Elias Wagner und Alkomiet Hasan, München
Die Schizophrenie ist eine schwerwiegende, heterogene psychiatrische Erkrankung, die durch die Domänen der Positivsymptome (Halluzinationen, Wahnvorstellungen), der Negativsymptome (Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug) und der kognitiven Defizite (v. a. Störungen des Arbeitsgedächtnisses) charakterisiert ist [19], welche in ihrem Vorhandensein und Ausprägungsgrad variieren können. Negativsymptome und kognitive Defizite sind wesentliche Ursachen für funktionelle Einschränkungen, die oft mit der Grunderkrankung vergesellschaftet sind [32]. Im klinischen Alltag sind bis heute nur wenige effektive medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungsstrategien der Negativsymptomatik verfügbar [14]. Zudem ist bei Menschen mit einer Schizophrenie die medikamentöse Non-Adhärenz hoch, sie betrifft schätzungsweise 50 % der Patienten [16, 23, 30]. Die Entwicklung von wirksamen Antipsychotika für die Behandlung der Negativsymptome wurde von der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA befürwortet.
Cariprazin ist ein Antipsychotikum, das aus einer systematischen Suche nach einem Wirkstoff mit höherer Dopamin-D3- als -D2-Blockade entstanden ist [2], da präklinisch durch den D3-Antagonismus positive Effekte auf Kognition und eine Reduktion des Risikos für extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen (EPS) gezeigt werden konnten [18, 22]. Somit war nach präklinischer Datenlage durch den D2-Antagonismus die antipsychotische Wirkung sichergestellt, während durch den D3-Antagonimus gleichzeitig ein optimiertes Nebenwirkungsprofil und prokognitive Effekte erreicht werden konnten [18, 22]. In den Assays von Kiss et al. zeigte Cariprazin im Vergleich zu Aripiprazol einen ähnlichen D2- und einen höheren D3-Antagonismus/partiellen Agonismus sowie eine 3- bis 10-fach höhere D3-Selektivität [21]. Cariprazin wurde im September 2015 von der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA zur Behandlung der Schizophrenie in einer Dosierung von 1,5 bis 6 mg täglich sowie zur Akutbehandlung manischer oder gemischter Episoden bei Bipolar-I-Störung in einer Dosierung von 3 bis 6 mg täglich zugelassen [1, 27]. Im Juli 2017 erfolge die Zulassung durch die Europäische Kommission zur Behandlung der Schizophrenie, ebenfalls in einer Dosierung von 1,5 bis 6 mg täglich [29]. Die Datenlage im Rahmen der Schizophrenie-Studien wird im Folgenden berichtet; Daten zur Wirksamkeit bei bipolaren Erkrankungen werden in dieser qualitativen Übersichtsarbeit nicht berücksichtigt.
Pharmakologische Eigenschaften
Cariprazin ist ein partieller Agonist an Serotonin-5-HT1A-, Dopamin-D3- und Dopamin-D2-Rezeptoren mit hoher Affinität zum D3-Rezeptor [1, 15]. Dem Wirkungsanteil am Dopamin-D3-Rezeptor wird Einfluss auf Stimmungsmodulation und Kognition sowie potenziell auf die Negativsymptome der Schizophrenie zugeschrieben [17]. Zudem ist Cariprazin ein Antagonist an 5-HT2A- und 5-HT2B-Rezeptoren. In vitro zeigte sich die höchste Affinität für den D3-Rezeptor, hohe Affinitäten für D2-, 5-HT1A- und 5-HT2B-Rezeptoren, moderate Affinität zu 5-HT2A- und Histamin-H1-Rezeptoren, geringe Affinität zu 5-HT2C- und adrenergen Alpha1-Rezeptoren sowie vergleichsweise vernachlässigbare Affinitäten zu anderen, beispielsweise cholinergen Muskarinrezeptoren (Tab. 1) [15, 27].
Tab. 1. Rezeptoraffinitäten von Cariprazin im Vergleich zu Aripiprazol (mod. nach [13])
Rezeptor (Affinitätsmaß) |
Cariprazin |
Aripiprazol |
D2 (Ki [nmol/l]) |
0,49 |
0,34 |
D3 (Ki [nmol/l]) |
0,085 |
0,8 |
5-HT1A (Ki [nmol/l]) |
2,6 |
1,7 |
5-HT2A (Ki [nmol/l]) |
18,8 |
3,4 |
5-HT2C (Ki [nmol/l]) |
134 |
15 |
5-HT7 (Ki [nmol/l]) |
111 |
29 |
H1´(Ki [nmol/l]) |
23,2 |
61 |
M1 (Ki [nmol/l]) |
> 1000 |
> 1000 |
Alpha1 (Ki [nmol/l]) |
155 |
57 |
Ki: Dissoziationskonstante; nmol: 10–9 mol; je niedriger die Ki-Werte, desto höher die Bindungsaffinität
Cariprazin hat zwei wesentliche Metaboliten: Desmethyl-Cariprazin und Didesmethyl-Cariprazin mit in vitro ähnlichen Bindungsprofilen wie Cariprazin [21]. Cariprazin und Desmethyl-Cariprazin erreichten in der pharmakokinetischen Studie von Nakamura et al. ihren Steady-State nach etwa ein bis zwei Wochen, Didesmethyl-Cariprazin nach etwa vier bis acht Wochen [15, 26]. Sowohl Cariprazin als auch die beiden Metaboliten verfügen über eine hohe Plasma-Proteinbindung (91 bis 97 %) [15, 26]. Cariprazin wird vor allem über die Leber verstoffwechselt, unterliegt einem ausgeprägten Cytochrom-P450(CYP)-3A4- und einem (etwas weniger ausgeprägten) CYP2D6-Metabolismus, in dem die beiden Metaboliten entstehen [15, 26]. CPY3A4 und CYP2D6 metabolisieren auch Desmethyl- zu Didesmethyl-Cariprazin, das dann von CYP3A4 zu einem hydroxylierten Metaboliten umgewandelt wird [15, 26]. In der pharmakokinetischen Studie von Nakamura et al. wurde nachgewiesen, dass die durchschnittlichen Cariprazin- und Desmethyl-Cariprazin-Konzentrationen nach Beendigung der Therapie um etwa 50 % nach einem Tag und um etwa 90 % innerhalb einer Woche sinken [26]. Zudem sank in dieser Studie die durchschnittliche Plasmakonzentration von Didesmethyl-Cariprazin nach Absetzen um etwa 50 % nach einer Woche und um etwa 90 % innerhalb von vier Wochen [15, 26].
