Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Antipsychotika sind unverzichtbare Arzneimittel für die Schizophrenie-Therapie, die vor allem belastende Positivsymptome wie Halluzinationen und Wahn wirksam bekämpfen. Negativsymptome sowie Beeinträchtigungen bei Kognition und Sozialfunktion werden dagegen mit den bisher verfügbaren Substanzen noch nicht ausreichend adressiert.
Differenzierter sieht es beim Nebenwirkungsspektrum aus. Bei einigen Substanzen herrschen unerwünschte Effekte bei Motorik und Prolactin-Spiegel vor, bei anderen Gewichtszunahme und ungünstige Einflüsse auf kardiometabolische Parameter. Gerade in der antipsychotischen Langzeittherapie fallen solche Nebenwirkungen stark ins Gewicht und beeinflussen Morbidität und Mortalität der Schizophrenie-Patienten. Wird eine neues Antipsychotikum entwickelt, stehen vor allem die bisher noch nicht optimal abgedeckten Aspekte im Vordergrund.
Das gilt auch für den neuen Wirkstoff Lumateperon. Die Substanz wirkt als potenter Serotonin-5-HT2A-Antagonist, als Partialagonist an präynaptischen Dopamin-D2-Rezeptoren und Antagonist an postsynaptischen D2-Rezeptoren, als D1-rezeptorabhängiger Glutamat-Modulator und als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Lumateperon moduliert also die Serotonin-, Dopamin- und Glutamat-Neurotransmission, interagiert aber kaum mit nebenwirkungsrelevanten histaminergen und muskarinergen Rezeptorsystemen.
In einer Phase-III-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit einer vierwöchigen Lumateperon-Therapie bei Schizophrenie-Patienten mit einer akuten Exazerbation untersucht.
Studiendesign
In die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie waren 450 erwachsene Schizophrenie-Patienten mit einer akuten psychotischen Exazerbation einbezogen. In einer 1 : 1 : 1-Randomisierung erhielten sie 42 und 28 mg Lumateperon (in Form von 60 oder 40 mg Lumateperon-Tosylat) oder Placebo einmal täglich über vier Wochen. Primärer Studienendpunkt war die Veränderung des Gesamtscores der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) von Studienbeginn bis zum Tag 28 im Vergleich zu Placebo. Wichtigster sekundärer Endpunkt war der Clinical Global Impression-Severity of Illness-Score (CGI-S).
Ergebnisse
Der PANSS-Score zu Behandlungsbeginn betrug 89,8 (Standardabweichung [SD] 10,3), der CGI-S 4,8 (0,6). Für die präspezifizierte modifizierte Intention-to-treat-Analyse der Wirksamkeit wurden die Daten von 435 Patienten berücksichtigt, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation eingenommen hatten und von denen valide Daten aus der Baseline-Visite und mindestens einer Folgevisite vorlagen. Nach 28 Tagen hatte sich der PANSS-Score gegenüber dem Ausgangswert wie folgt gebessert (ausgedrückt als Least-Square-Means [LSM]:
- –14,5 mit 42 mg Lumateperon
- –12,9 mit 28 mg Lumateperon
- –10,3 mit Placebo
Das ergab für die 42-mg-Dosierung von Lumateperon eine LSM-Differenz des PANSS-Scores gegenüber Placebo (primärer Endpunkt) von –4,2 (95%-Konfidenzintervall [KI] –7,8 bis –0,6; p = 0,02; Effektstärke [ES] –0,3).
Beim CGI-S ergab sich eine LSM-Differenz von –0,3 (95%-KI –0,5 bis –0,1; p = 0,003; ES –0,4). Damit erfüllte die 42-mg-Dosierung bei PANSS und CGI-S die Zielvorgaben einer signifikanten Überlegenheit gegenüber Placebo.
Die Dosierung von 28 mg Lumateperon schnitt im Vergleich zu Placebo lediglich im CGI-S signifikant besser ab.
Die Sicherheitsdaten von Lumateperon waren über den Behandlungszeitraum von vier Wochen unauffällig; es wurden weder signifikante motorische, kardiometabolische noch endokrinologische Veränderungen festgestellt. Ebenso ergab sich kein klinisch relevanter Unterschied bei der Gewichtsveränderung (Lumateperon 42 mg +0,9 kg, 28 mg +0,6 kg, Placebo +0,7 kg).
Diskussion und Fazit der Studienautoren
Lumateperon 42 mg einmal täglich reduziert den PANSS-Gesamtscore bei Patienten mit einer akuten schizophrenen Psychose innerhalb von 28 Tagen deutlich stärker als Placebo mit einem Wirkungseintritt innerhalb der ersten Woche. Die Kurzzeittherapie war gut verträglich, motorische Nebenwirkungen sowie Gewichtszunahme bzw. kardiovaskuläre und endokrinologische Effekte lagen auf Placebo-Niveau.
Die Ergebnisse bestätigen die Befunde einer vorangegangenen 4-Wochen-Studie mit 42 mg Lumateperon, die eine vergleichbare Wirksamkeit wie unter der Gabe von 4 mg Risperidon sowie eine Überlegenheit gegenüber Placebo ergab.
Verbesserungen zeigten sich in der vorliegenden Phase-III-Studie für die 42-mg-Dosis auch bei Psychopathologie und sozialer Funktionsfähigkeit, hingegen zeigten die Scores der Calgary Depression Scale for Schizophrenia innerhalb der 28 Tage keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu Placebo.
Insgesamt sind die Ergebnisse ermutigend, resümieren die Autoren. Aufgrund des neuartigen Wirkungsmechanismus könnte Lumateperon bei Wirksamkeit und vor allem Sicherheit eine Alternative für bisherige Antipsychotika in der Schizophrenie-Therapie bieten. Um dies zuverlässiger beurteilen zu können, müssen allerdings die Ergebnisse längerer Studien abgewartet werden [1].
Quelle
Correll CU, et al. Efficacy and safety of lumateperon for treatment of schizophrenia. A randomized clinical trial. JAMA Psychiatry published online January 8, 2020; doi:10.1001/jamapsychiatry.2019.4379.
2020;77:349–58.
Literatur
1. Kantrowitz JT. The potential role of lumateperone—Something borrowed? Something new? JAMA Psychiatry 2020;377:343–4.
Psychopharmakotherapie 2020; 27(03):163-167