwischen unerwünschter Arzneimittelwirkung und Multimorbidität nicht bzw. nicht ausreichend sicher möglich, wie auch in anderen Arbeiten zur Polypharmazie bereits festgestellt werden musste [11]. Bisherigen Studien zufolge erhalten nur 20 bis 25 % der polypharmazierten Patienten potenziell inadäquate Medikamente [11], sodass die Autoren in der Regel eine „berechtigte“ Polypharmazie erwarten. All das führte in dieser Studie dazu, die Polypharmazie nicht als „Problem“, sondern als Indikator für die allgemeine Schwere somatischer Erkrankungen zu nutzen.

Da in den Ergebnissen dieser Studie keine Korrelationen zu gastrointestinalen Ereignissen darstellbar waren, wurde dieses Ergebnis in einem kurzen Abschnitt unter „Ergebnisse zu gastrointestinalen Ereignissen“ diskutiert und nicht unter den einzelnen Wirkstoffen oder der Polypharmazie.

Allgemeine Polypharmaziekorrelationen

Der Indikator „Polypharmazie“ korreliert in dieser Studie nur für

  • pulmonale Infekte und
  • kardiale Ereignisse.

In der Auswertung der Studienergebnisse zeigte sich eine moderate Abhängigkeit der pulmonalen Infekte von einer allgemeinen Polypharmazie. Ab einer Gesamtzahl von acht und mehr Medikamenten steigt das Risiko signifikant für schwere pulmonale Infekte. Das absolute Risiko liegt dann bei 4 % mit steigender Tendenz.

Viel deutlicher ist die Abhängigkeit zur Polypharmazie bei den kardialen Ereignissen. Ab einer Gesamtzahl von sieben und mehr Medikamenten steigt das Risiko für ein schweres kardiales Ereignis signifikant. Von sechs und mehr Medikamenten zu acht und mehr Medikamenten steigt das Risiko von etwa 2 % auf fast 4 % (vergleiche die Linie „1 Psychopharmakon und mehr“ der Abb. 4).

Korrelationen der Mehrfachkombination von Psychopharmaka mit Pharmaka-assoziierten Komplikationen

Die Anzahl an Psychopharmaka spielt statistisch bei pulmonalen Infekten im vorliegenden Studiensetting keine Rolle, im Gegensatz zu kardialen Ereignissen.

Bei kardialen Ereignissen lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen „vier und mehr Psychopharmaka“ und „drei und mehr Psychopharmaka“ zum Behandlungsdurchschnitt („ein Psychopharmakon und mehr“) zeigen, aber nicht zwischen „ein“ bzw. „zwei und mehr Psychopharmaka“. Die Kombination aus mindestens zwei Antipsychotika und mehr entspricht dem Behandlungsdurchschnitt. Die Kombination aus mindestens einem Neuroleptikum und mindestens einem Antidepressivum entspricht dem Risiko von „drei Psychopharmaka und mehr“. Die Kombination aus „Prothipendyl und Mirtazapin und mehr“ entspricht sogar dem Risiko von „vier Psychopharmaka und mehr“. Das absolute Risiko bei jeweils sieben somatischen Beimedikamenten und mehr liegt für „vier und mehr Psychopharmaka“ bei 9 % aufsteigend und für „drei und mehr Psychopharmaka“ bei 5 % und für „zwei und mehr Psychopharmaka“ bei nur noch 3 % aufsteigend.