Die Eliminationshalbwertszeit von Cariprazin beträgt 31,6 bis 68,4 Stunden, von Desmethyl-Cariprazin sind es 29,7 bis 37,5 Stunden und von Didesmethyl-Cariprazin 314 bis 446 Stunden [26]. Insgesamt beträgt die effektive Halbwertszeit der aktiven Metaboliten, also sowohl von Cariprazin als auch der beiden Metaboliten, etwa eine Woche [26]. Aufgrund dieser langen Halbwertszeit von Cariprazin bzw. seiner Metaboliten ist eine einmal tägliche Einnahme des Präparats ausreichend [1]. Dies könnte sich wiederum positiv auf die Therapieadhärenz bzw. auf die Rezidivprophylaxe auswirken [3, 5].
Cariprazin ist ein schwacher CYP2C19-, CYP2A6- und CYP2E1-Inhibitor. Die beiden Metaboliten sind keine CYP1A2- oder CYP3A4-Induktoren, dafür schwache CYP1A2-, CYP2C9-, CYP2D6- und CYP3A4-Inhibitoren [1].
Aufgrund der starken CYP3A4-Abhängigkeit der Elimination wird eine Dosisreduktion von Cariprazin empfohlen, wenn es gemeinsam mit einem starken CYP3A4-Inhibitor (z. B. Ketoconazol, Clarithromycin oder Ritonavir) verabreicht wird [1]. Eine gemeinsame Verabreichung von Cariprazin mit einem CYP3A4-Induktor (z. B. Rifampicin, Carbamazepin) wird nicht empfohlen [1].
Pharmakologie im Tiermodell
In den tierpharmakologischen Studien in vivo erhöhte Cariprazin – in seiner bereits dargelegten Eigenschaft als partieller Agonist/Antagonist sowohl an D2- als auch an D3-Rezeptoren – die Dopamin-Biosynthese und den Dopamin-Umsatz, wie es typisch für D2/D3-Rezeptorantagonisten ist, jedoch war das Ausmaß des Anstiegs im Vergleich zu typischen D2/D3-Antagonisten eher gering [31]. Die Beobachtungen von Kiss et al. ließen Grund zur Annahme zu, dass die Cariprazin-Aktivität in vivo vom Funktionsniveau des Dopamin-Systems abhängig ist: In Zuständen mit niedriger dopaminerger Aktivität dominiert der partielle Agonismus an D2/D3-Rezeptoren, wohingegen in Zuständen mit hoher dopaminerger Aktivität die antagonistischen Eigenschaften überwiegen und die antagonistische Potenz von Cariprazin auch diejenige von Aripiprazol übertrifft [21, 31]. Zudem wurden in tierpharmakologischen Untersuchungen Hinweise gefunden, dass Cariprazin – ähnlich wie Aripiprazol, aber anders als gängige Antipsychotika wie Risperidon, Olanzapin und Haloperidol – die dopaminerge Neurotransmission im Striatum weniger stark zu hemmen scheint als im limbischen System und somit über ein geringeres EPS-Risiko verfügt als die gängigen Antipsychotika [21]. Zudem wurden im Tiermodell Hinweise gefunden, dass Cariprazin vor allem durch den partiellen Agonismus/Antagonismus an D2- und D3-Rezeptoren antidepressiv und prokognitiv wirkt [17, 21, 31].
Wirksamkeit: Akutstudien
Aktuell verfügbar sind eine 6-wöchige Proof-of-Concept-(Phase-II-)Studie, eine 6-wöchige Phase-IIB-Studie und zwei 6-wöchige Phase-III-Studien, in denen die Wirksamkeit von oral verabreichtem Cariprazin bei Menschen mit einer akuten Exazerbation einer Schizophrenie untersucht wurde, und zwar in Hinblick auf die primären und sekundären Endpunkte Veränderung im PANSS-Gesamtscore (Positive and negative syndrome scale) beziehungsweise CGI-S-Score (Clinical global impression – severity) [6, 10, 11, 20]. Diese vier Studien wurden in der Metaanalyse von Zhao et al. zur Wirksamkeit von Cariprazin in randomisierten Placebo-kontrollierten Studien (RCTs) gemeinsam ausgewertet (n = 1842) [33].
In der initialen 6-wöchigen, randomisiert-doppelblinden Proof-of-Concept-Studie zeigten sich an 392 Studienteilnehmern keine signifikanten Unterschiede zwischen einer Cariprazin-Tagesdosis von 1,5 bis 4,5 mg bzw. einer Cariprazin-Tagesdosis von 6 bis 12 mg bzw. Placebo hinsichtlich des primären Endpunkts einer Veränderung im PANSS-Gesamtscore, allerdings verbesserte sich die Cariprazin-Gruppe mit niedrigerer Tagesdosis (1,5 bis 4,5 mg/Tag) im PANSS-Gesamtscore signifikant im Vergleich zu Placebo (p = 0,033) [10]. Bei den drei anderen 6-wöchigen Studien handelt es sich um Placebo- [6, 11, 20] und aktiv-kontrollierte [6, 11] Phase-IIb- [11] und Phase-III-RCTs [6, 20], die im Einzelnen vorgestellt werden.
