Amyotrophe Lateralsklerose

Intrathekale Gabe mesenchymaler Stammzellen


Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark (BM-MSC), zweimal im Abstand von 26 Tagen intrathekal verabreicht, sind möglicherweise bei der amyotrophen Lateralsklerose wirksam. Dies ergab eine randomisierte Phase-II-Studie, in der die BM-MSC-Gabe zusätzlich zu Riluzol im Vergleich zu einer Riluzol-Monotherapie untersucht wurde.

Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der es zum Untergang von Motoneuronen im motorischen Kortex und im Vorderhorn des Rückenmarks kommt. Die Erkrankung führt zu progredienten schlaffen Paresen. Die Patienten sterben im Mittel nach zwei bis vier Jahren. Als bisher einzige wirksame Therapie ist der NMDA-Antagonist Riluzol (Rilutek®) zugelassen. Große Hoffnung wird in eine Behandlung dieser Erkrankung mit mesenchymalen Stammzellen gesetzt. Nun wurde erstmalig eine randomisierte Studie durchgeführt.

Studiendesign

In die randomisierte, kontrollierte Parallelgruppen-Studie der Phase II wurden an einem Universitätsklinikum in Seoul (Korea) 64 Patienten mit ALS aufgenommen, die alle mit Riluzol (100 mg/Tag) behandelt wurden. 33 Patienten erhielten zusätzlich zwei intrathekale Gaben von autologen mesenchymalen Stammzellen (1-mal 106 Zellen/kg) im Abstand von 26 Tagen, die 31 Patienten der Kontrollgruppe nahmen nur Riluzol. Der primäre Endpunkt war eine Veränderung auf der Amyotrophic Lateral Sclerosis Functional Rating Scale Revised (ALSFRS-R) vier und sechs Monate nach der ersten intrathekalen BM-MSC-Gabe. Die Evaluatoren waren blind bezüglich des Studienarms. Ein ALSFRS-R-Score von 48 gilt als normal, ein Wert von 0 bedeutet maximale Einschränkungen. Als sekundärer Endpunkt wurde unter anderem der Appel-ALS-Score (AALS; 30 [normal] bis 164 Punkte [maximal eingeschränkt]) ermittelt. Außerdem wurden Biomarker im Liquor und die Überlebenszeit ausgewertet.

Ergebnisse

Betrachtet wurden die Daten von 32 Patienten der BM-MSC-Gruppe (1-mal Rücknahme der Einwilligung) und von 27 Patienten der Kontrollgruppe (1-mal Tod, 1-mal schwerwiegende Nebenwirkung, 2-mal Rücknahme der Einwilligung). Die Patienten waren im Mittel 53 Jahre alt und die Symptome bestanden seit 23 Monaten. Der Wert auf der ALSFRS-R-Skala betrug beim Studieneinschluss im Mittel 35 Punkte.

Nach vier Monaten war der ALSFRS-R-Score in der BM-MSC-Gruppe um 1,69 Punkte und in der Kontrollgruppe um 4,67 Punkte gesunken. Damit war der Abfall in der Stammzellengruppe um 2,98 Punkte signifikant geringer (p < 0,001).

Nach sechs Monaten hatte der ALSFRS-R-Score in der Verum-Gruppe um 3,1 Punkte und in der Kontrollgruppe um 6,48 Punkte abgenommen. Dieser Unterschied von 3,38 Punkten war mit einem p-Wert von 0,003 signifikant.

Unter den sekundären Endpunkten nahm der Appel-ALS-Score von anfangs 81 bzw. 89 Punkten nach vier Monaten in der Stammzellgruppe (+10,44 Punkte) im Vergleich zur Kontrollgruppe (+17,96) signifikant weniger zu (–7,18 Punkte; 95%-Konfidenzintervall −12,71 bis −1,64; p = 0,009).

Es ergaben sich keine Unterschiede in anderen sekundären Endpunkten wie der forcierten Vitalkapazität oder der Lebensqualität. Die geschätzte mittlere Überlebenszeit betrug 48 Monate in der Kontrollgruppe und 55 Monate in der Verumgruppe. Dieser Unterschied war statistisch ebenfalls nicht signifikant.

Unerwünschte Wirkungen waren in beiden Gruppen vergleichbar häufig. Bei Stammzelltherapie waren Influenza-ähnliche Erkrankungen, Rückenschmerzen und muskuloskeletale Schmerzen häufiger zu beobachten.

Kommentar

Diese erste kleine randomisierte Therapiestudie aus Korea zeigt, dass möglicherweise eine wiederholte intrathekale Gabe von mesenchymalen Stammzellen die Progression der amyotrophen Lateralsklerose verbessern könnte. Die Studie ist allerdings zu klein und die Beobachtungszeit zu kurz, um tatsächlich zu belegen, ob diese Therapie wirksam ist. Notwendig sind jetzt große Phase-III-Studien mit langer Beobachtungszeit.

Quelle

Oh KW, et al. Repeated intrathecal mesenchymal stem cells for amyotrophic lateral sclerosis. Ann Neurol 2018;84:361–73.

Psychopharmakotherapie 2019; 26(05):307-311