Dabei scheint – aus Sicht der Autoren – die im Vergleich niedrige Komplikationsrate der Zwei- und Mehrfach-Antipsychotika-Gabe am ehesten mit der Dosierung zusammenzuhängen. Zwei- und Mehrfach-Antipsychotika-Gaben haben in dieser Studie keinen Unterschied in der Komplikationshäufigkeit zum Behandlungsdurchschnitt gezeigt, wohl aber die Kombination aus mindestens einem Antidepressivum und mindestens einem Neuroleptikum. Dies entspricht nicht unbedingt der Erwartung, da die Verstärkung kardialer Nebenwirkungen bei Antipsychotika-Kombinationen [24] bekannt ist, sich hier aber nicht darstellen lässt. Da aber dosisabhängige Effekte – wie Verlängerung der QTc-Zeit [24] – bekannt sind, erscheint es als plausibelste Erklärung, dass die Kombination von zwei und mehr Antipsychotika nicht in der Komplikationshäufigkeit auffällt, da diese im Durchschnitt nicht in therapeutischer Höhe dosiert sind im Vergleich zu den hier verwendeten Antidepressiva, die überwiegend in therapeutischer Dosis gegeben wurden.

Die Nationale Versorgungsleitlinie zur Behandlung der Herzinsuffizienz empfiehlt [12] explizit, den Einsatz von Antidepressiva aufgrund der QTc-Zeit-Verlängerung zu überdenken. Obwohl dies auch bei Antipsychotika geschieht, werden diese in dieser Versorgungsleitlinie nicht genannt.

Negativauswahl: Es scheint nicht ratsam, mehr als zwei Psychopharmaka auf Dauer miteinander zu kombinieren. Der Einsatz eines Antidepressivums muss streng geprüft werden, da er in Kombination mit anderen Psychopharmaka das kardiale Risiko deutlich erhöht. Die Kombination aus zwei Antipsychotika erhöht in dieser Studie nicht das Risiko für kardiale Ereignisse, zumindest wenn sie niedrig dosiert sind. Die Kombination aus Mirtazapin und Prothipendyl sollte vermieden werden.

Zu den einzelnen untersuchten Wirkstoffen

Ähnlich wie bei der Polypharmazie ist – insbesondere bei vorerkrankten Patienten – der Versuch, einen eindeutigen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Nebenwirkungsspektrum eines Medikaments und der aufgetretenen Komplikation herzustellen, aussichtslos – vor allem wenn es sich um eine Patientengruppe wie in dieser Studie mit einem Durchschnittsalter von 82,1 Jahren handelt. Polypharmazie, bisher nicht festgestellte Erkrankungen und Multimorbidität sind hier zu erwarten. Eine klare Trennung ist nicht möglich.

Aber es zeigt sich eine viel deutlichere Korrelation der Mehrfachkombination von Psychopharmaka mit kardialen Ereignissen als die Korrelation einer allgemeinen Polypharmazie und kardialen Ereignissen (siehe Abb. 4). Im Einzelnen bedeutet das, dass im Behandlungsdurchschnitt das Risiko von etwa 1,8 % bei „einem Beimedikament und mehr“ auf etwa 3,5 % bei „acht Beimedikamenten und mehr“ (ca. Faktor 2) steigt. Wenn man „drei und mehr Psychopharmaka“ bei „einem Beimedikament und mehr“ mit dem Behandlungsdurchschnitt vergleicht, erhält man ein Risikoverhältnis von etwa 1,8 % zu 3,0 %. Vergleicht man aber beide Kurven über die aufsteigende Beimedikation, erhält man ein Risikoverhältnis von etwa 3,0 % zu 7,8 % bei „acht Beimedikamenten und mehr“ (Faktor ca. 2,5). Dieses Verhältnis steigert sich mit steigender Psychopharmakazahl auf einen Faktor von über 8 (Vergleich von „vier Psychopharmaka und mehr“ mit „einem Psychopharmakon und mehr“ bei jeweils „acht und mehr“ Beimedikamenten).

Diese Darstellung zeigt, dass der Einsatz von Psychopharmaka einen großen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines kardialen Ereignisses bei bestehender kardialer Vorerkrankung hat.