Durgam, Cutler et al. (Phase-III-Studie)
In dieser multinationalen, randomisiert-doppelblinden, Placebo- und aktiv-kontrollierten Studie [6] wurden Menschen im Alter von 18 bis 60 Jahren mit der DSM-IV-TR-Diagnose einer Schizophrenie eingeschlossen. Zusätzlich mussten die Studienteilnehmer seit mindestens einem Jahr die Diagnose einer Schizophrenie erhalten haben und mindestens eine psychotische Episode mit einem Krankenhausaufenthalt oder eine medikamentöse antipsychotische Intervention im vergangenen Jahr gehabt haben. Die Akutsymptome mussten nach Angaben der Studienteilnehmer im strukturierten klinischen DSM-IV-Interview und fremdanamnestisch seit maximal zwei Wochen vorhanden sein. Zudem bestand ein CGI-S-Score ≥ 4, ein PANSS-Gesamtscore von ≥ 80 und ≤ 120 Punkten sowie ein Score von ≥ 4 Punkten in mindestens zwei PANSS-Positiv-Items. Die Studienteilnehmer erhielten nach Randomisierung entweder Placebo (n = 153), Cariprazin 3 mg/Tag (n = 155), Cariprazin 6 mg/Tag (n = 157) oder Aripiprazol 10 mg/Tag (n = 152) über einen Zeitraum von sechs Wochen.
Primäre Endpunkte waren hier die Veränderungen im PANSS-Gesamtscore und im CGI-S-Score von Baseline bis Woche 6. Cariprazin war in Woche 6 in einer Tagesdosis von 3 mg bzw. 6 mg Placebo signifikant überlegen (LSMD [95%-KI] 3 mg/Tag –6,0 [–10,1 bis –1,9], korr. p = 0,0044; 6 mg/Tag –8,8 [–12,9 bis –4,7], korr. p < 0,0001). Cariprazin 3 mg/Tag und Cariprazin 6 mg/Tag waren auch assoziiert mit einer signifikanten Verbesserung im CGI-S-Score verglichen mit Placebo (LSMD [95%-KI] 3 mg/Tag, –0,4 [–0,6 bis –0,2], korr. p = 0,0044; 6 mg/Tag –0,5 [–0,7 bis –0,3], korr. p < 0,0001). Signifikante Verbesserungen im PANSS und im CGI-S-Score wurden auch bei Aripiprazol (verglichen mit Placebo) beobachtet (LSMD [95%-KI] PANSS –7,0 [–11,0 bis –2,9], p = 0,0008; CGI-S –0,4 [–0,6 bis –0,2], p = 0,0001).
Durgam, Starace et al. (Phase-IIb-Studie)
Bei dieser multinationalen, doppelblind-randomisierten, Placebo- und aktiv-kontrollierten Studie handelt es sich um einen „fixed-dose trial“ [11]. Menschen mit der DSM-IV-TR-Diagnose einer Schizophrenie im Alter von 18 bis 60 Jahren wurden randomisiert, um entweder Placebo, Cariprazin 1,5 mg/Tag, Cariprazin 3,0 mg/Tag, Cariprazin 4,5 mg/Tag oder Risperidon 4,0 mg/Tag über einen Zeitraum von sechs Wochen mit einem 2-wöchigen Safety-Follow-up zu erhalten. Die Studienteilnehmer mussten die Diagnose einer Schizophrenie vor mindestens einem Jahr erstmals gestellt bekommen haben. Die Akutsymptome mussten seit maximal zwei Wochen vorhanden sein und die Teilnehmer mussten mindestens eine psychotische Episode mit einem Krankenhausaufenthalt bzw. einer medikamentösen antipsychotischen Intervention im vergangenen Jahr gehabt haben. Menschen mit einer Erstmanifestation der Erkrankung wurden ausgeschlossen. Nach einer Wash-out-Phase von bis zu sieben Tagen wurden die Studienteilnehmer randomisiert. Cariprazin wurde mit 1,5 mg/Tag eindosiert und um 1,5 mg/Tag erhöht, bis die Zieldosis an Tag 2 oder 3 erreicht wurde. Risperidon wurde mit 2,0 mg/Tag eindosiert und an Tag 3 auf 4,0 mg/Tag erhöht.
Primäre und sekundäre Endpunkte waren jeweils die Veränderungen von Baseline bis zur sechsten Woche im PANSS-Gesamtscore und im CGI-S-Score. 732 Studienteilnehmer wurden insgesamt randomisiert, 64 % beendeten die Studie regulär. Es zeigte sich in den drei Cariprazin-Behandlungsarmen sowie im Risperidon-Behandlungsarm eine signifikante Verbesserung im PANSS-Gesamtscore in Woche 6 (LOCF) gegenüber Placebo (LSMD: –7,6 bzw. –8,8 bzw. –10,4; p < 0,001; für Risperidon: –15,1; p < 0,001). Signifikante Verbesserungen im CGI-S-Score zeigten sich in allen aktiven Behandlungsarmen (p < 0,05).
Kane, Zukin et al. (Phase-III-Studie)
In dieser doppelblind-randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie [20] wurden die Studienteilnehmer nach einer maximal einwöchigen Wash-out-Phase über einen Zeitraum von sechs Wochen entweder mit Placebo, Cariprazin 3 bis 6 mg oder Cariprazin 6 bis 9 mg pro Tag behandelt. Anschließend folgte eine Follow-up-Phase über einen Zeitraum von weiteren zwei Wochen. Die Teilnehmer an der Studie (18 bis 60 Jahre alt) mussten die Diagnose einer Schizophrenie nach DSM-IV seit mindestens einem Jahr erhalten haben. Akutsymptome mussten seit maximal zwei Wochen vorhanden sein. Die Studienteilnehmer mussten zudem mindestens eine psychotische Episode mit einem Krankenhausaufenthalt bzw. eine medikamentöse antipsychotische Intervention im vergangenen Jahr gehabt bzw. erhalten haben.
