Depressionen bei Patienten mit Epilepsie

Behandlung mit Sertralin oder kognitiver Verhaltenstherapie?


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten Studie an 140 erwachsenen Patienten mit Epilepsie und einer komorbiden Depression wurde entweder der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Sertralin oder eine kognitive Verhaltenstherapie eingesetzt. Nach 16 Wochen war es unter beiden Therapien bei der Hälfte der Patienten zu einer signifikanten Besserung der Depression gekommen. Sertralin erhöhte nicht die Anfallsfrequenz.

Die Depression ist eine der häufigsten und wichtigsten Begleiterkrankungen bei Patienten mit einer Epilepsie. In vielen neurologischen Lehrbüchern ist zu lesen, dass eine Behandlung mit Antidepressiva mit dem Risiko einer Zunahme der Anfallsfrequenz assoziiert ist. Eine Warnung vor einer Zunahme epileptischer Anfälle unter der Einnahme selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) findet sich auch in der Zulassung. Dieses Risiko kann aber umgangen werden, wenn eine nichtmedikamentöse Therapie der Depression erfolgt.

Studiendesign

Bei der vorliegenden Studie (Tab. 1) aus den Vereinigten Staaten handelt es sich um eine randomisierte Studie an 140 erwachsenen Patienten mit einer Epilepsie und einer gleichzeitig bestehenden Depression. Die Behandlung erfolgte entweder mit Sertralin oder mit einer kognitiven Verhaltenstherapie. Der primäre Endpunkt war eine Remission der Depression gemessen mit dem Mini International Neuropsychiatric Interview (MINI). Sekundäre Endpunkte umfassten die Lebensqualität (Quality of life in epilepsy inventory-89), Nebenwirkungen der Behandlung, das Beck-Depressionsinventar und das MINI-Modul zum Suizidrisiko. Das mittlere Alter der eingeschlossenen Patienten betrug 40 Jahre. Bei 90 % der Studienteilnehmer war in der Vorgeschichte keine antidepressive Therapie erfolgt. Bei 55 % der Patienten lagen fokale Anfälle, bei 15 % generalisierte Anfälle vor. Die am häufigsten eingesetzten Antiepileptika waren Lamotrigin, Levetiracetam, Zonisamid, Carbamazepin, Valproinsäure, Topiramat und Phenytoin. Die meisten Patienten erhielten ein oder zwei Antiepileptika. Die Initialdosis von Sertralin betrug 50 mg täglich und konnte bis zu 200 mg am Tag aufdosiert werden. Die Verhaltenstherapie erfolgte in wöchentlichen Sitzungen von einer Stunde Dauer.

Tab. 1. Studiendesign [nach Gilliam et al. 2019]

Erkrankung

Epilepsie und Depression

Studientyp/Design

Randomisiert, open Label

Patienten

140

Intervention

  • Sertralin
  • Kognitive Verhaltenstherapie

Primärer Endpunkt

Remission der Depression gemessen mit dem Mini International Neuropsychiatric Interview (MINI)

Sponsor

Columbia University

Studienregisternummer

NCT 00026637
(ClinicalTrials.gov
)

Ergebnisse

Bezüglich des primären Endpunkts kam es bei 38 von 72 Patienten in der Sertralin-Gruppe entsprechend 52,8 % und bei 41 von 68 Patienten in der Verhaltenstherapiegruppe (60,3 %) zu einer Remission der Depression. Verglichen mit einer historischen Placebo-Gruppe ist dieser Therapieerfolg deutlich höher: Dort zeigte sich eine Besserungsrate von 34 %. In beiden Therapiegruppen kam es zu einer signifikanten Besserung der Lebensqualität. In keiner der Therapiegruppen kam es zu einer Zunahme der Anfallshäufigkeit. Die Schwere der Depression gemessen mit dem Beck-Depressionsinventar war in beiden Therapiegruppen nach 8 und 16 Wochen identisch. Erwartungsgemäß kam es unter Sertralin zu etwas mehr Nebenwirkungen wie Durchfall, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit und Müdigkeit.

Zusammengefasst führt sowohl eine Behandlung mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Sertralin als auch eine kognitive Verhaltenstherapie bei Patienten mit einer Epilepsie und einer komorbiden Depression zu einer signifikanten Besserung der Depression und einer Remission bei über der Hälfte der Patienten. Eine Behandlung mit Sertralin erhöht nicht das Risiko einer Zunahme der Anfallshäufigkeit.

Kommentar

Depressionen sind eine häufige Begleiterkrankung bei Patienten mit einer Epilepsie. Leider werden viele dieser Patienten nicht adäquat mit Antidepressiva behandelt, da die Angst besteht, dass es zu einer Zunahme der Anfallsfrequenz kommen könnte. Die sehr gut geplante Studie aus den Vereinigten Staaten zeigt, dass diese Befürchtung unbegründet ist. Sowohl eine medikamentöse Therapie mit Sertralin als auch eine kognitive Verhaltenstherapie führten nach kurzer Zeit bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einer Remission der Depression. Wichtig ist daher, Depression bei Epilepsie-Patienten rechtzeitig zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln. Ein Nachteil der hier durchgeführten Studie ist, dass es keine Placebo-Gruppe gab. Dies beruhte darauf, dass die zuständige Ethikkommission eine Placebo-Therapiegruppe für unethisch hielt. Daher musste der Vergleich zu Placebo mit einer historischen Kontrolle erfolgen.

Quelle

Gilliam FG, et al. A trial of sertraline or cognitive behavior therapy for depression in epilepsy. Ann Neurol 2019;86:552–60.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(06):341-349