Antipsychotika

Antipsychotika und pulmonale Infekte

Verschiedene Studien zeigen ein erhöhtes Risiko unter der Einnahme von Antipsychotika an einer Pneumonie zu erkranken. Das Risiko ist unterschiedlich in Bezug auf Dosis und Art des Neuroleptikums; so ist das Risiko bei Einnahme eines atypischen Neuroleptikums höher als bei einem typischen [16]. Dementsprechend erhöhte Quetiapin das Risiko eines pulmonalen Infekts signifikant. Andere Signifikanzen ließen sich einzelwirkstoffbezogen nicht finden. Allerdings ist anzumerken, dass die Gesamtmedikamentenzahl im Durchschnitt bei 8,6 lag, sodass im Rahmen der gezeigten Korrelation mit dem Indikator Polypharmazie dieser Wert interpretiert werden muss. Das in Studien beschriebene Risiko, innerhalb der ersten Woche einem zum Teil 5-fach erhöhten Pneumonie-Risiko [16] zu erliegen, lässt sich unter den hier dargestellten klinischen Bedingungen nicht darstellen, auch nicht für einzelne Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen.

Antipsychotika und kardiale Ereignisse

Es fielen in ihrer Komplikationshäufigkeit die Antipsychotika Quetiapin und Prothipendyl auf, allerdings mit einer hohen Rate an Polypharmazie (jeweils 8,6), sodass sich kein klarer Zusammenhang darlegen lässt. Trotzdem scheint eine erhöhte Vorsicht geboten, da die anderen nicht auffälligen Wirkstoffe ebenfalls hohe Raten an Polypharmazie aufweisen. Das Risiko der QTc-Zeit-Verlängerung ist bei beiden Wirkstoffen allgemein bekannt. Interessanterweise fällt in anderen Studien Quetiapin mit einer relativ geringen Mortalität auf [18].

Antipsychotika und Sturzereignisse

Dass das bekannte erhöhte Sturzrisiko für Antipsychotika hier nicht darstellbar war, war nicht zu erwarten, da andere Studien [23] eine Wirkungsbeziehung bereits hergestellt haben. Die Gründe der Nichtdarstellung mögen in der durchschnittlichen Beobachtungsdauer von 2,6 Wochen liegen und den möglicherweise erst später eintretenden extrapyramidal-motorischen Störungen oder in der niedrigen Dosierung der verwendeten Medikamente.

Negativauswahl: In dieser Studie wurde für Quetiapin ein erhöhtes Risiko für pulmonale Infekte und kardiale Ereignisse gefunden, sodass Quetiapin aus Risikosicht dieser Studie nicht das Mittel der ersten Wahl sein kann, auch wenn in anderen Studien Quetiapin durch eine relativ geringe Mortalitätsrate auffällt. Prothipendyl sollte mit Vorsicht und nur bei fehlender Alternative bei kardial vorgeschädigten Patienten eingesetzt werden.

Antidepressiva

Antidepressiva und pulmonale Infekte

Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Antidepressiva und pulmonalen Infekten ließ sich in dieser Studie nicht darstellen, allerdings wurde in der Vergangenheit für serotonerge Antidepressiva ein kleiner, aber signifikanter Effekt auf pulmonale Infekte bei chronisch lungenerkrankten älteren Patienten gefunden [22].

Antidepressiva und kardiale Ereignisse

Das mit in seiner Komplikationshäufigkeit auffällige Mirtazapin ist allerdings mit einer hohen Rate an Polypharmazie (9,1) belegt, sodass sich kein klarer Zusammenhang darlegen lässt, aber trotzdem eine erhöhte Vorsicht geboten scheint, da die anderen nicht auffälligen Wirkstoffe ebenfalls hohe Raten an Polypharmazie aufweisen. Auch zeigte sich für Antidepressiva in dieser Studie allgemein ein erhöhtes Risiko für kardiale Ereignisse (vergleiche auch Abschnitt „Korrelationen der Mehrfachkombination von Psychopharmaka mit Pharmaka-assoziierten Komplikationen“). Laut einer OECD-Studie wurden bereits 2011 in Deutschland 50 Tagesdosen eines oder mehrerer Antidepressiva pro 1000 Einwohner verschrieben [14], was auf eine allgemein unkritische Verordnung von Antidepressiva hindeutet. Auch in der vorliegenden Studie wurde allein Mirtazapin in über 20 % der Fälle verordnet. Allerdings muss nach den vorliegenden Ergebnissen dieser Studie der Nutzen eines Antidepressivums streng abgewogen werden gegen die hier sehr auffälligen dargestellten kardialen Risiken.