Die Teilnehmer in den Cariprazin-Behandlungsarmen erhielten nach Randomisierung Cariprazin gemäß dem in Tabelle 2 dargestellten Aufdosierungsschema. Primäre und sekundäre Endpunkte waren jeweils die Veränderungen von Baseline bis Woche 6 im PANSS-Gesamtscore und im CGI-S-Score.
Tab. 2. Cariprazin-Dosierungsschema in der 6-wöchigen Studie von Kane et al. [20]
Gruppe |
Tagesdosis [mg] |
||||
Tag 1 |
Tag 2 u. 3 |
Ab Tag 4 |
Tag 14 u. 15 |
Ab Tag 16 |
|
Cariprazin 3–6 mg |
1,5 mg |
3,0 mg |
3,0 mg |
4,5 mg* |
6,0 mg* |
Cariprazin 6–9 mg |
1,5 mg |
3,0 mg |
6,0 mg |
7,5 mg* |
9,0 mg* |
* Erhöhung auf diese Dosis nur bei nicht ausreichender Response (< 20 % Verbesserung im Vergleich zum PANSS-Gesamtscore bei Baseline und CGI-S-Score ≥ 4); Studienteilnehmer, die respondierten bzw. signifikante Verträglichkeitsprobleme hatten, erhielten keine Dosiserhöhung
In der Safety-Population (Placebo n = 147; Cariprazin 3–6 mg/Tag n = 151; Cariprazin 6–9 mg/Tag n = 148) beendeten regulär 60,5 % der Teilnehmer die Studie. Der Anteil an Patienten, die im Rahmen der Behandlungsphase mindestens ein unerwünschtes Ereignis entwickelten, lag bei 78,4 % in der Cariprazin-6-bis-9-mg/Tag-Gruppe, bei 76,8 % in der Cariprazin-3-bis-6-mg/Tag-Gruppe und bei 66,0 % in der Placebo-Gruppe. Als häufigste Nebenwirkung trat hierbei in der höher dosierten Cariprazin-Gruppe bei 16,9 % der Patienten eine Akathisie auf (15,9 % mit 3–6 mg/Tag, 3,4 % in der Placebo-Gruppe). In Woche 6 zeigten sich signifikante Verbesserungen im PANSS-Gesamtscore in den Cariprazin-Gruppen verglichen mit Placebo (3–6 mg/Tag: –6,8; p = 0,003; 6 bis 9 mg/Tag: –9,9; p < 0,001). Ebenso zeigten sich hier signifikante Verbesserungen im CGI-S-Score (3–6 mg/Tag: –0,3; p = 0,012; 6–9 mg/Tag: –0,5; p < 0,001) [20].
Zhao et al. (Metaanalyse)
In die Metaanalyse von Zhao et al. wurden vier Cariprazin- vs. Placebo-RCTs eingeschlossen (Tab. 3). Gemessen an den standardisierten Mittelwertdifferenzen (SMD) zeigte sich eine signifikante Verbesserung
- im PANSS-Gesamtscore (SMD –0,37; 95%-KI –0,47 bis –0,27; p < 0,00001),
- in der PANSS-Positivsymptom-Skala (SMD –0,32; 95%-KI –0,42 bis –0,23; p < 0,00001) und
- in der PANSS-Negativsymptom-Skala (SMD –0,32; 95%-KI –0,48 bis –0,16; p < 0,00001) [33].
Tab. 3. Ergebnisse Cariprazin vs. Placebo in den von Zhao et al. ausgewerteten 6-wöchigen Interventionsstudien (modifiziert nach [33])
Studie |
Patientenzahl |
Dosierung [mg] |
PANSS-Score-Differenz (SD) |
Response-Rate* (Cariprazin vs. Placebo) |
Vorzeitiger Studienabbruch |
Durgam et al., 2014 [11] |
573 |
1,5–4,5 |
–22,22 (20,61) vs. –13,30 (21,90) |
146/425 vs. 28/148 |
154/425 vs. 72/148 |
Durgam et al., 2015 [6] |
454 |
3,0–6,0 |
–21,61 (18,55) vs. –14,30 (18,31) |
86/305 vs. 29/149 |
111/305 vs. 58/149 |
Durgam et al., 2016 [10] |
377 |
1,5–12,0 |
–17,39 (21,31) vs. –13,00 (21,22) |
97/251 vs. 39/126 |
120/251 vs. 60/126 |
Kane et al., 2015 [20] |
439 |
3,0–9,0 |
–24,35 (20,04) vs. –16,00 (19,27) |
93/294 vs. 36/145 |
117/294 vs. 59/145 |
* Response: ≥ 20 % Abnahme im PANSS(Positive and negative syndrome scale)-Gesamtscore im Vergleich zu Baseline; SD: Standardabweichung
Ebenso zeigten sich in der Metaanalyse signifikant bessere Response-Raten unter Cariprazin im Vergleich zu Placebo (33,1 % vs. 23,2 %; Risk-Ratio [RR] 1,41; 95%-KI 1,19–1,67; p < 0,0001) [33].
Durgam, Earley et al. (Post-hoc-Analyse)
In einer Post-hoc-Analyse der drei RCTs (ohne die Proof-of-Concept-Studie [10]) zeigte sich, dass sich die Cariprazin-Gruppe signifikant häufiger von den schwereren CGI-S-Scores hin zu den moderaten CGI-S-Scores verbesserte als die Placebo-Gruppe. Unter den bei Baseline schwer kranken Menschen mit der Diagnose einer Schizophrenie (CGI-S-Score ≥ 6; n = 161) verbesserten sich 42 % in der Cariprazin-Gruppe im Vergleich zu 18 % in der Placebo-Gruppe hin zu einem CGI-S-Score ≤ 3; p = 0,004) [8].
