Nicht-dystrophe Myotonien

Therapie mit Mexiletin


Dr. rer. nat. Stefan Fischer, Stuttgart

Nicht-dystrophe Myotonien werden durch Ionenkanal-Mutationen hervorgerufen. Zwar ist die Sterblichkeit der Patienten nicht erhöht, jedoch deren Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Der Nutzen von Mexiletin für diese Patienten ist mittlerweile durch mehrere Studien belegt. Die zugehörigen Daten wurden auf einer Presseveranstaltung der Firma Hormosan im Rahmen des DGN-Kongresses im September 2019 präsentiert.

Bei Myotonien ohne Dystrophie kommt es zu einer Muskelsteifigkeit ohne permanente Schwächung der Muskulatur. Allerdings ist die Zeit bis zur Relaxation der Muskeln deutlich verlängert und somit die Lebensqualität der Patienten erheblich eingeschränkt. Auch die Unfallgefahr ist erhöht. Die Betroffenen können zum Beispiel nach einem Niesen die Augen erst verzögert wieder öffnen. Da Kälte die Symptomatik verstärken kann, ist auch ein Sprung ins Wasser nicht ungefährlich.

Pathophysiologie

Verantwortlich für nicht-dystrophe Myotonien sind Ionenkanal-Mutationen. Bei Chloridkanal-Mutationen kommt es zum sogenannten Warm-up-Phänomen: Eine wiederholte Nutzung der jeweiligen Muskelgruppen erleichtert die Tätigkeit. Bei Mutationen der Natriumkanäle ist dies nicht der Fall.

Leitlinie

Die S1-Leitlinie myotone Syndrome wurde im Oktober 2017 veröffentlicht. Sowohl für Chloridkanal- als auch für Natriumkanal-Myotonien empfiehlt sie Mexiletin, Propafenon oder Flecainid als Medikamente der ersten Wahl. Lamotrigin oder Carbamazepin sollen Ärzte als zweite Wahl einsetzen.

Mexiletin ist die einzige zugelassene Option

Mexiletin (Namuscla®) ist seit Dezember 2018 für die symptomatische Behandlung von Myotonie bei erwachsenen Patienten mit nicht-dystrophen myotonischen Erkrankungen zugelassen. Der Wirkstoff blockiert frequenz- und spannungsabhängig Natriumkanäle und verbessert so die Symptome der Myotonie.

Studiendaten

Die Zulassung basiert auf mehreren kleineren Studien. Die randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie MYOMEX (n = 50) ist nach dem Cross-over-Prinzip angelegt (Abb. 1). Sie schloss Patienten mit Myotonia congenita und Paramyotonia congenita ein.

Abb. 1. Studiendesign MYOMEX

Die primäre Wirksamkeitsmessung war die Bewertung der Schwere der Steifigkeit gemäß den Eigenangaben der Patienten auf einer visuellen Analogskala (VAS, 0–100 mm).

Die Lebensqualität wurde anhand der individualisierten neuromuskulären Lebensqualitätsskala (INQoL) bestimmt.

Unter Mexiletin verbesserte sich die Steifigkeit auf der VAS-Skala im Median um 42 mm; unter Placebo verschlechterte sie sich um 2 mm. Auch die Lebensqualität stieg unter Verum deutlich. Als Nebenwirkung kam es unter Mexiletin sehr häufig zu abdominellen Schmerzen und Insomnie.

Fazit

Mexiletin kann die Symptome nicht-dystropher myotonischer Erkrankungen lindern. Dies verbessert ebenfalls die Lebensqualität der therapierten Patienten.

Quelle

Prof. Dr. med. Stephan Zierz, Halle (Saale), Prof. Dr. med. Christiane Schneider-Gold, Bochum; Medien-Round-Table „NaMuscla – erste zugelassene Therapie bei nicht-dystrophen Myotonien“, veranstaltet von Hormosan, Stuttgart, 26. September 2019.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(06):341-349