Antidepressiva und Sturzereignisse

Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Antidepressiva und Sturzereignissen ließ sich in dieser Studie nicht darstellen, auch wenn in anderen Studien eine Korrelation zwischen der Einnahme von Antidepressiva und wiederholten Stürzen in der Vergangenheit gezeigt wurden [9, 23].

Negativauswahl: Nach den vorliegenden Ergebnissen dieser Studie muss der Nutzen eines Antidepressivums streng abgewogen werden gegen die hier sehr auffälligen dargestellten kardialen Risiken. Es verbietet sich ein unkritisches Verordnungsverhalten von Antidepressiva allgemein und Mirtazapin speziell.

Benzodiazepine

Benzodiazepine und pulmonale Infektionen

Für Patienten, die Lorazepam erhielten, ließ sich ein signifikant erhöhtes pulmonales Infektionsrisiko zeigen, wenn sie mehr als 1 mg/Tag erhielten. Das Risiko unter 1 mg/Tag entsprach – statistisch – dem Gesamtdurchschnitt bzw. dem Risiko der Kontrollgruppe. Dass Benzodiazepine das Pneumonie-Risiko erhöhen, ist bekannt [5]. Dass sich dies in der Gesamtgruppe der Fälle mit regelmäßiger Benzodiazepin-Einnahme gegenüber der Kontrollgruppe dieser Studie nicht zeigt, bedeutet nicht, dass Benzodiazepine unbedenklich im Bezug auf pulmonale Infekte sind. Sowohl in anderen Arbeiten dazu [5] als auch in dieser Studie zeigt sich ein dosisabhängiges Risiko. Möglicherweise ließe sich in einer größeren Stichprobe als der vorliegenden auch eine signifikante Risikoerhöhung der Benzodiazepin-Einnahmegruppe gegenüber der Kontrollgruppe darstellen.

Benzodiazepine und kardiale Ereignisse

Der Gebrauch von Benzodiazepinen fördert die Rehospitalisierung von Patienten mit Herzinsuffizienz [17]. In dieser Studie konnte kein Effekt auf kardiale Ereignisse gezeigt werden. Der Einsatz in über 28 % der Fälle ist in dieser Studie sehr hoch. Möglicherweise ist die Anzahl der Herzinsuffizienz-Patienten aber zu klein, um ebenfalls einen Effekt auf kardiale Ereignisse zu zeigen.

Benzodiazepine und schwerwiegende Sturzfolgen

In dieser Studie wurde als Benzodiazepin ganz überwiegend Lorazepam eingesetzt. Das erhöhte Sturzrisiko unter der Einnahme von Lorazepam ist bekannt [21]. In der Betrachtung der Dosisabhängigkeit war für Patienten mit einer Lorazepam-Dosis von mehr als 1 mg/Tag das Risiko im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erhöht. Allein die Dauereinnahme zeigte keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe.

Negativauswahl: Bei pulmonal vorerkrankten und gangunsicheren Patienten sollte grundsätzlich auf Benzodiazepine verzichtet werden. Eine Dauergabe sollte bei Lorazepam nicht über 1 mg/Tag liegen, bestenfalls sollte darauf verzichtet werden.

Ergebnisse zu gastrointestinalen Ereignissen

In Bezug auf gastrointestinale Ereignisse konnte weder für einzelne Wirkstoffe noch für die Polypharmazie ein signifikanter Zusammenhang hergestellt werden. Dabei scheint eine Risikoabwägung schon allein aufgrund der Komplikationshäufigkeit (absolutes Risiko dieser Studie 1,5 %) relevant. Zudem weisen sowohl Antidepressiva als auch Antipsychotika und Z-Substanzen eine Wirkung auf die Darmmotilität [4] auf.