Wirksamkeit bei prädominantem Negativsyndrom
In einer multizentrischen randomisierten Fall-Kontroll-Studie von Németh et al. wurde die Wirksamkeit von Cariprazin und Risperidon auf die primäre Negativsymptomatik untersucht [28]. Die Studienteilnehmer waren Menschen mit einem längeren Krankheitsverlauf und einem durchschnittlichen Erkrankungszeitraum von etwas mehr als zehn Jahren (Cariprazin: 11,98 Jahre, Risperidon: 12,96 Jahre). Initial wurden vorherige Antipsychotika über einen Zeitraum von zwei Wochen ausgeschlichen. In der Behandlungsphase zeigte sich bei beiden Antipsychotika-Monotherapien eine klinische Besserung der primären Negativsymptome anhand des PANSS-FSNS-Scores, einem etablierten Negativsymptom-Item-Cluster, mit einer signifikanten Überlegenheit von Cariprazin gegenüber Risperidon von Baseline bis zur 26. Behandlungswoche (p = 0,0022; Effektstärke 0,31). Zudem zeigte sich bei beiden Antipsychotika-Monotherapien eine Besserung des psychosozialen Funktionsniveaus anhand des PSP-Scores mit einer signifikanten Überlegenheit von Cariprazin von Baseline bis zur 26. Behandlungswoche (p < 0,0001; Effektstärke 0,48). In der Response-Rate (= Minderung von ≥ 20 % im PANSS-FSNS-Score) zeigte sich die Cariprazin-Gruppe der Risperidon-Gruppe ebenfalls überlegen mit einer Number needed to treat (NNT) von 9. Zur Bestätigung der Spezifität der Wirkung auf Negativsymptome wurden verschiedene Scores erhoben (PANSS-FSPS, CDSS und SAS); hier wie auch hinsichtlich der erhobenen metabolischen Parameter zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (ohne Prolactinspiegel-Kontrolle).
In dieser Studie war somit der Einsatz von Cariprazin in der Behandlung von vorwiegender Negativsymptomatik bei Menschen mit einer Schizophrenie dem Risperidon überlegen.
Rezidivprophylaxe: Langzeitstudie von Durgam, Earley et al.
In der Langzeitstudie von Durgam, Earley et al. [7] wurden die Studienteilnehmer initial für 20 Wochen open Label mit Cariprazin in einer Dosierung von 3 bis 9 mg/Tag stabilisiert (davon 8 Wochen flexible Eindosierungsphase und 12 Wochen Fixed-Dose). Stabil eingestellte Studienteilnehmer, die die Open-Label-Behandlung absolviert hatten, wurden dann randomisiert Cariprazin-Behandlungsarmen von jeweils 3 mg, 6 mg oder 9 mg/Tag bzw. einem Placebo-Behandlungsarm zugeteilt und für einen Zeitraum von 26 bis zu 72 Wochen mit der Studienmedikation behandelt (Fixed-Dose, doppelblind). In der 20. Woche erfolgte eine rasche Umstellungsphase, was als methodisch kritisch zu werten ist. Eingeschlossen wurden Menschen im Alter von 18 bis 60 Jahren, die nach DSM-IV die Diagnose einer Schizophrenie vor mindestens einem Jahr erhalten hatten und zum Einschlusszeitpunkt an einer psychotischen Episode von einer maximal vierwöchigen Dauer litten. Die Teilnehmer hatten zudem obligat einen PANSS-Gesamtscore von ≥ 70 und ≤ 120 Punkten sowie einen Score von ≥ 4 Punkten in mindestens zwei PANSS-Positiv-Items. Menschen mit der Erstmanifestation einer Schizophrenie wurden ausgeschlossen.
Der primäre Endpunkt der Studie war der Zeitpunkt, bis zu dem die Studienteilnehmer eine Re-Exazerbation („relapse“) der Symptomatik hatten. Als Re-Exazerbation galten:
- ein Anstieg von ≥ 30 % im PANSS-Gesamtscore bei einem Ausgangswert von ≥ 50 Punkten zum Zeitpunkt der Randomisierung oder ein Anstieg von ≥ 10 Punkten bei einem Ausgangswert von < 50 Punkten
- ein Score von > 4 Punkten in einem der sieben PANSS-Items, die bei Randomisierung erhoben wurden (Wahnideen, formale Denkstörungen, Halluzinationen, Misstrauen/Verfolgungsideen, Feindseligkeit, unkooperatives Verhalten, mangelnde Impulskontrolle)
- ein erneuter stationär-psychiatrischer Krankenhausaufenthalt
- Auftreten von aggressivem oder gewalttätigem Verhalten oder Suizidalität
264 von 765 Studienteilnehmern beendeten die Open-Label-Behandlung. 200 Teilnehmer an der Studie wurden doppelblind auf Placebo (n = 99) oder Cariprazin (n = 101) randomisiert. Der Zeitraum bis zur ersten Re-Exazerbation war unter Cariprazin-Behandlung signifikant länger als unter Placebo (p = 0,0010 [Log-Rank-Test]; 25. Perzentile des Zeitraums bis zur Re-Exazerbation unter Cariprazin 224 Tage, für Placebo 92 Tage; 50. Perzentile/Median Cariprazin: keine Angabe aufgrund geringer Anzahl an Re-Exazerbationen, für Placebo: 296 Tage). Re-Exazerbationen traten bei 24,8 % der Cariprazin-Gruppe und bei 47,5 % der Placebo-Gruppe auf (Hazard-Ratio [HR] 0,45; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,28–0,73). Die häufigsten Gründe für eine Re-Exazerbation („relapse“) waren ein Anstieg im PANSS-Gesamtscore gemäß Endpunktdefinition (20,8 vs. 43,4 %), ein Score von > 4 Punkten in einem der sieben PANSS-Items (10,9 vs. 25,3 %) und ein Anstieg von ≥ 2 im CGI-S-Score (4,0 vs. 28,3 %) [7].