Todesfälle

Die hier untersuchten Todesfälle in stationärer Behandlung wiesen die in Deutschland für ihre Altersgruppe durchschnittliche Lebenserwartung (88,02 Jahre) auf [19], sodass hier zu den bisher bekannten erhöhten Mortalitätsraten – insbesondere unter Antipsychotika [18] – keine verwertbaren Aussagen getroffen werden können. Möglicherweise drückt sich hier auch eine Negativauswahl in der Verlegungsmotivation des Krankenhauspersonals aus, wenn auf weitere intensivmedizinische Maßnahmen am Lebensende verzichtet wird.

Die „PRISCUS-Liste“

Seit 2010 existiert erstmals für den deutschsprachigen Raum eine Liste potenziell inadäquater Medikamente für ältere Menschen [7]. Priscus leitet sich aus dem Lateinischen ab: altehrwürdig. Basierend auf einer selektiven Literaturrecherche und einer qualitativen Analyse internationaler Listen potenziell inadäquater Medikamente (PIM-Listen) wurde eine vorläufige, an den deutschen Arzneimittelmarkt angepasste PIM-Liste zusammengestellt. Die finale deutsche PIM-Liste wurde nach einer zwei Runden umfassenden, strukturierten Expertenbefragung (sog. Delphi-Methode) erarbeitet. Im Vergleich mit den hier vorliegenden Studienergebnissen finden sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede.

So wird in der „PRISCUS-Liste“ Mirtazapin als Alternativmedikation bei älteren Menschen empfohlen, was allerdings aufgrund des kardialen Risikoprofils aus der vorliegenden Studie kritisch hinterfragt werden sollte.

Quetiapin wurde hier ebenfalls ein erhöhtes Pharmaka-assoziiertes Risiko für kardiale Ereignisse und schwere pulmonale Infekte zugeordnet. In der „PRISCUS-Liste“ wurde weder eine Empfehlung für noch gegen den Einsatz von Quetiapin getroffen.

Lorazepam wurde in der „PRISCUS-Liste“ als inadäquat gekennzeichnet, wenn eine Tagesdosis von 2 mg überschritten wird. In dieser Studie ist eine besondere Vorsicht bereits ab mehr als 1 mg/Tag geboten.

Die „PRISCUS-Liste“ empfiehlt unter anderem aufgrund eines geringen Nebenwirkungsprofils Risperidon. In dieser Studie fanden sich in Übereinstimmung mit der Empfehlung keine verwertbaren signifikanten Risiken.

Insgesamt zeigt sich, dass über die Delphi-Methode hinaus weitere Studien durchgeführt werden müssen, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis besser einschätzen zu können.

Zusammenfassung

Der wichtigste Indikator zur Einschätzung von Komplikationsrisiken in der stationären Akutbehandlung von Demenzkranken ist den vorliegenden Ergebnissen zufolge die Polypharmazie. Dies lässt sich in Bezug auf pulmonale Infekte und vor allem für kardiale Ereignisse darstellen. Die Gesamtmedikamentenzahl sollte acht verschiedene Wirkstoffe nicht überschreiten, wobei sich ab drei Psychopharmaka das kardiale Komplikationsrisiko signifikant zum Behandlungsdurchschnitt erhöht. Vereinfacht gesagt würde sich die Faustregel „2+6“ anbieten. Dabei sind niedrige Dosierungen zu wählen und insbesondere zu hinterfragen, ob eine antidepressive Medikation in therapeutischer Dosis angezeigt ist. Falls ja, sollte kritisch beleuchtet werden, ob weitere Psychopharmaka-Kombinationen – insbesondere eine Kombination mit einem Neuroleptikum – notwendig sind, denn diese Kombinationen erhöhen deutlich das kardiale Risiko.