Verträglichkeit und Sicherheit
In den Kurzzeitstudien
In den drei vorgestellten 6-wöchigen Kurzzeitstudien [6, 11, 20] traten unerwünschte Ereignisse (Adverse events [AE]) dosisunabhängig bei 61 bis 78 % der Patienten in den Cariprazin-Gruppen und bei 66 bis 67 % in den Placebo-Gruppen auf [6, 11, 20]. Signifikante Unterschiede ergaben sich im Auftreten unerwünschter Ereignisse in Form einer Akathisie (7 % und 15 % vs. 5 % unter Cariprazin 3 mg/Tag und Cariprazin 6 mg/Tag vs. Placebo; p < 0,05 für Cariprazin 6 mg/Tag vs. Placebo) und einer Verschlechterung der Symptome im Sinne einer relevanten Zunahme des PANSS-Scores bzw. eines relevanten Anstiegs im CGI-S-Score (2 % und 3 % vs. 8 %, jeweils p < 0,05) [6, 15]. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SAE) traten bei 0 bis 6 % der Patienten in den Cariprazin- und bei 1 bis 15 % in den Placebo-Gruppen auf. Insgesamt kam es bei 6 bis 13 % der Cariprazin-Gruppe und 9 bis 11 % der Placebo-Gruppe zum Behandlungsabbruch aufgrund unerwünschter Ereignisse [6, 11, 15, 20, 25]. Todesfälle gab es in keiner der drei Studien. In der gepoolten Post-hoc-Analyse der 6-wöchigen Kurzzeitstudien [12] wurden vor allem extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen als AE beobachtet, und zwar im Sinne eines Parkinsonoids (13 % und 16 % vs. 7 % bei Cariprazin 1,5–3 mg/Tag und 4,5–6 mg/Tag vs. Placebo) oder einer Akathisie (9 % und 13 % vs. 4 % bei Cariprazin 1,5–3 mg/Tag und 4,5–6 mg/Tag vs. Placebo) [12, 15]. In der Studie von Németh et al. [28] traten über einen Zeitraum von 26 Wochen an unerwünschten Nebenwirkungen am häufigsten Schlaflosigkeit (Cariprazin: 9 %, Risperidon: 10 %) und Akathisie auf (Cariprazin: 8 %, Risperidon: 5 %) ohne signifikante Häufungen in einer der beiden Gruppen [28]. Insgesamt traten AE in beiden Behandlungsarmen etwa gleich häufig auf (Cariprazin: 53 %, Risperidon: 57 %). 10 % der Cariprazin-Gruppe bzw. 12 % der Risperidon-Gruppe brachen die Behandlung aufgrund von AE ab [28].
In der Metaanalyse von Zhao et al. zeigte sich im Vergleich der vier Akutsymptomatik-Studien (inklusive der Proof-of-Concept-Studie) [6, 10, 11, 20] eine signifikant höhere Abbruch-Rate in der Cariprazin-Kohorte verglichen mit Placebo (15,4 % vs. 11,3 %; p = 0,02). Zusätzlich zeigte sich eine signifikant höhere Rate an extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen in Form von Akathisie (11,5 % vs. 3,5 %; RR 3,08; 95%-KI 1,68–5,64; p = 0,0003) und eines Parkinsonoids (10,1 % vs. 4,2 %; RR 2,40; 95%-KI 1,57–3,66; p < 0,0001) in der Cariprazin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe.
Bei langfristiger Anwendung
Studie von Durgam, Earley et al.
In der Langzeitstudie von Durgam, Earley et al. [7] waren unerwünschte Ereignisse, die im Rahmen der Open-Label-Behandlung bei ≥ 10 % des Studienkollektivs auftraten, im Wesentlichen Akathisie, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. In der doppelblinden Behandlungsphase waren Tremor und Rückenschmerzen die einzigen AE, die bei ≥ 5 % der Cariprazin-Gruppe und doppelt so häufig wie bei der Placebo-Gruppe auftraten. Die Inzidenz der Akathisie war höher in der Eindosierungsphase (18,6 %) als in der Stabilisierungsphase (6 %) oder in der doppelblinden Behandlungsphase (Placebo 3 %, Cariprazin 5 %). Mehr als 98 % der Akathisie war von leichtem bis moderatem Schweregrad. Das Gesamtauftreten von extrapyramidal-motorischen AE (ausgenommen Akathisie und Unruhe) betrug 19,7 % während der Open-Label-Behandlungsphase und jeweils 3 % und 15,8 % für Placebo- und Cariprazin-Kohorten in der doppelblinden Behandlungsphase [7]. Eine relevante Verschlechterung der Schizophrenie-Symptome war das einzige unerwünschte Ereignis, das zu einem Behandlungsabbruch von ≥ 2 % der Studienteilnehmer während der Open-Label- (3,0 %) und doppelblinden Behandlungsphase (Placebo 9,1 %; Cariprazin 5,9 %) führte. Während der Open-Label-Behandlungsphase führten Akathisie und andere EPS-AE (außer Akathisie und Unruhe) jeweils bei 1 % der Studienteilnehmer zu einem Therapieabbruch. In der doppelblinden Behandlungsphase führte keine EPS-AE zu einem Therapieabbruch.
Unerwünschte Ereignisse in Zusammenhang mit der Behandlung traten in 60,5 % und 44,6 % der Cariprazin-Gruppe in der Open-Label- bzw. doppelblinden Behandlungsphase auf und bei 32,3 % der Placebo-Gruppe in der doppelblinden Behandlungsphase. Die meisten doppelblinden AEs wurden als leicht oder mittelgradig eingestuft (Placebo 95,4 %; Cariprazin 95,7 %). Das einzige schwere AE (SAE), das in ≥ 2 % der Studienteilnehmer während der doppelblinden Behandlungsphase in einer der beiden Gruppen (Cariprazin/Placebo) auftrat, war eine Verschlechterung der Schizophrenie (7,1 und 6,9 %) bzw. eine psychotische Störung (2,0 % und 2,0 %). Alle anderen SAE im Rahmen der Studie wurden bei ≤ 1 % der Studienteilnehmer berichtet [7].
Es gab keine wesentlichen Veränderungen der Lipidparameter in den Gruppen während der Open-Label- und doppelblinden Behandlungsphase. Ebenso wenig waren Blutdruckveränderungen relevant. Bei keinem Studienteilnehmer trat eine Veränderung des QTcF- oder QTcB-Werts > 500 ms während der Studie ein. Eine Gewichtszunahme von ≥ 7 % wurde in der doppelblinden Behandlungsphase bei 32,3 % der Placebo-Gruppe und 27,0 % der Cariprazin-Gruppe festgestellt.
Weitere Analysen
In einer Post-hoc-Analyse von Nasrallah et al. [27] wurden zwei 48-wöchige Open-Label-Langzeitstudien [4, 9] gepoolt. Cariprazin wurde jeweils in einer Dosierung von 3 bis 9 mg/Tag bzw. 1,5 bis 4,5 mg/Tag verabreicht. Beide Studien dauerten 53 Wochen mit einer 48-wöchigen Interventionsphase und einem 4-wöchigen Follow-up. Bei der einen Studie handelte es sich um eine Extensionsstudie der Phase-IIb-Studie [11], bei der anderen um eine Extensionsstudie der beiden Phase-III-Studien [6, 20], bei der auch neue Patienten eingeschlossen werden konnten. Von 679 Patienten der Cariprazin-Safety-Population, die mindestens einmal Cariprazin in einer Dosis von 1,5 mg bis 9 mg/Tag erhielten, beendeten regulär 40,1 % die Studie. Die einzigen unerwünschten Ereignisse, die zu einem Behandlungsabbruch bei ≥ 2 % der Studienteilnehmer – unabhängig von der Cariprazin-Dosis – führten, waren Akathisie, eine Verschlechterung der Schizophrenie-Symptome und eine psychotische Störung. Unerwünschte Ereignisse, die im Rahmen der Behandlung bei ≥ 10 % der Cariprazin-Population auftraten, waren Akathisie, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme und Kopfschmerzen. Die Prolactinspiegel sanken in den Gruppen mit 1,5–3 mg/Tag Cariprazin (n = 170), 4,5–6 mg/Tag Cariprazin (n = 361) und 9 mg/Tag Cariprazin (n = 148). Durchschnittlich sanken die Prolactinspiegel gruppenübergreifend um 15,4 ng/ml. Eine Gewichtszunahme von ≥ 7 % wurde bei 27 % der Teilnehmer festgestellt, eine Gewichtsabnahme ≥ 7 % bei 11 %. Insgesamt traten bei 81 % der Teilnehmer AE (v. a. Akathisie: 16 %, Schlaflosigkeit: 13 %, Kopfschmerzen: 13 % und Gewichtszunahme: 11 %) bzw. bei 12 % der Teilnehmer SAE (v. a. Verschlechterung der Schizophrenie-Symptome: 4 %, psychotische Störung: 2 %) auf. Ein Studienteilnehmer beging Suizid, was aber als nicht mit der Behandlung assoziiert gewertet wurde.
Lao et al. zeigten in einer Metaanalyse von neun randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien zur diagnoseübergreifenden Verträglichkeit von Cariprazin bei psychotischen, bipolaren und depressiven Störungen, dass in einer Kohorte von n = 4324 Studienteilnehmern das Risiko für einen Behandlungsabbruch aufgrund eines unerwünschten Ereignisses unter Cariprazin vergleichbar mit dem Risiko unter Placebo war (RR 1,13; 95%-KI 0,77–1,66) [24]. Die Einnahme von Cariprazin war mit einem höheren EPS-Risiko assoziiert als Placebo, einschließlich eines erhöhten Risikos für das Auftreten von Akathisie (RR 3,92; 95%-KI 2,83–5,43), Tremor (RR 2,41; 95%-KI 1,53–3,79) und Ruhelosigkeit (RR 2,17; 95%-KI 1,38–3,40). Die Behandlung mit Cariprazin im Vergleich zu Placebo war zudem mit einem erhöhten Risiko für klinisch relevante Gewichtszunahme (RR 1,68; 95%-KI 1,12–2,52) vergesellschaftet. Es bestanden keine signifikanten Unterschiede in anderen metabolischen oder kardiovaskulären Parametern. Die Ergebnisse dieser Metaanalyse sind in Tabelle 4 zusammengefasst [24].