Ob das Komplikationsrisiko sich durch die Wirkungen oder Wechselwirkungen der Medikamente erklären lassen oder ob die Medikamentenzahl Ausdruck der Erkrankungsschwere der Patienten ist, lässt sich hier nicht klären. Allerdings ist es für den Kliniker auch weniger entscheidend, denn er braucht vor allem einen handlungsorientierten Rat. Dieser beschränkt sich in erster Linie auf die Gestaltung der Psychopharmakotherapie.

Neben der 2+6-Faustregel ist die dosisabhängige Risikoerhöhung für Lorazepam bezüglich schwerwiegenden Sturzfolgen und pulmonalen Infekten bei Dosierungen über 1 mg/Tag zu erwähnen.

Danksagungen

1. Christiane Bockelmann

2. Dr. rer. nat. Dipl. psych. Lisette Morris

Interessenkonflikterklärung

Alle Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Literatur

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6. Fachinformation Tavor® 0,5 mg/1,0 mg/Tabs 2 mg/2,5 mg Tabletten, 2019.

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12. Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz Langfassung, 3. Auflage, 2019, Version 1, AWMF-Register-Nr.: nvl-006.

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19. Statista Research Department. Erreichbares Durchschnittsalter in Deutschland laut Sterbetafel nach Geschlecht und Altersgruppen. Veröffentlicht 2019.

20. Statista Research Department. Gesundheit – Todesursachen in Deutschland. Veröffentlicht 2017.

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Dr. med. Stefan Preuße, Dr. med. Mario Bartl, Almuth Franz, Asklepios Fachklinikum Göttingen, Rosdorfer Weg 70, 37081 Göttingen, E-Mail: st.preusse@asklepios.com

Psychopharmaceutically associated complications in dementia inpatients – The most important indicator for cardiac events is the polypharmacy and the indication for antidepressants needs to be carefully examined

Previous studies regarding the risks of drug treatment for dementia patients with behavioral disorders have focused primarily on relative risks, i. e. the comparison of different active pharmaceutical ingredients. This leaves the practicing physician without knowledge of the absolute risk of psychopharmaceutically associated complications and thus unable to make meaningful risk-benefit assessments. We therefore conducted a cross-sectional study of patients who received the diagnosis „dementia“ in a major psychiatric specialist clinic of compulsory care. These patients’ regular psychotropic medication at time of discharge was analyzed to gain insight into the risk of frequent complications of dementia treatment with psychotropic drugs and possibly derive a list constellation to avoid.

Previous studies have not yet answered clearly whether polypharmacy or the multimorbidity is the cause of complications. Therefore, polypharmacy was used as an indicator of expected complications in this study. In this study pharmaceutically associated complications are understood as all complications that may have been caused by the applied pharmaceutics.

The most common complications from 999 evaluated inpatient stays are severe pulmonary infections (2.6 %), complications from serious falls (2.1 %), cardiac (1.5 %) and gastrointestinal events (1.5 %).

According to our data, the most important indicator of complications in inpatient acute treatment is polypharmacy. This can be shown in relation to pulmonary infections and especially for cardiac events. Total medication should not exceed eight different active ingredients, as the risk of cardiac complications increases significantly with three or more different psychotropic drugs versus average treatment. Simplified, a rule of thumb could be 2 + 6. Low dosages should be selected and the combination of antidepressants with further psychotropic drugs, especially with neuroleptics, should be avoided. The combination of antidepressant and neuroleptic drugs significantly increases cardiac risk.

In addition, there was a dose-dependent increase in risk for serious falls with a fixed dose lorazepam of over 1 mg/d.

Key words: antidepressants, antipsychotics, benzodiazepines, polypharmacy, pulmonary infections, serious cardiac events, gastrointestinal events, dementia

Psychopharmakotherapie 2020; 27(06):278-287