Tab. 4. Nebenwirkungen von Cariprazin im Vergleich zu Placebo (mod. nach [24])
Endpunkte |
Studien [n] |
RR (95%-KI) |
Heterogenität (95%-PI) |
Abbruch aufgrund eines AEs |
9 |
1,13 (0,77–1,66) |
p = 0,07, I2 = 71 % (0,32–3,93) |
EPS-abhängige Endpunkte |
|||
Abbruch aufgrund eines EPS-abhängigen TEAE* |
5 |
3,31 (0,06–10,32) |
p = 0,68, I2 = 0 % (0,52–21,00) |
Abbruch aufgrund von Akathisie |
4 |
8,71 (2,08–36,49) |
p = 0,95, I2 = 0 % (NA) |
Akathisie |
9 |
3,92 (2,83–5,43) |
p = 0,31, I2 = 11 % (2,12–7,25) |
Tremor |
7 |
2,41 (1,52–3,79) |
p = 0,31, I2 = 16 % (1,01–5,75) |
Ruhelosigkeit |
7 |
2,17 (1,38–3,40) |
p = 0,27, I2 = 21 % (0,85–5,54) |
Veränderung in der BARS-Skala |
5 |
0,32 (0,21–0,43) |
p = 0,04, I2 = 60 % (–0,04–0,68) |
Veränderung in der SAS-Skala |
5 |
0,45 (0,27–0,64) |
p = 0,02, I2 = 65 % (0,18–1,08) |
Veränderung in der AIMS-Skala |
5 |
0,04 (–0,05–0,13) |
p = 0,003, I2 = 75 % (–0,31–0,39) |
Metabolische Endpunkte |
|||
Körpergewicht [kg] |
9 |
0,61 (0,39–0,82) |
p = 0,07, I2 = 46 % (0,02–1,20) |
Gesamt-Cholesterolspiegel [mg/dl] |
9 |
–0,59 (–1,86–0,68) |
p = 0,34, I2 = 12 % (–3,00–1,82) |
LDL [mg/dl] |
9 |
–1,61 (–3,31–0,09) |
p = 0,11, I2 = 39 % (–5,65–2,43) |
HDL [mg/dl]) |
9 |
0,02 (–0,06–0,10) |
p = 0,50, I2 = 0 % (–0,08–0,12) |
Triglyceride [mg/dl] |
9 |
–0,04 (–0,25–0,16) |
p = 0,80, I2 = 0 % (–0,29–0,21) |
Nüchternglucose [mg/dl] |
9 |
1,31 (–0,19–2,82) |
p = 0,02, I2 = 57 % (–2,74–5,36) |
Prolactinspiegel [ng/ml] |
7 |
–0,53 (–3,30–2,23) |
p < 0,001, I2 = 75 % (–9,11–8,05) |
Kardiovaskuläre Endpunkte |
|||
Orthostatische Hypotonie |
7 |
0,93 (0,76–1,13) |
p = 0,74, I2 = 0 % (0,72–1,21) |
Blutdruck systolisch [mm Hg] |
9 |
0,83 (0,02–1,65) |
p = 0,17, I2 = 31 % (–1,05–2,71) |
Blutdruck diastolisch [mm Hg] |
9 |
0,68 (0,04–1,32) |
p = 0,15, I2 = 34 % (–0,86–2,22) |
Creatinkinase [U/l] |
4 |
17,49 (1,63–33,35) |
p = 0,60, I2 = 0 % (NA) |
*TEAE: Treatment-emergent AE (AE im Rahmen der Studie); AE: Adverse Event (unerwünschtes Ereignis); KI: Konfidenzintervall; PI: Prognoseintervall
Kommentar: In dieser Metaanalyse von Lao et al. wurden Cariprazin vs. Placebo-RCTs bei psychotischen, bipolaren und depressiven Störungen eingeschlossen.
Fazit
Mit Cariprazin steht ein neues Antipsychotikum zur Verfügung, das in den Akut- und Langzeitstudien in der Behandlung psychotischer Symptome Placebo signifikant überlegen war. Bei vorwiegenden Negativsymptomen war Cariprazin Risperidon in der Behandlung der PANSS-Negativsymptome signifikant überlegen. Das Präparat hat ein besonderes Rezeptorprofil mit D3-Blockade und zeigte in den Studien eine gute Verträglichkeit hinsichtlich metabolischer (Gewichtszunahme muss in Phase-IV-Studien weiter beurteilt werden) und kardiovaskulärer Parameter bei signifikant höherem EPS-Risiko als unter Placebo. Positive Effekte auf die Kognition müssen in Studien weiter belegt werden und sind aktuell nicht abschätzbar. Die nachgewiesene Wirksamkeit insbesondere bei prädominanter Negativsymptomatik gibt Grund zur Hoffnung, dass Cariprazin eine neue Therapieoption für diese Patientengruppe darstellt, wobei hier ein Head-to-Head-Vergleich zu den für diese Indikation häufig verwendeten Substanzen Amisulprid und Olanzapin wünschenswert wäre.
Seit April 2018 ist Cariprazin in Deutschland verfügbar und hat im Rahmen der frühen Nutzenbewertung von IQWiG und G-BA einen Zusatznutzen für die Langzeitbehandlung von Menschen mit einer Schizophrenie mit überwiegender Negativsymptomatik bescheinigt bekommen.
Interessenkonflikterklärung
Für EW besteht kein Interessenkonflikt. AH erhielt in den letzten zwei Jahren Vortragshonorare von Janssen-Cilag, Lundbeck und Otsuka und war Mitglied in Advisory Boards von Janssen-Cilag und Otsuka.
Abkürzungsverzeichnis
AE: Adverse event (unerwünschtes Ereignis)
AIMS: Abnormal involuntary movement scale
BARS: Barnes akathisia rating scale
CDSS: Calgary depression scale for schizophrenia
CGI-S: Clinical global impression – severity
DSM-IV-TR: Diagonstic and Statistical Manual of Mental Disorders, fourth edition, text revision
FDA: Food and Drug Administration
KI: Konfidenzintervall
LOCF: Last observation carried forward
LSMD: Least square means difference (Differenz der kleinsten Abweichungsquadrate)
PANSS: Positive and negative syndrome scale
PANSS-FSNS: PANSS factor score for negative symptoms
PANSS-FSPS: PANSS factor score for positive symptoms
PSP: Personal and social performance scale
RR: Risk-Ratio
RCT: Randomiserte kontrollierte Studie
SAS: Simpson-Angus scale
SAE: severe adverse event (schwerwiegendes AE)
SMD: standardized mean difference (standardisierte Mittelwertdifferenz)
TEAE: treatment-emergent adverse event
Literatur
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Dr. med. Elias Wagner, Priv.-Doz. Dr. Alkomiet Hasan, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der Universität München, Nußbaumstraße 7, 80336 München, E-Mail: Elias.Wagner@med.uni-muenchen.de, Alkomiet.Hasan@med.uni-muenchen.de
Cariprazine
Cariprazine is a dopamine D3/D2-receptor partial agonist with preferential binding to D3-receptors. It is indicated for the treatment of schizophrenia. The efficacy compared to placebo is well proven in acute and long-term randomized-controlled trials in schizophrenia. Furthermore, cariprazine showed its superiority to risperidone in the treatment of predominant negative symptoms. In acute and long-term studies cariprazine showed little effect on metabolic and cardiovascular parameters, but a significantly higher risk for EPS than placebo.
Key words: Cariprazine, D3/D2 partial agonist, schizophrenia, negative symptoms, EPS
Psychopharmakotherapie 2018; 25(06):278-285